Welche Pflichten nach § 69 InsO ein Mitglied des Gläubigerausschusses hat und unter welchen Voraussetzungen es nach § 71 InsO haftet, hat der Bundesgerichtshof grundlegend in seinem Urteil vom 09.10.2014 geklärt.

Danach darf der Kassenprüfer mit der Aufnahme der Kassenprüfung Aufnahme der Kassenprüfung etwa acht Monate nach seiner Wahl zum Kassenprüfer zuwarten. Vielmehr hätte mit der Prüfung von Geldverkehr und bestand bis spätestens zwei Wochen nach der ersten Gläubigerversammlung, in der die Mitglieder des Gläubigerausschusses in ihrem Amt bestätigt worden waren, begonnen werden müssen..
Dafür hätten sämtliche Mitglieder des Gläubigerausschusses durch eine klare Absprache während ihrer ersten Ausschusssitzung Sorge tragen müssen.
Schon anlässlich der ersten Kassenprüfung stellte der Kassenprüfer in dem hier entschiedenen Fall fest, dass sich der wesentliche Teil des Barvermögens der Schuldnerin, nämlich 931.635, 58 € (95%), auf einem Festgeldpoolkonto befand, über das Bankbelege nicht vorhanden waren, sondern nur interne Abrechnungen des Verwalters. Damit hätte er sich jedoch nicht begnügen dürfen. Er hätte aufgrund der vom Verwalter ihm bei der Kassenprüfung überlassenen Unterlagen feststellen können, dass es sich bei dem Poolkonto nicht um ein Sonderkonto der Masse, sondern um ein Konto des Verwalters handelte. Ausweislich des Protokolls der ersten Gläubigerversammlung durfte der Verwalter zwar weitere Hinterlegungskonten einrichten; dass er Gelder der Insolvenzmasse auf ein Treuhandkonto, gar ein Sammelkonto, überweisen dürfe, ergibt sich aus dem Beschluss der Gesellschafterversammlung aber nicht. Der Kassenprüfer hätte bezüglich des Poolkontos sofort Nachforschungen anstellen und die übrigen Mitglieder des Gläubigerausschusses unverzüglich über den Missstand in Kenntnis setzen müssen. Als Mitglieder des Gläubigerausschusses hätten sie, nachdem sie aufgrund des Protokolls über die Kassenprüfung erkannt hatten, dass der Verwalter Beträge auf Poolkonten verschob, auf denen eine Zuordnung zum einzelnen Verfahren und eine gesonderte Kontenführung für jedes Verfahren nicht mehr gewährleistet war, unverzüglich einschreiten müssen.
Die verzögerte Aufnahme der Prüfungen und die geringe Prüfungsintensität waren im vorliegenden Fall auch kausal für die Untreuehandlungen des ehemaligen Verwalters.
Denn dieser wäre durch ordnungsgemäß durchgeführte Prüfungen von den Veruntreuungen abgehalten worden. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins, der vorliegend zur Anwendung kommt, wie der Bundesgerichtshof in der bereits genannten Entscheidung dargelegt hat. Nach diesen Grundsätzen spricht im Streitfall der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Verwalter die Gelder auf dem Hinterlegungskonto auch in den Monaten Januar und April 2003 unangetastet gelassen hätte, wenn er ordnungsgemäß überwacht worden wäre. Die aufgeführten Pflichtverstöße rechtfertigten aus der Sicht des Verwalters die Erwartung, Veruntreuungen würden nicht alsbald aufgedeckt. Dadurch, dass mit der Prüfung von Geldverkehr und Geldbestand weder unverzüglich begonnen noch die erforderlichen Prüfungsintervalle eingehalten wurden, brachten der Beklagte zu 3 und die übrigen Mitglieder des Gläubigerausschusses zum Ausdruck, dass man es mit der Überwachung des Verwalters nicht so genau nehme. Zudem konnte er annehmen, dass die jeweils nächste Prüfung auch nicht rechtzeitig und mit der notwendigen Intensität erfolgen würde und deshalb Handlungsspielraum für Veruntreuungen bestand.
Vor der Überweisung von Ende Januar 2003 in Höhe von 15.028, 39 € hätte bereits die erste Prüfung, vor der Überweisung vom 08.04.2003die Kassenprüfungen Mitte November 2002 und Mitte Februar 2003 sorgfältig durchgeführt hätte, hätte ihm die Überweisung von 240.000 € vom Sonderkonto über das Zwischenkonto auf das Poolkonto und zurück im Monat Oktober 2002 auffallen müssen. Schon diese Transaktion hätte ihm Anlass geben müssen, Nachforschungen über das Poolkonto anzustellen und die übrigen Mitglieder des Gläubigerausschusses über dieses Konto zu informieren. Alle Mitglieder des Gläubigerausschusses hätten dann dem Verwalter untersagen müssen, das Poolkonto in Zukunft zu nutzen. Gegebenenfalls hätten sie das Insolvenzgericht über den Vorgang informieren müssen.
Der Anscheinsbeweis kann entkräftet werden durch die Darlegung und erforderlichenfalls den Nachweis von Tatsachen, die für ein atypisches Verhalten des Verwalters im Falle seiner ordnungsgemäßen Überwachung durch die Mitglieder des Gläubigerausschusses sprechen. Dies ist den Mitgliedern des Gläubigerausschusses im vorliegenden Fall jedoch nicht gelungen. Ihre Behauptung, der Verwalter sei ohnehin zur Veruntreuung erheblicher Finanzmittel bereit gewesen, findet im Sachverhalt keine Stütze. Es ist daher davon auszugehen, dass eine ordnungsgemäße Überwachung des Verwalters durch die Mitglieder des Gläubigerausschusses alle streitbefangenen Veruntreuungen verhindert hätte.
Ihren Vortrag, der Verwalter sei ohnehin zur schädigenden Handlung fest entschlossen gewesen, hat das Berufungsgericht nicht übergangen. Ihr Vortrag, für den Verwalter habe es kein Zurück mehr gegeben, nachdem er mit den Untreuehandlungen im Jahr 1999 begonnen und gewusst habe, die veruntreuten Werte nicht mehr zurückführen zu können, reicht für die Widerlegung des Anscheinsbeweis ebenfalls nicht aus. Insoweit ist dem Verwalter durch die oberflächlichen und wenigen Kontrollen das Gefühl vermittelt worden, sich ohne Gefahr der Entdeckung an der Masse vergreifen zu können. Dagegen wäre er nach Überzeugung des Gerichts bei sorgfältiger Kontrolle und Überwachung von Untreuehandlungen zu Lasten der streitgegenständlichen Masse abgehalten worden, weil ansonsten sein System der Masseschädigung über das Poolkonto frühzeitig entdeckt worden wäre. Das Landgericht hat unter Verweis auf das Strafurteil ausgeführt, der Verwalter hätte aus Furcht vor dem öffentlichen Zusammenbruch seines Lebenswerks und vor dem Niedergang seines persönlichen und beruflichen – ihm äußerst wichtigen – Ansehens alles erdenklich Mögliche unternommen, um eine Entdeckung, gar einen öffentlichen Ansehensverlust zu vermeiden. Eine solche Person hätte bei enger Kontrolle und dem Verbot, Gelder an das Poolkonto abzuführen, diesen Weg der Veruntreuung nicht gewählt, weil sie wegen der regelmäßigen und sorgfältigen Kontrollen jederzeit mit der Aufdeckung ihrer Untreuehandlungen auch in anderen Insolvenzverfahren, mit dem daraus folgenden Ansehensverlust, aber auch mit dem Verlust der für sie äußerst ergiebigen Einnahmequelle hätte rechnen müssen. Wie der ehemalige Verwalter bei ordnungsgemäßen Kontrollen sich an der Masse hätte bereichern können, haben die Gläubigerausschussmitglieder nicht dargelegt.
Der Beweis des ersten Anscheins wird auch nicht dadurch entkräftet, dass der Verwalter Mitte Oktober 2002 ein erstes Mal 240.000 € auf das Poolkonto überwiesen hat. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses meinen, zu diesem Zeitpunkt habe er noch gar nicht erahnen, geschweige denn wissen können, mit welcher Intensität und Genauigkeit er von den Mitgliedern des eingesetzten Gläubigerausschusses überwacht werde. Dabei übersehen sie, dass bereits am 25.09.2002 in Anwesenheit des damaligen Verwalters die erste Ausschusssitzung stattgefunden hatte. In dieser Sitzung haben die Mitglieder des Gläubigerausschusses vereinbart, die erste Kassenprüfung solle vor der zweiten Ausschusssitzung erfolgen. Dem Verwalter war mithin der zeitliche Kontrollrahmen bekannt. Zudem hatte er hinsichtlich der ersten Überweisung auf das Poolkonto Vorsorge getroffen durch Abschluss eines Festgeldvertrages zwischen sich als Insolvenzverwalter und als Privatperson in einem Insichgeschäft. Er zahlte diesen Geldbetrag auch zeitig zurück, nämlich im zeitlichen Zusammenhang mit der ersten Gläubigerversammlung. Daraus lässt sich folgern, dass er einen ersten Versuch unternommen hat, ob diese Transaktion Insolvenzgericht oder Gläubigerausschuss auffallen werde.
Entsprechendes gilt für den Vortrag, der ehemalige Verwalter habe bei seinen Untreuehandlungen nicht danach unterschieden, ob in den unterschiedlichen Insolvenzverfahren Gläubigerausschüsse eingerichtet worden seien. Gerade in den mit Gläubigerausschüssen besetzten Verfahren hätten die vom Verwalter verursachten Schäden die in den anderen Verfahren entstandenen um ein Vielfaches überstiegen. Aus diesem Vortrag ergibt sich nämlich weder, ob die Mitglieder der Gläubigerausschüsse in den anderen Verfahren den Verwalter ordnungsgemäß überwacht haben und es dennoch zu Untreuehandlungen gekommen ist, noch, ob die höhere Schadenssumme in den Verfahren mit Gläubigerausschuss sich nicht dadurch erklärt, dass Gläubigerausschüsse nur in den Verfahren mit den größeren Massen bestellt werden.
Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 71 InsO sind die Mitglieder des Gläubigerausschusses nur den absonderungsberechtigten Gläubigern und den Insolvenzgläubigern zum Schadensersatz verpflichtet. Die Schadensersatzklage kann deshalb nur insoweit Erfolg haben, als durch die Veruntreuungen die zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehende Masse vermindert worden ist. Der Schaden besteht in der Differenz zwischen der ohne die Veruntreuungen anzunehmenden (Soll)Quote und der aufgrund der noch vorhandenen Masse zu erwartenden (Ist)Quote. Beträge, die auf vorrangig zu befriedigende Gläubiger entfielen, stellen bei der Schadensberechnung nur einen fiktiven Berechnungsposten dar. Ersatzfähig nach § 71 InsO ist nur die Masseminderung, die sich in einer verminderten Befriedigung der nach § 71 InsO Anspruchsberechtigten tatsächlich niedergeschlagen hat. Freilich darf die so berechnete Schadensersatzleistung als Sondermasse auch nur zur Befriedigung dieser Anspruchsberechtigten verwendet werden. Die aufgrund der Bildung und Verteilung der Sondermasse verursachten Kosten einschließlich der Kosten der Einziehung der zu verteilenden Beträge sind vorab der Sondermasse zu entnehmen.
Weiter wird das Gericht zu berücksichtigen haben, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Beklagten gegebenenfalls zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Quotenerhöhung im Urteil vorbehalten werden muss, ihre Rechte gegen den Insolvenzverwalter nach Erfüllung der Schadensersatzansprüche zu verfolgen. Der den Mitgliedern des Gläubigerausschusses vorliegend gegen den Insolvenzverwalter zustehende Anspruch ist die Summe etwaig eintretender Quotenerhöhungen. Die den Ausschussmitgliedern haftende Masse speist sich dabei aus dem, was der Kläger in Verfolgung der fraglichen Ansprüche gegen die beteiligten Banken erzielt, abzüglich der auf vorrangig zu befriedigende Gläubiger entfallenden Beträge.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Juni 2015 – IX ZR 142/13