Die Handakten des entlassenen Insovlenzverwalters

Das Insolvenzgericht kann gem. § 4 InsO i.V.m. § 143 ZPO die Vorlage der Handakten eines entlassenen Insolvenzverwalters an die neu bestellten Insolvenzverwalter anordnen. Ein Akteneinsichtsrecht folgt auch daraus, dass die Handakten Behördenakten ähneln, deren Beiziehung gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO oder § 432 ZPO erfolgen kann.

Die Handakten des entlassenen Insovlenzverwalters

Der Anspruch folgt bereits aus § 4 InsO i.V.m. § 143 ZPO. Danach kann das Amtsgericht anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen vorlegt. Eine Anordnung ist danach zulässig, um die Amtsgerichtsakten zu ergänzen. Nach den Ausführungen der nunmehrigen Insolvenzverwalter/Treuhänder sind Forderungsanmeldungen teilweise nicht das Amtsgericht weitergereicht worden.

Die Vorschrift des § 143 Abs. 2 ZPO steht nicht entgegen. Danach sind Dritte zur Vorlegung nicht verpflichtet, soweit ihnen diese nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung gem. den §§ 383 bis 385 ZPO berechtigt sind. Für eine Unzumutbarkeit bestehen keine Anhaltspunkte. Dritter ist die schuldnerische GmbH. Dieser drohen keine unmittelbaren vermögensrechtliche Schäden (§ 384 Nr. 1 ZPO) oder Strafverfolgung (§ 384 Nr. 2 ZPO).

Darüber hinaus steht dem Insolvenzverwalter/Treuhänder ein Recht auf Akteneinsicht zu. Es spricht einiges dafür, die Handakten eines Insolvenzverwalters/Treuhänders nicht wie anwaltliche Akten zu behandeln, in die grundsätzlich kein Einsichtsrecht besteht. Die Tätigkeit eines Insolvenzverwalters/Treuhänders dient nämlich nicht der Wahrnehmung von Interessen einer Partei in einem kontradiktorischen Verfahren. Vielmehr ist der Insolvenzverwalter/Treuhänder Partei kraft Amtes, der verpflichtet ist, die Interessen sämtlicher Verfahrensbeteiligter bestmöglich zu wahren. Insoweit sind die Handakten Behördenakten angenähert, deren Beiziehung gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO oder § 432 ZPO erfolgen kann.

Das Insolvenzgericht hat das Einsichtsrecht auch erstreckt auf die nunmehrigen Nachlassverwalter/Zwangsverwalter. Auch diese haben aus den vorgenannten Erwägungen ein berechtigtes Interesse auf Einsicht in die Handakten. Die Handakten befinden sich im Gewahrsam der vorläufigen Insolvenzverwalterin, so dass eine entsprechende Anordnung nur vom Insolvenzgericht getroffen werden kann.

Amtsgericht Göttingen, Beschluss vom 15. April 2015 – 74 IN 31/15