Insolvenzbetrieb in der Erbschaftsteuer

Eine unfreiwillige Betriebseinstellung aufgrund Insolvenz rechtfertigt keinen Billigkeitserlass der Erbschaftsteuernachforderung, so etnschied jetzt jedenfalls das Finanzgericht Münster in einem aktuellen Urteil.

Insolvenzbetrieb in der Erbschaftsteuer

Der Erlass einer Steuerforderung gemäß § 227 AO ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde, die im gerichtlichen Verfahren gemäß § 102 FGO lediglich dahingehend überprüft werden kann, ob die Finanzbehörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebraucht gemacht hat. Die Entscheidung, den Erlass der Erbschaftsteuer-Nachforderung auszusprechen, kann das Gericht selbst nur dann treffen, wenn der Ermessensspielraum des Beklagten dahingehend eingeschränkt war, dass sich die Entscheidung, den Erlass auszusprechen, als einzig richtige Ermessensentscheidung darstellt.

Vorliegend hat aber der Beklagte sein Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt, insbesondere war er nicht aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null dazu verpflichtet, den von der Klägerin beantragten Erlass auszusprechen.

Gemäß § 227 AO kann die Finanzbehörde Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Bereits entrichtete Beträge können unter diesen Voraussetzungen auch wieder erstattet werden. In Betracht kommt der Erlass sowohl aus sachlichen als auch aus persönlichen Billigkeitsgründen.

Sachliche Billigkeitsgründe sind dann gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage – hätte er sie geregelt – im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme – hier des Erlasses – entschieden hätte. Die Einziehung des Anspruches aus dem Steuerschuldverhältnis ist dann aus sachlichen Gründen unbillig, wenn die Einziehung dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widersprechen würde. Dabei dient § 227 AO nicht dazu, die einem gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung generell zu durchbrechen oder zu korrigieren.

Übertragen auf den Streitfall bedeut dies, dass der Verlust des Betriebsvermögens bzw. der Beteiligung an der KG durch Insolvenz innerhalb der Behaltensfrist des § 13a Abs. 5 ErbStG (ErbStG) nicht zu einer Unbilligkeit der Erhebung der Nachsteuer aus sachlichen Gründen führt.

Mit Urteilen vom 16.02.2005 und vom 21.03.2007 hat der Bundesfinanzhof sowohl zu der Regelung des § 13 Abs. 2a Satz 3 ErbStG a. F. als auch zu § 13a Abs. 5 ErbStG entschieden, dass der darin geregelte Wegfall der Steuerbefreiung unabhängig davon eintritt, aus welchen Gründen das begünstigt erworbene Betriebsvermögen veräußert oder der Betrieb aufgegeben wurde. Eine teleologische Reduktion des Nachversteuerungstatbestandes komme insoweit nicht in Betracht. Die mit dem Innehaben von Betriebsvermögen verbundenen Risiken und Belastungen schlügen sich im Verkehrswert nieder. Durch die – auch hier im Streitfall anzuwendende – Bewertungsmethode sei regelmäßig bei der Erbschaftsbesteuerung der Verkehrswert des Betriebsvermögens nicht berücksichtigt. Deshalb bestehe kein Anlass, wegen der bereits im niedrigeren Wertansatz berücksichtigten Risiken und Belastungen trotz Aufgabe des Gewerbebetriebs zusätzlich die Vergünstigungen des § 13a Abs. 5 ErbStG weiter zu gewähren. Ist danach die Nachversteuerung auch im Falle der Insolvenz vom Gesetzeszweck bzw. dem Willen des Gesetzgebers gedeckt, so steht dies dem im Streitfall auf den Verlust der Beteiligung an der GmbH & Co. KG durch Insolvenz gestützten Erlassbegehren entgegen.

Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist es, so das Finanzgericht Münster, auch nicht ermessensfehlerhaft, dass die Finanzbehörde die von dem Steuerpflichtigen behauptete Schuldlosigkeit an der Insolvenz sowie den erheblichen Einsatz von weiterem Vermögen zur Abwendung dieser Insolvenz nicht als ausreichende Gründe ansieht, um einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen auszusprechen.

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs kommt eine teleologische Reduktion des § 13a Abs. 5 ErbStG nicht deswegen in Frage, weil die Betriebsaufgabe erzwungen bzw. unverschuldet war. Er hat dies vor allen Dingen damit begründet, dass unternehmerische Entscheidungen im Rahmen des Erbschaftsteuer-Veranlagungsverfahrens nicht überprüft werden könnten und sollten. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind diese Grundsätze auch im Rahmen der Entscheidung über den Erlass zu berücksichtigen. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen in Betracht kommt, kann die Rechtsvorschrift, auf der die Steuerforderung basiert, nicht anders ausgelegt werden als im Festsetzungsverfahren selbst. Der Erlass dient nicht dazu, die vom Gesetzgeber mit der Vorschrift verfolgten Zielsetzungen auszuhöhlen. Erst wenn sich feststellen lässt, dass die wortgetreue Anwendung der Vorschrift über den gesetzgeberischen Willen hinausgeht, kann eine Korrektur im Erlasswege geboten sein. Vorliegend decken sich jedoch die von der Klägerin gerügten Folgen der Nachversteuerung gem. § 13a Abs. 5 ErbStG mit dem gesetzgeberischen Willen. Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen kommt deshalb nicht in Betracht.

Das gilt auch für die Frage, ob nicht die Tatsache, dass die Klägerin erhebliche Mittel in die Erhaltung des Betriebes investiert hat, einen Erlass rechtfertigt. Es handelt sich zum einen um unternehmerische Entscheidungen, die im Rahmen der Nachversteuerung des § 13a Abs. 5 ErbStG nicht überprüft werden sollen. Würde man diese Überprüfung in das Erlassverfahren verlagern, käme es zu einer von § 227 AO nicht gedeckten, generellen Durchbrechung bzw. Korrektur der § 13a Abs. 5 ErbStG zugrunde liegenden Wertungen. Außerdem handelt es sich insoweit um typischerweise risikobehaftete unternehmerische Entscheidungen, deren Folgen nicht der Allgemeinheit angelastet werden könnten.

Finanzgericht Münster, Urteil vom 7. Mai 2009 – 3 K 1861/06 Erb (Revision zum BFH eingelegt – II R 35/09)