Bürgschaft zur Absicherung von Subventionsrückzahlungen

Der Sicherungszweck einer Bürgschaft für eine durch Verwaltungsakt festzusetzende Rückforderung einer staatlichen Subvention reicht nach einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs im Zweifel nur so weit, wie die zuständige Behörde den Empfänger der Subvention bei fehlerfreier Ermessensausübung tatsächlich in Anspruch genommen hätte.

Bürgschaft zur Absicherung von Subventionsrückzahlungen

In dem vom BGH entschiedenen Fall bewilligte die Klägerin, eine Anstalt des öffentlichen Rechts als die zuständige Behörde des Landes Brandenburg für Investitionsförderungen nach dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe “Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur” vom 6. Oktober 1969, der Zuwendungsempfängerin, einer GmbH, mit Bescheid vom 22. Februar 1999 eine zweckgebundene Zuwendung in Höhe von 650.500 DM (= 332.595,36 €) zur Finanzierung von 38% der zuwendungsfähigen Investitionen des Projekts “Teilverlagerung aus gemieteten Räumen und Errichtung einer Betriebsstätte der Logistik”. Die Beklagte unterzeichnete als damalige Gesellschafterin der Zuwendungsempfängerin am 13. April 1999 die von der Klägerin als Anlage zum Zuwendungsbescheid übersandte “Haftungserklärung der Gesellschafter”, die im Kopf als “Firma” die Zuwendungsempfängerin und als “Gesellschafter” die Beklagte und zwei natürliche Personen aufführt und unter anderem folgenden Wortlaut hat:

“Die o.g. Firma und die Personen übernehmen die gesamtschuldnerische Haftung für die unter Punkt 8 der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen für Projektförderung (ANBest-P) – Bestandteil des Zuwendungsbescheids vom 22. Februar 1999 – aufgeführten Erstattungs- und Verzinsungsansprüche der I. .

Die Haftung gilt ab Bekanntgabe des Zuwendungsbescheids an das o.g. Unternehmen während der gesamten Zweckbin-dungsfristen.”

Nach Unterzeichnung der Haftungserklärung zahlte die Klägerin den Zuschuss am 27. April 1999 in voller Höhe an die Zuwendungsempfängerin aus. Am 29. Mai 2002 wurde über das Vermögen der Zuwendungsempfängerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Daraufhin widerrief die Klägerin mit Bescheid vom 11. Juni 2002 gegenüber dem Insolvenzverwalter den Zuwendungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit in vollem Umfang und setzte den zu erstattenden Betrag auf 332.595,36 € fest. Zur Begründung führte sie aus, die Auflagen hinsichtlich der 3- bzw. 5-jährigen Bindefristen gemäß Nrn. 2.3.2 und 2.3.5 der Anlage 1 zum Zuwendungsbescheid, die nach der Beendigung des Vorhabens am 11. Oktober 1999 bis zum 11. Oktober 2002 bzw. 11. Oktober 2004 liefen, könnten nicht mehr erfüllt werden. Den Widerspruch des Insolvenzverwalters wies die Klägerin als unbegründet zurück. Verwaltungsgerichtliche Klage erhob der Insolvenzverwalter nicht. Der Erstattungsanspruch wurde am 14. August 2002 zur Insolvenztabelle festgestellt. Sodann verlangte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung des von ihr in dem Widerrufsbescheid festgesetzten Erstattungsbetrages.

Der BGH widmete sich zunächst der “Haftungserklärung”, die, so der BGH, als privatrechtlicher Schuldbeitritt auszulegen und als solcher gemäß § 306 BGB aF nichtig. Die gewollte Rechtsfolge, eine privatrechtliche Mithaftung für einen bedingten öffentlich-rechtlichen Rückerstattungsanspruch, kann nicht eintreten, weil der Schuldbeitritt seinem Wesen nach stets die Rechtsnatur der Forderung des Gläubigers teilt, zu der er erklärt wird, und deshalb zu seiner wirksamen Begründung der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags unter Beachtung des Schriftformerfordernisses gemäß § 57 VwVfGBbg erforderlich gewesen wäre.

Der nichtige Schuldbeitritt ist aber, so der BGH weiter, nach dem maßgeblichen hypothetischen Parteiwillen gemäß § 140 BGB in eine Bürgschaftserklärung umzudeuten. Eine Bürgschaft begründet eine von der Hauptschuld verschiedene, eigene Verbindlichkeit des Bürgen, deren Rechtscharakter sich nicht nach der Art der Hauptschuld bestimmt. Sie ist daher geeignet, öffentlich-rechtliche Forderungen auf privatrechtlicher Ebene abzusichern.

Sodann treffen die Überlegungen des BGH den Widerrufsbescheid. Das zuvor in dieser Sache tätige Kammergericht hatte in seinem Berufungsurteil die Auffassung vertreten, die Rückforderung der Zuwendung durch den Widerrufsbescheid vom 11. Juni 2002 sei dem Grunde nach nichts anderes als die Ausübung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts, die nach billigem Ermessen im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB erfolgt sei, weil die Klägerin ihr Ermessen zutreffend ausgeübt habe. Dies läßt der Bundesgerichtshof jedoch nicht gelten:

Bereits der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Überprüfung des BGH nicht stand: Die Befugnis der Klägerin, einen Widerrufsbescheid zu erlassen, ist im Zivilrechtsverhältnis zur Beklagten kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Auch wenn das Entstehen der Hauptforderung allein davon abhängt, dass die Klägerin einen wirksamen Widerrufs- oder Rücknahmebescheid erlässt, ist dieser Umstand für die Anwendung der Vorschriften über das Leistungsbestimmungsrecht nicht ausreichend. Diese finden auf faktische Bestimmungsrechte grundsätzlich keine Anwendung. § 315 BGB setzt eine ausdrückliche oder stillschweigende rechtsgeschäftliche Vereinbarung voraus, dass eine Partei durch einseitige Willenserklärung den Inhalt einer Vertragsleistung bestimmen kann.

An einer solchen Vereinbarung fehlt es hier. Sie wäre mit dem hypothetischen Parteiwillen zur Begründung einer akzessorischen Bürgenhaftung nicht vereinbar. Dass das Entstehen der Hauptforderung zugleich die Haftung der Beklagten begründet, ist bereits zwangsläufige Folge der Akzessorietät der Bürgschaft. Die zusätzliche Ausübung eines rechtsgeschäftlichen Gestaltungsrechts im Verhältnis zum Bürgen ist daher nicht erforderlich, um dessen Haftung zu begründen, und wäre mit dem Sinn und Zweck der Bürgenhaftung nicht vereinbar. Die Bürgschaft ist die Verpflichtung zum Einstehen für eine fremde Schuld und dement-sprechend vom jeweiligen Bestand der Hauptschuld abhängig (§ 767 Abs. 1 Satz 1 BGB). Somit liegen Entstehung und Umfang der Haftung grundsätzlich fest. Auf eine zusätzliche inhaltliche Billigkeitskontrolle, wie sie § 315 BGB vorsieht, kann es für die Inanspruchnahme des Bürgen nicht ankommen. Das Berufungsgericht verkennt zudem, dass sich die Abwägung, wann ein Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen ausgeübt wurde, insbesondere an den Interessen beider Parteien dieses Rechtsverhältnisses zu orientieren hätte. Das Ergebnis stünde damit nicht zwangsläufig in Übereinstimmung mit der Rechtmäßigkeit der Ausübung des Ermessens, das der Klägerin nach § 49 Abs. 3 VwVfGBbg im Verhältnis zur Zuwendungsempfängerin eingeräumt ist.

Dies bedeutet indessen nicht, dass die Bürgschaft der Beklagten jede durch einen wirksamen Widerrufsbescheid begründete Erstattungsforderung der Klägerin sichert. Das Kammergericht hat insoweit nach Auffassung des BGH verkannt, dass die Beklagte nach dem Sicherungszweck der formularmäßigen Bürgschaft für Erstattungsansprüche nur insoweit haftet, wie die Klägerin die Zuwendungsempfängerin bei fehlerfreier Ermessensausübung durch einen rechtmäßigen Verwaltungsakt tatsächlich in Anspruch genommen hätte.

Hierfür spricht zum einen der Wortlaut der in der Haftungserklärung in Bezug genommenen Regelung der Nebenbestimmungen des Zuwendungsbescheides, die den Umfang der Bürgenhaftung konkretisiert. Dort werden als Rechtsgrundlage einer Rücknahme oder eines Widerrufs des Zuwendungsbescheids die verwaltungsrechtlichen Vorschriften der §§ 48, 49 VwVfGBbg ausdrücklich in Bezug genommen und im Folgenden beispielhaft einzelne Aufhebungsgründe aufgezählt. Damit wird der Haftungsumfang an die materiell-rechtlichen Aufhebungsvoraussetzungen geknüpft, zu denen neben den Tatbestandsvoraussetzungen auch die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung zählt.

Dass die Beklagte als Bürgin das Ausfallrisiko der Zuwendungsempfängerin nur bei rechtmäßigen Aufhebungsentscheidungen absichert, ergibt sich insbesondere auch aus der Interessenlage der Parteien. Auch wenn der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch gegenüber der Zuwendungsempfängerin allein deshalb besteht, weil der zugrunde liegende Widerrufsbescheid wirksam ist, kann ein nach zivilrechtlichen Grundsätzen haftender Bürge berechtigterweise davon ausgehen, dass er nur solche Ansprüche absichert, die auf materiell rechtmäßigen Aufhebungsentscheidungen beruhen. Allein dies entspricht dem zivilrechtlichen Haftungssystem, in dem der Bürge selbst durch die Rechtskraft eines dem Gläubiger günstigen Urteils gegen den Hauptschuldner nicht gehindert ist, Einwendungen gegen die Hauptschuld zu erheben. Auch die Klägerin als Bewilligungsbehörde kann, wenn sie den Erstattungsanspruch im Wege des Privatrechts absichert, bei verständiger Würdigung nicht davon ausgehen, dass dieses Sicherungsmittel Ansprüche aus Widerrufsbescheiden auch insoweit erfasst, als diese rechtswidrig sind.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. April 2009 – XI ZR 86/08