Ausschüttungen im Rahmen eines als Schneeballsystem geführten Anlagemodells erfolgen in der Regel zunächst auf ausgewiesene Scheingewinne und erst danach auf die geleistete Einlage. Damit eröffnet der Bundesgerichtshof in der Insolvenz eines solchen Anlagemodells die weitestgehende Möglichkeit einer Anfechtung dieser Ausschüttungen.

Der Insolvenzverwalter kann die Auszahlung von in “Schneeballsystemen” erzielten Scheingewinnen durch den späteren Insolvenzschuldner als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechten. Auszahlungen, mit denen – etwa nach einer Kündigung der Mitgliedschaft in der Anlegergemeinschaft – vom Anleger erbrachte Einlagen zurückgewährt worden sind, sind dagegen als entgeltliche Leistungen nicht anfechtbar.
Ein Schuldner kann seine Leistung einem bestimmten, auch einem fiktiven Schuldverhältnis zuordnen. Die Auszahlungen der Schuldnerin erfolgten jeweils primär auf die angeblich erzielten Gewinne und erst nach deren Ausschöpfung auf die Einlage des beklagten Anlegers.
Dieser Auslegung stehen die vertraglichen Vereinbarungen nicht entgegen. Sie beschränkten die Rechte des Beklagten nicht auf einen einheitlichen vertraglichen Auszahlungsanspruch. Zwar unterscheidet im hier entschiedenen Fall der Auszahlungsanspruch nach Nr. 13 der vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zwischen der Auszahlung von Gewinnen und der Auszahlung der Einlage. Für den dort geregelten Fall der Beendigung des gesamten Vertrages ist eine solche Unterscheidung aber auch nicht nötig. Was bei Teilauszahlungen gelten soll, ist damit nicht entschieden. Die Regelung in Nr. 12.3 AGB, nach welcher der Anleger am weiteren Ergebnis der Anlagegeschäfte nicht mehr teilnimmt, wenn der Wert seiner Beteiligung auf 65% seiner Gesamteinzahlungen gesunken ist, spricht dafür, dass trotz der Zusammenfassung der Einzahlungen und der Geschäftsergebnisse auf einem einheitlichen Konto zwischen beiden zu unterscheiden ist. Dies entspricht auch dem Konzept der Anlage. Der Anleger hatte einen vereinbarten Geldbetrag einzuzahlen, mit dem Anlagegeschäfte getätigt werden sollten. Die Ergebnisse der Anlagegeschäfte wurden dem Betrag der Einlage auf einem Konto zugeschrieben. Gewinne erhöhten das Guthaben, Verluste minderten es. Die buchungstechnische Zusammenfassung änderte aber nichts an der unterschiedlichen rechtlichen Qualität von Einzahlung und Gewinnen. Eine gesonderte Behandlung sah dementsprechend auch das für Auszahlungsaufträge vorgesehene Formular der Schuldnerin vor. Es enthielt einerseits Felder für die Auszahlung eines Teils oder des Gesamtbetrags der Einlage, andererseits Felder für die periodische oder einmalige Auszahlung der erwirtschafteten Gewinne.
Verlangte der Anleger die Auszahlung nur eines Teilbetrags des Guthabens, entsprach es grundsätzlich dem Anlagekonzept und den Interessen der Beteiligten, den Betrag der Einlage nach Möglichkeit zur weiteren Tätigung von Anlagegeschäften stehen zu lassen und nur die bisher erwirtschafteten Gewinne abzuziehen. Ein Auszahlungsauftrag ist daher regelmäßig dahin auszulegen, dass in erster Linie eine Auszahlung der erzielten Gewinne erfolgen sollte und nur dann eine Auszahlung der Einlage, wenn das aus den Gewinnen resultierende Guthaben für die beantragte Auszahlung nicht ausreichte.
Bei der Bestimmung der unentgeltlich ausgezahlten Scheingewinne ist die ursprüngliche Einzahlung in voller Höhe von den Auszahlungen abzuziehen und nicht nur der nach Ansicht des Klägers noch vorhandene Teil der Einlage. Der Kläger stützt sich insoweit vergeblich auf die die von ihm nachträglich erstellte “Verteilung des realen Handelsergebnisses und Neuberechnung der Gebühren” in Verbindung mit der auf das Guthaben des Beklagten bezogenen “Realen Gewinn- und Verlustverteilung”, in welcher der Kläger die Entwicklung des Kontos des Beklagten abweichend von den tatsächlich übersandten Kontoauszügen unter Verrechnung von eingetretenen Verlusten und angefallenen Verwaltungsgebühren darzustellen versucht. Eine Verrechnung der anteiligen Verluste aus den in geringem Umfang noch getätigten Anlagegeschäften und der Verwaltungsgebühr mit der Einzahlung des Beklagten verstößt unter den gegebenen Umständen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Februar 2011 – IX ZR 18/10