Die zugunsten des Insolvenzverwalters festgesetzte Tätigkeitsvergütung ist beim Insolvenzschuldner nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen.

Nach § 33 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
„Aufwendungen“ im Sinne des Einkommensteuergesetzes und damit auch i.S. von § 33 Abs. 1 EStG sind alle Ausgaben, die in Geld oder Geldeswert bestehen und aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen abfließen, d.h. ihn wirtschaftlich tatsächlich belasten[1].
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen[2].
Bei Heranziehung dieser Rechtsgrundsätze ist die streitbefangene Insolvenzverwaltervergütung nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig.
Zwar ist die Insolvenzverwaltervergütung aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners geleistet worden. Denn vorliegend ist die Insolvenzverwaltervergütung aus den Guthaben auf den zur Abwicklung des Insolvenzverfahrens eingerichteten offenen (Treuhand-)Konten beglichen worden. Steuerlich ist dieses treuhänderisch gebundene Guthaben (Einnahmen wie Ausgaben) dem Vermögen des Insolvenzschuldners zuzuordnen[3]. Damit stellt sich die Leistung der Insolvenzverwaltervergütung als „Aufwendung“ des Insolvenzschuldners i.S. des § 33 Abs. 1 EStG dar.
Der Insolvenzschuldner ist hierdurch auch in dem für die Anwendung des § 33 EStG erforderlichen Sinne belastet. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass ihm nach Abschluss des Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung erteilt worden ist. Denn von der Restschuldbefreiung werden nur Insolvenzforderungen, nicht jedoch die Kosten des Insolvenzverfahrens oder sonstige Masseverbindlichkeiten (§ 301 Abs. 1 InsO) erfasst.
Die streitigen Aufwendungen sind jedoch mangels Außergewöhnlichkeit nicht gemäß § 33 Abs. 1 EStG steuermindernd zu berücksichtigen. Die Überschuldung von Privatpersonen ist kein gesellschaftliches Randphänomen[4]. Daher sind Insolvenzverfahren von Verbrauchern und bestimmten natürlichen -unternehmerisch tätigen- Personen (Privatpersonen) keineswegs unüblich. Der Gesetzgeber sah sich deshalb im Jahr 1999 veranlasst, mit Einführung der Insolvenzordnung für diesen Personenkreis ein vereinfachtes (Verbraucher-)Insolvenzverfahren einzuführen[5]. Von dieser Möglichkeit haben bis Ende 2019 rund 2, 13 Mio. Privatpersonen Gebrauch gemacht[6].
Da auch das vereinfachte Insolvenzverfahren für jedermann kostenpflichtig ausgestaltet ist, fallen insbesondere Vergütungen und Auslagen des Insolvenzverwalters/Treuhänders, Gerichtskosten sowie unter Umständen Kosten einer Schuldnerberatung an. Es kann vorliegend deshalb nicht angenommen werden, dem vormaligen Insolvenzschuldner seien durch die in Rede stehende Tätigkeitsvergütung des Insolvenzverwalters größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Außergewöhnliche Aufwendungen im Sinne der Legaldefinition in § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG liegen mithin nicht vor.
Soweit der Bundesfinanzhof entschieden hat, die Insolvenztreuhändervergütung könne unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere wenn der Steuerpflichtige die Ursache seiner Überschuldung und damit die Notwendigkeit eines Verbraucherinsolvenzverfahrens nicht selbst gesetzt habe, als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein[7], hält er hieran nicht länger fest.
Denn die Umstände, die zur Überschuldung führen, sind multikausal. Hauptauslöser sind häufig kritische Lebensereignisse -wie eine Scheidung, der Tod der Partnerin oder des Partners, eine Krankheit oder ein Unfall-, Zahlungsschwierigkeiten wegen unwirtschaftlicher Haushaltsführung, eine gescheiterte Selbständigkeit und/oder längerfristige Niedrigeinkommen[8] und damit Ereignisse, die nach Auffassung des Bundesfinanzhofs einer belastbaren, die Privatsphäre schonenden und gleichheitsgerechten Verschuldensprüfung durch Finanzbehörden und -gerichte in der Regel nicht zugänglich sind.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. Dezember 2021 – VI R 41/18
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Beschlüsse vom 21.02.2018 – VI R 11/16, BFHE 260, 507, BStBl II 2018, 469, Rz 54; und vom 14.04.2011 – VI R 8/10, BFHE 233, 241, BStBl II 2011, 701, Rz 13 ff., m.w.N.[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 01.10.2020 – VI R 42/18, BFHE 270, 491, BStBl II 2021, 146, Rz 11, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 12.08.2013 – VII B 188/12, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2013, 2370, Rz 5[↩]
- s. Statistisches Bundesamt, Auszug aus dem Datenreport 2021, Kap. 6, Private Haushalte – Einkommen und Konsum, S. 219[↩]
- BT-Drs. 12/2443, S. 82[↩]
- Statistisches Bundesamt, Auszug aus dem Datenreport 2021, Kap. 6, Private Haushalte – Einkommen und Konsum, S. 219[↩]
- BFH, Urteil vom 04.08.2016 – VI R 47/13, BFHE 254, 435, BStBl II 2017, 276[↩]
- Statistisches Bundesamt, Auszug aus dem Datenreport 2021, Kap. 6, Private Haushalte – Einkommen und Konsum, S. 221[↩]