Ein gegenüber dem Finanzamt geltend gemachter Informationsanspruch des Insolvenzverwalters, der anschließend einen Anfechtungsanspruch durchsetzen will, wird vom Regelungsbereich der Abgabenordnung nicht umfasst. Ein Anspruch nach § 4 Abs. 1 IFG NRW ist demnach nicht nach § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW ausgeschlossen.

Zwar handelt es sich bei den allgemeinen Maßstäben, nach denen sich bestimmt, ob eine Regelung des Informationszugangs als im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW besondere und somit vorrangige, die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes NRW verdrängende Rechtsvorschrift anzusehen ist, um nicht revisibles Landesrecht. Denn abgesehen davon, dass der Wortlaut der Subsidiaritätsregelung des Informationsfreiheitsgesetzes NRW nicht mit dem des § 1 Abs. 3 IFG übereinstimmt, zählen die Informationsfreiheitsgesetze nicht zum Verwaltungsverfahrensrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. An diesen landesrechtlichen Vorgaben, über die das Oberverwaltungsgericht – für das Bundesverwaltungsgericht bindend – entscheidet, sind aber auch bundesrechtliche Vorschriften zu messen. Diese werden dadurch nicht etwa ins Landesrecht inkorporiert; vielmehr knüpft die landesrechtliche Regelung an die vom Landesgesetzgeber vorgefundene bundesrechtliche Regelung an, deren Geltungsgrund unverändert bleibt. Das Verständnis und die Auslegung der bundesrechtlichen Bestimmungen, die bei der Subsumtion unter den landesrechtlichen Begriff der besonderen Rechtsvorschrift zugrunde zulegen sind, können Gegenstand revisionsgerichtlicher Prüfung sein.
Eine besondere Rechtsvorschrift nach § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW liegt nach der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen dann vor, wenn diese einen Informationsanspruch in Bezug auf denselben Sachverhalt abschließend – sei es identisch, sei es abweichend – regelt. Eine bereichsspezifische Ausschlussregelung in diesem Sinne ist dann anzunehmen, wenn ihr Anwendungsbereich in sachlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Informationen, die der Rechtsvorschrift unterfallen, und/oder in persönlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Personen, auf welche die Rechtsvorschrift Anwendung findet, beschränkt ist. Der begrenzte Informationsanspruch für einen gesonderten Sachbereich oder für bestimmte Personengruppen verdrängt den Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW, wenn ein umfassender Informationsanspruch dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwiderlaufen würde.
Der Gesetzgeber hat sich beim Erlass der Abgabenordnung nur mit der Frage befasst, ob der Beteiligte eines steuerrechtlichen Verfahrens nach dem Vorbild des § 29 VwVfG einen Anspruch auf Akteneinsicht haben soll. Gegenstand der Überlegungen und der nachfolgenden Nichtregelung war demnach nur der Informationszugang im Rahmen des Besteuerungsverfahrens. Hiervon geht auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs aus. Einen solchen auf ein laufendes Steuerverfahren bezogenen Anspruch macht der Insolvenzverwalter vorliegend nicht geltend. Denn er handelt nicht gemäß § 34 Abs. 3 und 1 AO in Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners und um dessen Rechte zu wahren. Er ist vielmehr im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger tätig, zu deren Gunsten Zahlungen des Insolvenzschuldners im Wege der Anfechtung zur Insolvenzmasse gezogen werden sollen; dabei handelt es sich um ein eigenständiges Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten.
Auch kann aus der Formulierung in einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs, wonach die Nichtregelung des Akteneinsichtsrechts eine abschließende Regelung für den Umgang mit den im Besteuerungsverfahren gespeicherten Akten enthalte, nichts Gegenteiliges entnommen werden. Auf die Verneinung eines jeglichen Informationszugangsrechts zu den bei der Finanzverwaltung vorhandenen (Steuer-)Akten zielt diese Aussage jedenfalls nicht. Das folgt schon aus den Bestimmungen über die Gesetzgebungszuständigkeiten, aufgrund derer die Abgabenordnung erlassen worden ist. Der Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit dem Akteneinsichtsrecht Fragen des Steuerverwaltungsverfahrens erwogen, zu dessen Regelung für die Tätigkeit der Landesbehörden der Bund nach Art. 108 Abs. 5 Satz 2 GG zuständig ist. Zum Verfahren in diesem Sinne, das dem in Art. 84 Abs. 1 GG normierten entspricht, zählt indessen der voraussetzungslose und unabhängig von einem anhängigen Verwaltungsverfahren bestehende, eigenständige Anspruch nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder nicht. Eine Sperrwirkung kommt den verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Abgabenordnung insoweit folglich nicht zu.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Mai 2012 – 7 B 53.11