Die Zahlung rückständiger Gehaltszahlungen unter dem Druck einer drohenden Zwangsvollstreckung in den Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin erfüllt den Anfechtungstatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

Um eine inkongruente Deckung im Sinn des Anfechtungsrechts handelt es sich bereits dann, wenn der Schuldner während der “kritischen Zeit” der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag oder in der Zeit nach Stellung des Insolvenzantrags unter dem Druck unmittelbar drohender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen leistet, um sie zu vermeiden.
Der Schuldner gewährt damit eine Befriedigung, die der Gläubiger “nicht in der Art” zu beanspruchen hat. Unerheblich ist, ob die Zwangsvollstreckung im verfahrensrechtlichen Sinn schon begonnen hatte, als die Leistung des Schuldners erfolgte. Die Inkongruenz wird durch den zumindest unmittelbar bevorstehenden hoheitlichen Zwang begründet. Ein die Inkongruenz begründender Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung besteht dagegen noch nicht, wenn der Schuldner nach Zustellung eines Titels die titulierte Forderung erfüllt, ohne dass der Gläubiger die Zwangsvollstreckung zuvor eingeleitet oder angedroht hat.
Die Arbeitgeberin erbrachte die angefochtenen Zahlungen erst auf die Zahlungsaufforderungen des Gerichtsvollziehers hin und damit unter dem Druck der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung. Sie musste aufgrund der Zahlungsaufforderungen damit rechnen, dass die Zwangsvollstreckung unmittelbar bevorstand, wenn sie die titulierten Forderungen nicht erfüllte. Deshalb handelte es sich nicht um freiwillige Zahlungen, sondern um Zahlungen unter dem Druck der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung im Sinn der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Solche Zahlungen sind nicht insolvenzfest.
§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Er verletzt insbesondere nicht die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG oder den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG iVm. dem durch Art.20 Abs. 1 GG gewährleisteten Sozialstaatsprinzip. Das hat das Bundesarbeitsgericht mit seiner Entscheidung vom 27.02.2014 eingehend begründet. Darauf nimmt er Bezug, um Wiederholungen zu vermeiden. Hervorzuheben ist, dass eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO zum Schutz des Existenzminimums in Fällen der hier gegebenen inkongruenten Deckung durch Erfüllung von Entgeltrückständen unter dem Druck der Zwangsvollstreckung ausscheidet. Bei solchen Vergütungsrückständen können Arbeitnehmer die zur Sicherung des Existenzminimums vorgesehenen und geeigneten staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen.
Die geltend gemachten Ansprüche bestehen fort. Der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO ist als gesetzliches Schuldverhältnis der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien entzogen. Er unterfällt tariflichen Ausschlussfristen nicht. Das hat das Bundesarbeitsgericht in seiner jüngeren Rechtsprechung ausführlich begründet. Darauf verweist das Bundesarbeitsgericht. Der Arbeitnehmer führt keine Argumente an, die Anlass zu einer abweichenden Würdigung geben. Er hat die erlangte Vergütung an den Kläger zurückzugewähren.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Juni 2014 – 6 AZR 465/12