Die Anfechtungsklage der Treuhänderin – nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens

Gemäß § 40 Abs. 2 FGO ist eine Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt, wenn das Klagevorbringen es als zumindest möglich erscheinen lässt, dass die angefochtene Entscheidung eigene Rechte des Klägers verletzt[1].

Die Anfechtungsklage der Treuhänderin – nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens

Danach war die Treuhänderin im hier entschiedenen Streitfall klagebefugt. Sie macht geltend, das Finanzamt habe nach Beendigung des Insolvenzverfahrens die Einkommensteuer des (ehemaligen) Insolvenzschuldners durch den an sie als Treuhänderin adressierten Einkommensteuerbescheid vom 21.04.2017 nicht mehr festsetzen dürfen. Da es nach dem Vorbringen der Treuhänderin zumindest als möglich erschien, dass das Finanzamt zum Erlass des angefochtenen Einkommensteuerbescheids nicht berechtigt war, ist die Klagebefugnis der Treuhänderin gegeben.

Die Treuhänderin hatte -entgegen der Auffassung des Finanzamt- auch ein Rechtsschutzbedürfnis:

Sie hat ein rechtliches Interesse an der Aufhebung des an sie als Treuhänderin gerichteten Einkommensteuerbescheids, sofern sich dieser als rechtswidrig oder unwirksam erweist. Da sich das Finanzamt mit dem angefochtenen Verwaltungsakt der Rechtsstellung berühmt, die Einkommensteuer für 2009 gegenüber der Treuhänderin als Treuhänderin des (ehemaligen) Insolvenzschuldners festsetzen zu dürfen, ist es für das Rechtsschutzbedürfnis der Treuhänderin zunächst bedeutungslos, ob die Entgegennahme von Steuerbescheiden für den (vormaligen) Insolvenzschuldner überhaupt von der beschränkten Wirkung der durch das AG angeordneten Nachtragsverteilung erfasst wird. Auch ein nichtiger bzw. unwirksamer Verwaltungsakt kann mit der Anfechtungsklage angefochten werden[2].

Die vorliegende Anfechtungsklage ist weder objektiv sinnlos noch rechtsmissbräuchlich und die Treuhänderin kann das mit ihrer Klage verfolgte Ziel auch nicht auf einfachere Weise erreichen. Das Rechtsschutzinteresse der Treuhänderin kann hiernach insbesondere nicht deshalb verneint werden, weil die Anfechtung des Einkommensteuerbescheids nach Meinung des Finanzamt nicht zu einer weiteren Befriedigung der Insolvenzgläubiger führen könne, das wirtschaftliche Interesse an der Anfechtung geringfügig sei und im Hinblick auf die Kosten einer Nachtragsverteilung nicht angemessen erscheine.

Selbst wenn die Treuhänderin durch die Erhebung der vorliegenden Klage etwaige insolvenzrechtliche Pflichten als Treuhänderin verletzt haben sollte, ließen derartige Pflichtverletzungen das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. Denn den Insolvenzverwalter/Treuhänder treffen bei der Erhebung einer Klage oder während eines Verfahrens gegenüber einem Prozessgegner keine insolvenzspezifischen Pflichten. Insoweit gelten vielmehr die allgemeinen Vorschriften[3], nach denen der Treuhänderin ein Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden kann.

Aus den Regelungen und der Rechtsprechung zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für (Aktiv-)Prozesse des Insolvenzverwalters, insbesondere bei Massearmut, können für das vorliegende Verfahren keine gegenteiligen Schlussfolgerungen gezogen werden. Die Voraussetzungen der PKH prüft das Gericht allein im Interesse der Staatskasse. Insoweit ergeben sich für den Prozessgegner nur günstige Reflexwirkungen. Es ist dann aber auch nicht gerechtfertigt, dem Verwalter insolvenzspezifisch abzuverlangen, seinerseits Ansprüche nur dann und so weit zu verfolgen bzw. abzuwehren, als das Vorgehen den Vorschriften für die Bewilligung von PKH entspricht[4]. Im Streitfall kommt hinzu, dass das Finanzgericht die Massearmut des Insolvenzverfahrens nicht festgestellt hat.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. Februar 2021 – VI R 37/18

  1. BFH, Urteile vom 07.02.2013 – IV R 33/12, Rz 14; und vom 10.10.2007 – VII R 36/06, BFHE 218, 458, unter II. 1.a, m.w.N.[]
  2. BFH, Urteil vom 26.06.1985 – IV R 62/83, BFH/NV 1987, 19[]
  3. BGH, Urteil vom 02.12.2004 – IX ZR 142/03, BGHZ 161, 236[]
  4. BGH, Urteil vom 26.06.2001 – IX ZR 209/98, BGHZ 148, 175[]