Das Insolvenzgericht kann den vorläufigen Insolvenzverwalter im Wege des besonderen Verfügungsverbots ermächtigen, eine Forderung des Schuldners im eigenen Namen einzuziehen. Der vorläufige Insolvenzverwalter darf nur dann ermächtigt werden, außerhalb des laufenden Geschäftsbetriebs des Schuldners dessen Forderungen einzuziehen, wenn deren Verjährung oder Uneinbringlichkeit droht. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist kraft des auf eine Schuldnerforderung bezogenen besonderen Verfügungsverbots zur Entgegennahme aller Erklärungen befugt, welche die von ihm einzuziehende Forderung betreffen.

Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO hat das Insolvenzgericht alle Maßnahmen zu treffen, um bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Es kann insbesondere dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO). Der nur mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht prozessführungsbefugt. Das Insolvenzgericht kann ihn jedoch ermächtigen, zur Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens Prozesse zu führen. Eine solche Anordnung kann nicht allgemein, sondern nur im Wege der Einzelanordnung (§ 22 Abs. 2 InsO) mit oder nach Erlass eines besonderen Verfügungsverbots bezüglich des hiervon betroffenen Vermögensgegenstandes ergehen.
Der Beschluss des Insolvenzgerichs, welcher den vorläufigen Insolvenzverwalter “im Wege des besonderen Verfügungsverbots zur gerichtlichen Geltendmachung” der streitgegenständlichen Kaufpreisforderungen ermächtigte, ist dahingehend auszulegen, dass er neben der Übertragung der Prozessführungsbefugnis die materiellrechtliche Einziehungsermächtigung sowie ein Verfügungsverbot hinsichtlich dieser Forderungen umfasste. Ohne die Einziehungsermächtigung hätte der vorläufige Insolvenzverwalter auf Zahlung an die Schuldnerin antragen müssen; ohne das Verfügungsverbot wäre die Schuldnerin nicht daran gehindert gewesen, ihrerseits die gerichtliche Durchsetzung der Kaufpreisforderungen zu betreiben. Beides war im Zweifel nicht gewollt.
Entgegen § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO und trotz des gegenteiligen Wortlauts des Beschlusses dient die dem vorläufige Insolvenzverwalter erteilte Ermächtigung zur Einziehung der Kaufpreisforderungen allerdings nicht dazu, eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Die von der Beklagten bestrittenen Forderungen stellen in dem hier vom Bbundesgerichtshof entschiedenen Fall die einzigen Vermögensgegenstände der Schuldnerin dar. Der vorläufige Insolvenzverwalter will sie seiner eigenen Darstellung nach einziehen, um so Masse zur Deckung der Verfahrenskosten zu schaffen. Dies ist in der Insolvenzordnung nicht vorgesehen. Der vorläufige Verwalter hat nicht die Aufgabe, das Schuldnervermögen zu verwerten. Fällige Forderungen des Schuldners gegen Drittschuldner darf er außerhalb des laufenden Geschäftsbetriebs, den es im vorliegenden Fall nicht gab, nur einziehen, um drohender Verjährung oder Uneinbringlichkeit vorzubeugen, nicht jedoch allein zur Masseanreicherung.
Die Frage der Verfahrenskostendeckung ist in § 26 InsO geregelt. Das Verfahren ist zu eröffnen, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken, oder wenn ein ausreichender Vorschuss geleistet wird. Ist dies nicht der Fall, ist der Eröffnungsantrag abzuweisen. Auf den Sonderfall des § 26 Abs. 3, 4 InsO braucht in diesem Zusammenhang nicht eingegangen zu werden. Wenn die streitgegenständlichen Forderungen also eine ausreichende Grundlage für die Eröffnung des Verfahrens boten, hätte das Verfahren eröffnet werden müssen; war dies aus Rechtsgründen oder wegen Uneinbringlichkeit nicht der Fall, hätte der Eröffnungsantrag abgewiesen werden müssen.
Eine Anordnung, welche eine Behörde innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises trifft, darf aus Gründen der Rechtssicherheit in ihrer Wirksamkeit jedoch nicht allein deshalb in Frage gestellt werden, weil sie mit dem Verfahrensrecht nicht im Einklang steht. Nichtig und ohne jede rechtliche Wirkung ist die Anordnung nur dann, wenn sie offensichtlich jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt. Das ist hier nicht der Fall, weil ein Verfügungsverbot hinsichtlich der streitgegenständlichen Kaufpreisansprüche und die Ermächtigung, diese Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO rechtlich zulässig gewesen wäre.
Der vorläufige Insolvenzverwalter ist kraft der ihm erteilten Einzelermächtigung zur Entgegennahme aller Erklärungen befugt, welche die von ihm einzuziehenden Forderungen betreffen. Wie gezeigt, umfasst die Ermächtigung die Prozessführungsbefugnis, die Einziehungsermächtigung und die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der streitgegenständlichen Forderungen. Jede einzelne Befugnis begründet schon für sich genommen die Empfangszuständigkeit des vorläufige Insolvenzverwalters für Rückgabe- und Verrechnungserklärungen der Beklagten entsprechend § 388 BGB. Wird eine Forderung im Wege der Prozessstandschaft geltend gemacht, kann der Prozessgegner im Verfahren mit Forderungen gegen den Ermächtigenden aufrechnen; denn die gewählte Art der Prozessführung darf den Prozessgegner nicht unbillig benachteiligen. Liegt eine materiellrechtliche Einziehungsermächtigung vor, wird die Rechtsstellung des Schuldners nicht dadurch beeinträchtigt, dass ihm statt des Gläubigers der Ermächtigte gegenübertritt. Rechtshandlungen zwischen ihm und dem Ermächtigten muss der Ermächtigende ebenso gegen sich gelten lassen, als wenn er sie selbst oder durch einen Bevollmächtigten mit dem Schuldner vorgenommen hätte. Der Schuldner kann dem Ermächtigten alle Einwendungen entgegenhalten, die ihm dem Gläubiger gegenüber zustehen. Im Falle einer Aufrechnung hat der Schuldner den Ermächtigten als Adressaten seiner Aufrechnungserklärung zu betrachten, während sich die Gegenseitigkeit nach der Person des Ermächtigenden bemisst, der Inhaber der Forderung geblieben ist. Wer verfügungsbefugt ist, ist gemäß § 388 Satz 1 BGB Adressat der Aufrechnungserklärung. Das gilt für den (endgültigen) Insolvenzverwalter ebenso wie für den “starken” vorläufigen Verwalter (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO) sowie den vorläufigen Verwalter, dem eine Einzelermächtigung erteilt worden ist, in Bezug auf den hiervon betroffenen Vermögensgegenstand.
Die anwaltliche Prozessvollmacht berechtigt regelmäßig zur Abgabe und Entgegennahme aller Erklärungen, die zum Angriff und zur Verteidigung erforderlich sind, auch wenn sie zugleich materiellrechtliche Wirkung haben.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. März 2012 – IX ZR 249/09