Das gepfändete Konto – und die Insolvenzanfechtung

Unterlässt es der Schuldner, dessen Konten durch seinen Gläubiger gepfändet sind, ein weiteres Konto zu eröffnen und Zahlungen seiner Schuldner auf dieses freie Konto zu leiten, steht diese Unterlassung einer Rechtshandlung nicht gleich.

Das gepfändete Konto – und die Insolvenzanfechtung

Die durch Überweisung von den gepfändeten Konten erlangte Befriedigung der pfändenden Gläubigerin beruht nicht auf einer Rechtshandlung der Schuldnerin und kann damit nicht nach der (hier: zeitlich allein in Betracht kommenden) Regelung des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO angefochten werden. Sie ist vielmehr Folge einer wirksamen und unanfechtbaren Pfändung und Überweisung. Die Pfändungsgläubigerin hat nur das erhalten, was ihr bereits aufgrund des Pfändungspfandrechts und des damit erlangten Rechts zur abgesonderten Befriedigung (§ 50 Abs. 1 InsO) zustand.

Die Anfechtung gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO setzt eine Rechtshandlung des Schuldners und damit dessen willensgeleitetes verantwortungsgesteuertes Handeln voraus. Der Schuldner muss darüber entscheiden können, ob er eine Leistung erbringt oder verweigert. Grundsätzlich fehlt es an einer solchen Rechtshandlung des Schuldners, wenn der Gläubiger eine Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch eine Leistung des Schuldners erlangt, bei deren Vornahme jede Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Handeln ausgeschlossen ist. Anfechtbar ist eine im Rahmen oder aus Anlass einer Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung aber dann, wenn eine selbstbestimmte Rechtshandlung des Schuldners zumindest auch dazu beigetragen hat, selbst wenn dies unter dem Druck oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt ist. Fördert der Schuldner aktiv eine Vollstreckungsmaßnahme oder trägt er dazu bei, dass eine Situation entsteht, in der seine Leistung wegen des sonst erfolgenden Vollstreckungszugriffs als nicht selbstbestimmt zu werten ist, kann dies die Qualifizierung der Vermögensverlagerung als Rechtshandlung des Schuldners rechtfertigen. Eine durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers erlangte Zahlung kann daher der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn eine Schuldnerhandlung oder eine dieser gleichstehende Unterlassung zum Erfolg der Vollstreckungsmaßnahme beigetragen hat. Ausreichend ist eine mitwirkende Rechtshandlung des Schuldners, ohne dass sie die einzige Ursache für die Gläubigerbenachteiligung bilden muss.

Die Schuldnerin hat nicht durch aktives Tun zur Befriedigung der Pfändungsgläubigerin aus dem anfechtungsfest erworbenen Pfändungspfandrecht beigetragen. Der Pfändungsgläubigerin sind die von den Drittschuldnern auf den Konten eingezahlten Beträge allein aufgrund der Pfändung zugeflossen und die Schuldnerin hat keinen für den Vollstreckungserfolg wenigstens mitursächlichen Beitrag geleistet.

Für einen mitursächlichen Beitrag, wie er etwa bei einer vom Schuldner bewusst zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers veranlassten Einzahlung auf ein gepfändetes Konto bestehen kann, besteht im vorliegend entschiedenen Fall kein Anhalt. Vielmehr waren die Drittschuldner schon vor der Aufforderung des Geschäftsführers der Schuldnerin gehalten, auf eines der bereits bekannten, wenn auch gepfändeten Konten zu zahlen. Den Drittschuldnern war es nicht möglich, ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Schuldnerin durch Überweisungen auf bestehende andere, nicht gepfändete Konten nachzukommen. Über solche weiteren Kontoverbindungen verfügte die Schuldnerin nach den für die Revisionsinstanz bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. Damit lag in der wiederholten Aufforderung, weiterhin auf die bekannten, Konten der Schuldnerin zu zahlen, lediglich eine gegenüber den Drittschuldnern zum Ausdruck gebrachte Hinnahme des bisherigen Zahlungswegs. Mangels einer bestehenden Alternative liegt hierin kein über das bloße Stillhalten hinausgehender Beitrag der Schuldnerin, mit dem die Befriedigung der Beklagten gefördert wurde.

Aus diesem Grund kann auch nicht angenommen werden, dass die Schuldnerin an der Erlangung eines werthaltigen Pfändungspfandrechts der Pfändungsgläubigerin aktiv mitgewirkt hat, indem die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zwangsvollstreckung durch sie erst geschaffen wurden. Vielmehr hat die Schuldnerin nur die Fortzahlung der Drittschuldner auf die gepfändeten Konten nicht unterbunden. Das im Wege der Forderungspfändung erwirkte Pfandrecht der Pfändungsgläubigerin beruht damit allein auf einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme und nicht auf einer Rechtshandlung der Schuldnerin im Sinne von § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO.

Weder in der unterbliebenen Eröffnung eines neuen Kontos noch in der fehlenden Anweisung an die Drittschuldner, zu Barzahlungen überzugehen, kann ein der Rechtshandlung nach § 133 Abs. 1 InsO gleichgestelltes Unterlassen (§ 129 Abs. 2 InsO) gesehen werden.

Im Insolvenzanfechtungsrecht ist eine Gleichstellung mit einer Rechtshandlung nur gerechtfertigt, wenn die Unterlassung auf einer Willensbetätigung beruht, also bewusst und gewollt erfolgt. Eine bloße Unachtsamkeit oder Vergesslichkeit genügt nicht. Der Schuldner muss das Gebotene in dem Bewusstsein unterlassen haben, dass sein Nichthandeln irgendwelche Rechtsfolgen auslöst. Dabei müssen sich die Vorstellungen des Schuldners nicht auf eine konkrete Rechtsfolge beziehen oder rechtlich zutreffend sein; es genügt, wenn aus einer Situation, die naheliegender Weise materiellrechtliche Ansprüche zur Folge hat, bewusst keine Konsequenzen gezogen werden.

Bei der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ergibt sich aus deren subjektiven Voraussetzungen die weitergehende Anforderung, dass die gebotene Handlung bewusst und wenigstens unter Inkaufnahme der Gläubigerbenachteiligung unterlassen worden sein muss. Die untätige Hinnahme von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen muss also gerade in der Vorstellung und mit dem Willen erfolgen, dass durch das Unterlassen einer möglichen Handlung die anstehende Vermögensverlagerung auf den vollstreckenden Gläubiger gefördert wird. Für ein entsprechend zielgerichtetes Unterlassen reicht es nicht aus, dass der Schuldner die Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers lediglich geschehen lässt. Vielmehr hat er andere Handlungsmöglichkeiten zum Schutz der Gläubigergesamtheit in Erwägung zu ziehen und muss hiervon bewusst im Interesse einzelner Gläubiger absehen. Dieses Bewusstsein kann vorhanden sein, wenn von der Geltendmachung bestehender Erstattungsansprüche kein Gebrauch gemacht wird oder erfolgversprechende Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegen eine rechtswidrige Vollstreckung nicht genutzt werden.

Ebenso scheidet ein anfechtungsrechtlich erhebliches, prozessuales Unterlassen aus, weil es keine Gründe gibt, auf die eine Erinnerung gegen die Pfändung der Konten erfolgreich hätte gestützt werden können. Werden von vorneherein aussichtslose Rechtsbehelfe nicht ergriffen, kann dies eine Vermögensverlagerung zugunsten des vollstreckenden Gläubigers nicht gefördert haben; eine Gleichstellung mit einer Rechtshandlung scheidet aus.

Ob die Schuldnerin durch ihre Untätigkeit eine spezielle Pflicht zum Handeln verletzt hat, ist nach dem Schutzzweck des Insolvenzanfechtungsrechts unerheblich. So rechtfertigt die Verletzung der Insolvenzantragspflicht keine Insolvenzanfechtung. Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit des Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der mitherbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg. In der bewussten Bevorzugung einzelner Gläubiger unter Inkaufnahme der Benachteiligung anderer Gläubiger liegt das anfechtungsrechtlich zu missbilligende Verhalten des Schuldners. Auf die benachteiligende Wirkung hat auch der Gesetzgeber bei Einführung des § 129 Abs. 2 InsO maßgeblich abgestellt, um die Anfechtbarkeit von Unterlassungen zu rechtfertigen. Damit kommt es unter anfechtungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht darauf an, ob nach der Pfändung der bestehenden Geschäftskonten eine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Verpflichtung der Schuldnerin zur Eröffnung eines neuen Kontos bestand, um die Zahlungen ihrer Drittschuldner auf jenes Konto zu leiten und sie allen Gläubigern zugutekommen zu lassen.

Folgerichtig liegt deshalb kein Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wonach der Geschäftsführer einer GmbH, der seiner Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a Abs. 1 InsO nicht rechtzeitig nachkommt, aufgrund seiner Masseerhaltungspflicht dafür zu sorgen hat, dass Zahlungen als Äquivalent für dadurch erfüllte Gesellschaftsforderungen der Masse zugutekommen und nicht auf ein debitorisch geführtes Konto mit der Folge der bevorzugten Befriedigung bestimmter Gesellschaftsgläubiger gelangen. Als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mag er in einer solchen Situation aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Pflichten gehalten sein, ein neues, kreditorisch geführtes Konto bei einer anderen Bank zu eröffnen und den aktuellen Gesellschaftsschuldnern die geänderte Bankverbindung unverzüglich bekannt zu geben. Anfechtungsrechtlich bleibt das Unterlassen einer Kontoeröffnung indes bedeutungslos. Die Regelung des § 133 Abs. 1 InsO soll zwar das Interesse der Gläubiger daran schützen, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Hieraus folgt jedoch keine Garantenpflicht des Schuldners, die es gebieten könnte, schon vor Eintritt der Krise sämtliche ihm möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger zu gewährleisten. Der insolvenzrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wurde nach dem System der Anfechtungsregeln bewusst auf die Zeit der Krise beschränkt und verdrängt gemäß §§ 130, 131 InsO erst in der “kritischen” Zeit das die Einzelvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip. Außerhalb der Krise ist der Schuldner jedenfalls anfechtungsrechtlich nicht dazu verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz einer gleichen Befriedigungsmöglichkeit aller Gläubiger einzuleiten.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Januar 2014 – IX ZR 31/12