Dem Schuldner kann die Restschuldbefreiung nach Durchführung des Schlusstermins nur dann versagt werden, wenn seine Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat spätestens zum Schlusstermin in Rechtskraft erwachsen ist. Dem Schuldner kann die Restschuldbefreiung in der Wohlverhaltensperiode nur dann versagt werden, wenn seine Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat spätestens zum Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung in Rechtskraft erwachsen ist. Ist über den Antrag eines Schuldners auf Restschuldbefreiung vor Abschluss des Insolvenzverfahrens zu entscheiden, kann ihm diese wegen einer Insolvenzstraftat nur nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO versagt werden; dies setzt voraus, dass die strafrechtliche Verurteilung bis zum Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung in Rechtskraft erwachsen ist.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wurde auf Antrag des Schuldners am 18. Februar 2005 das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Durch Urteil vom 4. Mai 2011 – rechtskräftig seit dem 15. März 2012 – wurde er wegen vorsätzlichen Bankrotts (§ 283 StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Insolvenzgericht hat vor Beendigung des Insolvenzverfahrens den Beteiligten gemäß § 300 Abs. 1 InsO Gelegenheit gegeben, schriftlich zum Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners Stellung zu nehmen. Zwei Gläubiger haben die Versagung der Restschuldbefreiung unter Hinweis auf die strafrechtliche Verurteilung des Schuldners beantragt. Das Insolvenzgericht hat die Restschuldbefreiung erteilt. Zu Recht, wie jetzt der Bundesgerichtshof befand:
Mit Recht, so der Bundesgerichtshof, hat das Insolvenzgericht über den Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 InsO vor Beendigung des Insolvenzverfahrens entschieden, nachdem es die Beteiligten in einem besonderen Termin angehört hat. Das Beschwerdegericht hat das gebilligt. Damit sind beide Tatsacheninstanzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gefolgt, wonach gemäß § 300 Abs. 1 InsO nach Ablauf von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Antrag auf Restschuldbefreiung zu entscheiden ist, auch wenn das Insolvenzverfahren noch nicht abschlussreif ist. Gemäß § 5 Abs. 2 InsO darf, wie vorliegend geschehen, anstelle der Durchführung des besonderen Anhörungstermins das schriftliche Verfahren angeordnet werden.
Die Versagung der Restschuldbefreiung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht anhand des nicht einschlägigen Versagungstatbestandes des § 297 InsO zu prüfen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können die Gläubiger nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung vor Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht die Versagungsgründe der §§ 296, 295 InsO geltend machen, weil der Schuldner die Obliegenheiten des § 295, § 296 Abs. 2 InsO nur in der Wohlverhaltensperiode zu beachten hat. Entsprechendes gilt für § 297 InsO. Nach der Gesetzessystematik bezieht sich § 297 InsO nur auf die Zeit nach dem Schlusstermin bis zum Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung. Ein Schlusstermin hatte hier jedoch noch nicht stattgefunden.
Die Gläubiger konnten sich aber auf die Versagungsgründe des § 290 InsO berufen, die sich auf die Zeit vor und während des durchgeführten Insolvenzverfahrens beziehen. Der einschlägige Versagungstatbestand ist mithin § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Die Vorschrift ist aus gesetzessystematischen Gründen so auszulegen, dass die Verurteilung wegen einer Straftat nach §§ 283 bis 283c StGB bis zum Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung rechtskräftig geworden sein muss. Demgegenüber ist das Strafurteil gegen den Schuldner erst nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung ergangen und rechtskräftig geworden.
Nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO muss der Schuldner zum Zeitpunkt des Schlusstermins wegen einer Straftat nach §§ 283 bis 283c StGB rechtskräftig verurteilt sein. Tritt die Rechtskraft der strafrechtlichen Verurteilung erst nach dem Schlusstermin, aber vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder noch später während der Wohlverhaltensperiode bis zum Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung ein, kommt § 297 InsO zur Anwendung. Verurteilungen, die am Ende der Wohlverhaltensperiode bereits verkündet, aber noch nicht rechtskräftig sind, unterfallen demgegenüber dem Versagungstatbestand des § 297 InsO nicht und führen nicht zu einer Versagung der Restschuldbefreiung. Noch weniger können Strafurteile, die nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung ergangen sind, einen Versagungsgrund nach § 297 InsO begründen.
Demgegenüber wird in der Kommentarliteratur vertreten, die Rechtskraft der Verurteilung müsse weder für den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO zum Schlusstermin noch für den Versagungsgrund des § 297 Abs. 1 InsO zum Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung vorliegen. Es wird sogar ausgeführt, dass die Restschuldbefreiung sowohl nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO wie auch nach § 297 InsO versagt werden könne, wenn ein Schuldner noch nicht einmal zu den genannten Stichtagen wegen einer Insolvenzstraftat verurteilt, eine solche Verurteilung jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei.
Dem folgt der Bundesgerichtshof nicht. Nach dem Wortlaut der Versagungstatbestände und der Systematik des Gesetzes muss die strafrechtliche Verurteilung spätestens zu den in den Versagungstatbeständen genannten Stichtagen in Rechtskraft erwachsen sein. Die für die Gegenansicht angeführten verfahrensökonomischen Gründe oder der Verweis auf § 1 Satz 2 InsO überzeugen nicht. Allerdings ist Grund für die Versagung der Restschuldbefreiung das unredliche Verhalten des Schuldners zum Nachteil seiner Gläubiger, welches die objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines Insolvenzstraftatbestandes erfüllt. Das Erfordernis der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung ist zur Entlastung des Insolvenzgerichts in den Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 1 StGB aufgenommen worden. Deswegen kann nur durch ein rechtskräftiges Strafurteil nachgewiesen werden, dass der Schuldner eine Insolvenzstraftat begangen hat. Das bedeutet jedoch nicht, dass die rechtskräftige Verurteilung nicht zu den Stichtagen vorliegen müsste. Bei § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO spricht die Konzentrationsfunktion des Schlusstermins gegen eine solche erweiternde Auslegung; wegen § 297 Abs. 1 InsO besteht hierfür auch kein Bedarf. Bei § 297 Abs. 1 InsO gilt es zu beachten, dass nach dem Willen des Gesetzgebers sechs Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Restschuldbefreiung zu entscheiden ist. Der von § 287 Abs. 2 InsO verfolgte Zweck, dem redlichen Schuldner sechs Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen wirtschaftlichen Neuanfang zu ermöglichen, würde verfehlt, wenn die Rechtskraft der strafrechtlichen Verurteilung nicht bis zum Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung vorliegen müsste. Nur so erhalten die Verfahrensbeteiligten Rechtssicherheit, da klare, von der Dauer von Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren unabhängige Termine gesetzt werden, bis wann die Voraussetzungen der Versagungstatbestände vorliegen müssen.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.02.2012 steht nicht entgegen. Dort ist nur ausgeführt, dass gegebenenfalls neue Erkenntnisse über das Vorliegen des Versagungstatbestandes des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO bis zum Abschluss der Beschwerdeinstanz berücksichtigt werden können. Zu der Frage, auf welchen Stichtag die neuen Erkenntnisse bezogen sein müssen, verhält sich die Entscheidung nicht.
Werden die Verfahrensbeteiligten, wie vorliegend, nach Ablauf der Abtretungsfrist vor Beendigung des Insolvenzverfahrens in einem besonderen Anhörungstermin nach § 300 Abs. 1 InsO zum Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung angehört, müssen die Gläubiger dort die Versagungsanträge stellen und glaubhaft machen, der Schuldner muss dazu im Termin Stellung nehmen. Ein erst nach diesem Termin gestellter oder begründeter Antrag ist ebenso unbeachtlich wie eine erst danach abgegebene Stellungnahme des Schuldners. Entsprechendes gilt im schriftlichen Verfahren.
Stellt ein Gläubiger in diesem Termin oder dem entsprechenden schriftlichen Verfahren wie die Rechtsbeschwerdeführer den Antrag, dem Schuldner nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Restschuldbefreiung zu versagen, kommt zusätzlich der Rechtsgedanke des § 297 InsO zum Tragen. Wenn in dem gesetzlich geregelten Normalverfahren dem Schuldner eine strafrechtliche Verurteilung nur dann zum Nachteil gereicht, wenn sie bis zum Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung rechtskräftig wird, kann für das hier vorliegende, vom Normalverfahren abweichende Verfahren nichts Anderes gelten. Es würde sonst zu einem nicht begründbaren Wertungswiderspruch bei der Behandlung der strafrechtlichen Verurteilung eines Schuldners kommen, die erst nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung ergeht oder in Rechtskraft erwächst. Denn der Schuldner hat regelmäßig keinen Einfluss auf die Dauer von Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren. Auch hier würde eine Berücksichtigung späterer Verurteilungen dem von § 287 Abs. 2 InsO verfolgten Gesetzeszweck widersprechen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. April 2013 – IX ZB 94/12