Ein Interesse an der Verarbeitung an aus dem Insolvenzbekanntmachungsportal entnommenen Daten ist nur dann „berechtigt“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO, wenn es im Einklang mit der Rechtsordnung steht und daher nicht dem Rechtsgedanken von § 3 Abs. 2 InsoBekV widerspricht. Solange der Gesetzgeber für Auskunfteien keine abweichende Regelung für die Speicherfristen der Informationen über eine zur Restschuldbefreiung getroffen hat, haben Auskunfteien die Löschungsfristen in § 3 Abs. 2 InsoBekV zu beachten. Betroffene haben nach Löschung der Informationen aus dem Insolvenzbekanntmachungsportal einen Löschungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 lit d) DSGVO gegen Auskunfteien, sofern diese die Informationen weiter verarbeiten.

Der Betroffene hat mithin nach Ansicht des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts gegen die Auskunftei mit Ablauf der Löschungsfrist im Schuldnerverzeichnis einen Anspruch auf Löschung der Information über seine Restschuldbefreiung im Privatinsolvenzverfahren aus Art. 17 Abs. 1 lit d) DSGVO, da die Datenverarbeitung durch die Auskunftei nicht rechtmäßig erfolgt. Die Daten werden von der Auskunftei spätestens mit Ablauf von sechs Monaten nach der Rechtskraft der Restschuldbefreiung nicht mehr rechtmäßig verarbeitet, da die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Verarbeitung im Sinne von § 6 DSGVO spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vorliegen. Für die Voraussetzungen des Löschungsanspruchs kommt es auf den Zeitpunkt der Prüfung des Löschungsanspruchs und nicht etwa den Erhebungszeitpunkt an[1].
Eine Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Betroffenen durch die Auskunftei ist grundsätzlich nur dann im Sinne von Art. 6 DSGVO rechtmäßig, wenn eine gesetzliche Grundlage für die Datenverarbeitung besteht oder der Betroffene in die Datenverarbeitung eingewilligt hat. Da der Betroffene in die Verarbeitung nicht eingewilligt hat, kommen als Rechtsgrundlage für eine rechtmäßige Verarbeitung durch die Auskunftei allenfalls Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit e) DSGVO oder und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit f) DSGVO in Betracht, deren Voraussetzungen vorliegend jedoch zur Überzeugung des Oberlandesgerichts nicht zugunsten der Auskunftei erfüllt sind.
Die Erhebung, Speicherung und Weitergabe der Information über den Beschluss der Restschuldbefreiung des Amtsgerichts Hamburg für den Betroffene stellt offenkundig eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Auskunftei im Sinne von Art. 4 DSGVO dar. Die Auskunftei ist daher Verantwortliche im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO.
Die Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung ergibt sich zur Überzeugung des Oberlandesgerichts nicht bereits aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit e) DSGVO wegen Erforderlichkeit zur Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse oder in Ausübung öffentlicher Gewalt.
Unstreitig wurde der Auskunftei nicht die Ausübung öffentlicher Gewalt übertragen[2]. Die Verarbeitung ist jedoch auch nicht zur Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt. Zwar ist der Auskunftei noch insoweit zuzustimmen, dass der Schutz vor der Vergabe von Darlehen an Zahlungsunfähige oder -unwillige durchaus ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit darstellen kann[3]. Auch liegt es sicherlich im Interesse der Kunden der Auskunftei, möglichst viele wirtschaftlich relevante Daten über ihre Kunden zu erfahren.
Ein öffentliches Interesse gerade an der Verarbeitung der Information über die Restschuldbefreiung ergibt sich hieraus jedoch nicht. Während es noch – wie erwähnt – sein mag, dass der Geschäftszweck der Auskunftei allgemein im öffentlichen Interesse liegt, ist nicht erkennbar, dass das konkrete Datum erforderlich wäre, damit die Auskunftei ihre Aufgabe im Wirtschaftsleben überhaupt wahrnehmen kann. Die Auskunftei kann weiterhin insbesondere solche Daten verarbeiten, welche sie mit Einwilligung des Betroffenen bei ihren Kunden und Vertragspartnern erhoben hat. Nicht jede personenbezogene Information ist aber auch erforderlich, damit die Auskunftei als Wirtschaftsauskunftei weiterhin tätig sein kann. Anderenfalls ließe sich schlicht jede Verarbeitung aller personenbezogenen und wirtschaftlich relevanten Informationen über Art. 6 Abs. 1 lit e) DSGVO damit rechtfertigen, dass eine breit aufgestellte und bestens informierte Wirtschaftsauskunftei stets im öffentlichen Interesse tätig sei.
Die Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 lit e) DSGVO scheitert jedoch insbesondere daran, dass die Verarbeitung nicht durch eine weitere Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 lit b) DSGVO geregelt und nach einer solchen Rechtsvorschrift zulässig ist. Eine Datenverarbeitung kann nach Art. 6 Abs. 1 lit e) DSGVO nämlich nur dann rechtmäßig sein, wenn eine gesonderte Rechtsgrundlage für die Verarbeitung festgelegt wurde und die Verarbeitung nach dieser Rechtsgrundlage sich als rechtmäßig darstellt[4]. Die im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe muss schließlich durch Rechtsvorschrift im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 lit b) DSGVO definiert werden[5]. Dieses Erfordernis folgt nicht nur aus der DSGVO, sondern im Bereich der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bereits aus dem Gesetzesvorbehalt aus Art.20 Abs. 2 GG. Eine besondere gesetzliche Regelung für die Tätigkeit von Wirtschaftsauskunfteien ist in der deutschen Rechtsordnung nach Außerkrafttreten des BDSG in der bis 25.05.2018 gültigen Fassung jedoch bisher nicht erfolgt. Daher kommt allenfalls § 3 InsoBekV als eine solche Rechtsgrundlage für die hier vorliegende Datenverarbeitung in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind die Informationen über die Restschuldbefreiung jedoch sechs Monate nach Rechtskraft der Entscheidung zu löschen, so dass die weitere Verarbeitung dieser Informationen durch die Auskunftei nicht zur Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit e) DSGVO erforderlich sein kann.
Die Datenverarbeitung durch die Auskunftei stellt sich auch nicht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit f) DSGVO zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten als rechtmäßig dar. Die Verarbeitung der Informationen über die Restschuldbefreiung durch die Auskunftei ist zur Überzeugung des Oberlandesgerichts zumindest nach Ablauf der Löschungsfrist in § 3 InsoBekV nicht zur Wahrung von berechtigten Interessen der Auskunftei oder eines Dritten erforderlich. Auch die „Verhaltensregeln für die Prüf- und Löschfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien vom 25.05.2018“ (im Folgenden: Verhaltensregeln) des Verbandes „Die Wirtschaftsauskunfteien e.V.“ vermögen das Interesse der Auskunftei an der Verarbeitung nicht im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO legitimieren.
Die Auskunftei konnte nicht mit Erfolg darlegen, dass die Datenverarbeitung zur Wahrung ihrer eigenen berechtigten Interessen erforderlich ist.
Da eine jede Verarbeitung personenbezogener Daten zunächst unzulässig ist, hat die Auskunftei darzulegen und zu beweisen, dass die vom Betroffene beanstandete Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten zur Wahrung der berechtigten Interessen der Auskunftei erforderlich ist und damit rechtmäßig sein könnte. Das berechtigte Interesse im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO ist dabei grundsätzlich weit zu fassen. Als Interesse dürfte zunächst ein jedes rechtliches, tatsächliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse des Verantwortlichen ausreichen[6]. Es ist in der Literatur allerdings anerkannt, dass es sich um ein berechtigtes Interesse handeln muss, so dass solche Interessen an einer Verarbeitung ausscheiden, welche der Rechtsordnung im weitesten Sinne zuwiderlaufen[7]. Zudem ist die Auslegung des Begriffes kontextabhängig, so dass das wirtschaftliche Interesse an einer Vermarktung die Verarbeitung nicht legitimieren kann, wenn die Information nicht zu diesem Zweck erhoben wurde[8].
Die Auskunftei hat zwar unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßstäbe ein eigenes Interesse an einer Datenverarbeitung darlegen können, allerdings handelt es sich nicht um ein berechtigtes Interesse im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO, da es der grundsätzlichen gesetzgeberischen Wertung in § 3 InsoBekV zuwiderläuft.
Ein grundsätzliches Interesse der Auskunftei an der Speicherung der Information der Restschuldbefreiung ist gegeben, da es sich um ein wirtschaftlich relevantes Datum handelt und die Auskunftei nach ihrem Geschäftszweck solche Daten verarbeitet. Die Auskunftei macht auch nachvollziehbar geltend, dass die Speicherung der Information über die Restschuldbefreiung über den Zeitraum der Veröffentlichung nach § 3 InsoBekV hinaus in ihrem berechtigten Interesse liege, da es sich um eine wirtschaftlich relevante Information handele und es der Geschäftszweck der Auskunftei sei, bonitätsrelevante Informationen über Menschen zu sammeln, zu speichern und zu verarbeiten. Die Verarbeitung diene dazu, den Kunden der Auskunftei diese Daten im Vorfeld der Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder des Abschlusses von Vertragsbeziehungen zur Verfügung stellen zu können, damit diese Kunden einschätzen könnten, ob es bei einem möglichen Vertragspartner zu Zahlungsschwierigkeiten kommen könnte.
Zur Überzeugung des Oberlandesgerichts handelt es sich – unabhängig von den Ausführungen der Auskunftei im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 12.06.2021 – grundsätzlich bei der Information über die Restschuldbefreiung um ein bonitätsrelevantes Datum. Schließlich wird ein möglicher Darlehensgeber des Betroffenen aus Sicht des Oberlandesgerichts nachvollziehbar die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung eines Darlehens durch den Betroffene schlechter einschätzen, wenn dieser schon einmal eine Privatinsolvenz durchlaufen hat und ihm am Ende eine Restschuldbefreiung erteilt worden ist. Diese Information ist daher, unabhängig von der Frage wie viele Menschen, denen eine Restschuldbefreiung erteilt worden ist, tatsächlich erneut in Zahlungsschwierigkeiten geraten, grundsätzlich wirtschaftlich interessant. Die Verarbeitung dürfte daher vom Geschäftszweck der Auskunftei umfasst sein. Der Geschäftszweck der Auskunftei an sich verstößt dabei nicht bereits gegen die Rechtsordnung oder den Grundsatz von Treu und Glauben. Das ergibt sich auch aus der bisherigen Einschätzung in der Rechtsprechung, dass ein Interesse der Allgemeinheit daran besteht, Darlehensgeber grundsätzlich davor zu schützen, Darlehen an zahlungsunwillige oder -unfähige Schuldner zu vergeben[9].
Allerdings ist schon anzumerken, dass ein zahlungsunfähiger Schuldner die Darlehensmittel in der Regel zuvor, z.B. im Falle einer Betriebsgründung, dem Wirtschaftskreislauf zugeführt haben wird. Zudem entspricht es marktwirtschaftlichen Grundsätzen, dass nicht alle Betriebsgründungen erfolgreich verlaufen können, sondern es laufend zu Marktbereinigungen kommt. Eine soziale Marktwirtschaft baut also auch stets darauf auf, dass Betriebsgründungen wirtschaftlich scheitern. So mussten in den Jahren 2000 bis 2008 durchschnittlich etwa 72.000 junge Unternehmen den Markt verlassen und etwa 15 % dieser Unternehmen stellten einen Insolvenzantrag[10].
Insbesondere aber stellt sich das Interesse der Auskunftei an einer Verarbeitung der streitgegenständlichen Information mit Ablauf der Löschungsfrist in § 3 InsoBekV nicht mehr als berechtigt dar, da eine weitere Verarbeitung die normativen Vorgaben aus der InsoBekV unterlaufen würde[11]. Denn es liegt auf der Hand, das das Ziel, einem Schuldner nach Wohlverhaltensperiode und Erteilung der Restschuldbefreiung einen Neustart zu ermöglichen, durch eine weitere Publizität der früheren Insolvenz erschwert wird[12]. Die Verarbeitung durch die Auskunftei nach Löschung der Informationen aus dem Insolvenzbekanntmachungsportal steht damit im Widerspruch zur Rechtsordnung und ist daher nicht berechtigt im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO.
Der Normgeber hatte nämlich bei Schaffung der InsoBekV die Vorstellung, dass es mit der Veröffentlichung der Informationen über das Insolvenzverfahren im Insolvenzbekanntmachungsportal im Internet sein Bewenden haben sollte[13]. Etwaige weitere Veröffentlichungen sollten allenfalls den Bundesländern landesrechtlich, etwa aus regionalen Gründen, vorbehalten sein[14]. Damit wird deutlich, dass weitere überregionale Veröffentlichungen zusätzlich zum Internetportal nicht zulässig sein sollten. Die Speicherung und Verarbeitung durch die Auskunftei, welche ihre Informationen einer breiten allgemeinen Öffentlichkeit zum Abruf anbietet, kommt zur Überzeugung des Oberlandesgerichts aber einer weiteren Veröffentlichung gleich. Schließlich verwendet die Auskunftei die Informationen nicht für rein interne Zwecke, weil sie z.B. ein eigenes Vertragsverhältnis als Darlehensgeber mit dem Betroffene begründen wollte, sondern gerade mit dem Ziel, diese Informationen einer breiten Öffentlichkeit von potentiellen Vertragspartnern des Betroffenen – wenn auch kostenpflichtig – zugänglich zu machen.
Daher kann nur eine solche Verarbeitung durch die Auskunftei nicht im Widerspruch zu der Regelung in § 3 InsoBekV stehen, welche auch die Löschungsfristen beachtet. Solange die Auskunftei ihre Vertragspartner nur darauf hinweist, dass zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung durch die Auskunftei im Insolvenzbekanntmachungsportal Informationen über den Schuldner verfügbar sind, und sie diese Informationen im gleichen Wortlaut wie auf dem Portal nennt, wird ein berechtigtes Interesse der Auskunftei nicht im Widerspruch zu § 3 Abs. 2 InsoBekV stehen. Dann handelt es sich zur Überzeugung des Oberlandesgerichts nämlich nicht um eine über die Veröffentlichung im Insolvenzbekanntmachungsportal hinausgehende Verbreitung der Information, die im Widerspruch zum gesetzgeberischen Willen stünde. So liegt es vorliegend aber nicht mehr.
Das Oberlandesgericht verkennt nicht, dass zur Zeit der Geltung der §§ 28, 29, 35 BDSG a.F. eine weitere Speicherung der aus dem Insolvenzbekanntmachungsportal als allgemein zugänglicher Quelle entnommenen Informationen überwiegend für zulässig gehalten wurde[15]. Begründet wurde dies zumeist mit der Erwägung, dass die Restschuldbefreiung einen Vorteil für den Schuldner, aber einen Nachteil für die Gläubiger bedeute, diese daher ein schützenswertes Interesse an der Einschätzung der Wiederholungsgefahr hätten[16] und es „nicht Zweck der Erteilung der Restschuldbefreiung“ sei, „dass der Schuldner wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen“ könne, „als ob es das Insolvenzverfahren nicht gegeben habe“[17]. Auch sei die zumeist entgeltliche Auskunftserteilung durch Auskunfteien weniger eingriffsintensiv als die Auskunftserlangung aus dem allgemein zugänglichen Insolvenzbekanntmachungsportal, so dass unterschiedliche Fristen gerechtfertigt seien[18]. Und noch nach Ablösung der erwähnten Regelungen des BDSG durch die DSGVO zog das Landgericht Frankfurt a.M.[19] zur Ermöglichung eines Löschungsanspruchs gemäß Art. 17 Abs. 1 lit c) DSGVO den Ausnahme-Widerspruch gemäß Art. 21 Abs. 1 DSGVO heran, obwohl die vom dortigen Betroffene angeführten Schwierigkeiten im Geschäftsverkehr überwiegend der typischen Betroffenheit auch vergleichbarer Schuldner entsprochen haben dürften[20]. Den Stimmen, die diese Sicht verteidigen[21] zum Trotz muss es jedoch fraglich erscheinen, ob diese zum BDSG vertretene Sichtweise noch nach dessen teilweise erfolgter Ablösung durch die DSGVO bzw. der unterbliebenen Übernahme der Vorschriften ins neue BDSG aufrechterhalten werden kann, auch wenn die Auskunftei meint, mit der Neuregelung des BDSG im Jahre 2018 habe kein Paradigmenwechsel in Bezug auf die Zulässigkeit der Datenverarbeitung für Auskunfteien stattgefunden.
Eine solche Auffassung verkennt aber, dass der nationale Gesetzgeber es bewusst unterlassen hat, die Regelungen in §§ 28, 29 35 BDSG a.F. in das neue BDSG zu überführen. Diese Tatsache spricht eindeutig dafür, dass der nationale Gesetzgeber es bei den Regelungen in Art. 6 DSGVO zur Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung belassen wollte. Besondere Ausnahmeregelungen für die Verarbeitung von Daten aus öffentlichen Quellen durch Private sehen weder die DSGVO noch das BDSG derzeit vor und daher ist auch die bisherige Literatur und Rechtsprechung insbesondere zu § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG a.F. auf die DSGVO und die heutige Rechtslage in keiner Weise übertragbar. Zudem ist nach der DSGVO die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bereits Rechtmäßigkeitsmaßstab für die Zulässigkeit der Datenverarbeitung, nicht erst für die Löschungsansprüche[22].
Der nationale Gesetzgeber hätte allenfalls nach Art. 23 Abs. 1 lit i)) und j) DSGVO die Möglichkeit, die Speicherfristen für Auskunfteien durch eine gesetzliche Regelung zu verlängern, wovon er bisher keinen Gebrauch gemacht hat. Eine entsprechende Verlängerung der Speicherfrist für Auskunfteien auf ein Jahr wurde in einem ersten Referentenentwurf des BMJV vom 13.02.2020 durch eine Neuregelung in § 301 Abs. 5 InsO vorgeschlagen[23], aber war bereits im weiteren Referentenentwurf vom 01.07.2020 nicht mehr enthalten und wurde auch – soweit ersichtlich – bisher nicht vom nationalen Gesetzgeber umgesetzt[24]. Solange der Gesetzgeber nicht von einer abweichenden gesetzlichen Regelung Gebrauch macht, verbleibt es daher bei der gesetzlichen Wertung in § 3 Abs. 2 InsoBekV, wonach die Information grundsätzlich auch von Privaten – soweit nicht einer der Gründe für eine rechtmäßige Verarbeitung nach Art. 6 DSGVO eingreift – spätestens sechs Monate nach Rechtskraft der Restschuldbewilligung nicht verarbeitet und insbesondere nicht verbreitet werden darf.
Die Auskunftei kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass ihre Verarbeitung den berechtigten Interessen eines Dritten im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO entspricht. Insoweit steht nämlich der Dritte im vorliegenden Fall überhaupt nicht fest.
Die Auskunftei selbst hat ausgeführt, dass es seit Eintragung der streitgegenständlichen Information in ihrer Datenbank keine einzige Anfrage zum Betroffene gegeben habe. Ein Dritter im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO muss aber bereits bekannt sein, damit eine Interessenabwägung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO überhaupt möglich ist. Bloße Allgemeininteressen sind offenkundig nicht ausreichend[25]. Solange kein Dritter mit einer konkreten vertraglichen oder vorvertraglichen Beziehung zum Betroffene und dessen Interessen an einer etwaigen Verarbeitung bekannt sind, ist demnach auch die Prüfung nicht möglich, ob diesem Dritten ein berechtigtes Interesses an der Verarbeitung durch die Auskunftei zustehen könnte. Allein die abstrakte Möglichkeit, dass sich in der Zukunft jemand finden könnte, für den die Information der Restschuldbefreiung von Interesse sein könnte, kann ohnehin im konkreten Fall nicht zur Annahme eines berechtigten Interesses an der Speicherung der Daten durch die Auskunftei führen, da die heutige anlasslose Speicherung stets im Widerspruch zu der Löschungsfrist in § 3 InsoBekVO stünde.
Soweit das Landgericht Hamburg einem Urteil[26] ausgeführt hat, dass die beklagte Schufa eine „Gemeinschaftseinrichtung der kreditgebenden Wirtschaft“ sei und daher ein eigenes Interesse an der Verarbeitung habe, überzeugt das das Schleswig-Holsteinige Oberlandesgericht nicht. Es ist nicht erkennbar, dass es sich bei der Auskunftei als Aktiengesellschaft um eine Gemeinschaftseinrichtung im Sinne eines Vereins handeln könnte. Auch ist nicht erkennbar, welches Mitglied einer solchen Gemeinschaft in vertraglichen oder vorvertraglichen Beziehungen zum Betroffene stehen könnte.
Das Interesse der Auskunftei an einer Verarbeitung wird auch nicht dadurch zu einem berechtigten Interesse im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO, dass in den „Verhaltensregeln für die Prüf- und Löschfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien vom 25.05.2018“ des Verbandes „Die Wirtschaftsauskunfteien e.V.“ unter Punkt II. 2. erwähnt wird, dass Daten über die Restschuldbefreiung „taggenau drei Jahre“ nach Erteilung der Restschuldbefreiung gelöscht werden. Die Auskunftei zählt zwar zu den Mitgliedern des Verbandes. Die Verhaltensregeln selbst enthalten jedoch schon den folgenden Hinweis:
„Diese Verhaltensregeln enthalten keine Regelungen zur materiellen Berechtigung der Speicherung der personenbezogenen Daten. Die Regelung von Speicher- und Löschfristen indiziert auch nicht die Rechtmäßigkeit von deren Speicherung.
Die nachfolgenden Lösch- und Speicherfristen gelten unabhängig davon, ob die zugrunde liegenden Daten auf gesetzlicher Grundlage oder aufgrund von Einwilligungen erhoben und gespeichert wurden.“
Die Verhaltensregeln sind daher allenfalls eine Selbstverpflichtung des Verbandes und ggf. seiner Mitglieder sowie der genehmigenden Aufsichtsbehörde[27]. Die Tatsache, dass die Landesbeauftragte für Datenschutz in Nordrhein-Westfalen die Verhaltensregeln nach Art. 40 Abs. 5 DSGVO genehmigt hat[28], bedeutet ebenfalls nicht, dass eine jede Datenverarbeitung im Sinne der Verhaltensregeln rechtmäßig wäre. Allenfalls dürfte die Verhängung eines Bußgeldes nach Art. 83 DSGVO, § 41 BDSG bei Einhaltung genehmigter Verhaltensregeln nur schwer zu begründen sein[29]. Schließlich dürfte dann davon auszugehen sein, dass ein etwaiger Verstoß durch ein Mitglied des Verbandes in der Regel weder vorsätzlich noch fahrlässig im Sinne von Art. 83 Abs. 2 b) DSGVO erfolgt ist.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts stehen vielmehr die Prüf- und Löschfristen unter Ziffer II. 2.b)) der Verhaltensregeln bezüglich der Restschuldbefreiung im Widerspruch zu den Regelungen in §§ 9 InsO, 3 InsoBekVO und daher können Betroffene auch bei Einhaltung der Verhaltensregeln Löschungsansprüche gegen Verantwortliche nach Art. 17 Abs. 1 lit d) DSGVO geltend machen.
Der Betroffene hat gegen die Auskunftei über den Löschungsanspruch hinaus einen Anspruch auf Unterlassung der erneuten Speicherung und Verarbeitung der streitgegenständlichen Informationen in entsprechender Anwendung von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Bei Auskunfteien ist grundsätzlich eine Wiederholungsgefahr anzunehmen[30]. Da schon eine bevorstehende erste Beeinträchtigung für die Annahme einer Wiederholungsgefahr ausreichend sein kann, dürfte eine Wiederholungsgefahr unzweifelhaft vorliegen.
Schleswig -Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 2. Juli 2021 – 17 U 15/21
- Auernhammer, DSGVO/BDSG, Art. 17 DSGVO, Rn. 32[↩]
- vgl. LG Frankfurt a.M., Urteil vom 20.12.2018 – 2/5 O 151/18 – NZI 2019, 342[↩]
- BGH, Urteil vom 07.07.1983 – III ZR 159/82, NJW 1984, 436; LG Frankfurt a.M. a.a.O; LG Aschaffenburg, Urteil vom 07.10.2020 – 15 O 46/20 – ZD 2021, 214; LG Heilbronn, Urteil vom 11.04.2019 – 13 O 140/18 . ZD 2020, 256[↩]
- vgl. Kühling/Buchner, DS-GVO-BDSG, 2. Auflage, Art. 6 DSGVO, Rn. 120[↩]
- Kühling/Buchner, a.a.O., Rn. 114[↩]
- vgl. Kühling/Buchner, a.a.O., Rn. 146; Auernhammer, DSGVO/BDSG, 7. Auflage, Art. 6 DSGVO, Rn. 72; BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 36. Edition, Rn. 49; Schaffland/Holthaus in: Schaffland/Wiltfang, DS-GVO/BDSG, Art. 6 DSGVO, Rn. 119 – juris; Frenzel in: Paal/Pauly, DSGVO, 3. Auflage, Rn. 26 ff.[↩]
- vgl. Ehmann/Selmayr-Heberlein, Datenschutz-Grundverordnung, 12. Auflage, Art. 6, Rn. 25; Auernhammer, a.a.O., Rn. 76; Gola, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Auflage, Art. 6, Rn. 57 jeweils mit weiteren Nachweisen; Tavanti, RDV 2016, 295[↩]
- Paal/Pauly, a.a.O.[↩]
- BGH a.a.O.[↩]
- vgl. Studie des ZEW Mannheim im Auftrag des BMWi, „Ursachen für das Scheitern junger Unternehmen in den ersten fünf Jahren des Betriebs“, März 2010, S. 76[↩]
- kritisch gegenüber der bisherigen Speicherung in Online-Datenbanken über § 3 InsoBekV hinaus bereits Ehmann in Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Auflage, Rn.192 zu § 29 BDSG a.F.[↩]
- vgl. Heyer, ZVI 2019, 45, 46[↩]
- vgl. Ganter/Bruns in Münchener Kommentar zur InsO, 4. Auflage, § 9, Rn. 8[↩]
- BT-Drs. 16/3227, S. 14[↩]
- so etwa OLG Frankfurt, Urteil vom 14.12.2015 – 1 U 128/15, NZI 2016, 188 f.; KG, Urteil vom 07.02.2013 – 10 U 118/12, ZD 2013, 189[↩]
- KG, a.a.O.[↩]
- OLG Frankfurt, a.a.O.[↩]
- OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.03.2016 – 12 U 32/16, NZI 2016, 375[↩]
- LG Frankfurt a.M., Urteil vom 20.12.2018 – 2/5 O 151/18, NZI 2019, 342[↩]
- so Heyer, NZI 2019, 345 in seiner Urteilsanmerkung[↩]
- etwa Thüsing/Flink/Rombey, NZI 2020, 611 ff.[↩]
- so mit Recht Heyer, NZI 2019, 345, 346[↩]
- vgl. Referentenentwurf des BMJV eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens vom 13.02.2020, S. 23[↩]
- vgl. BR-Drs. 761/20[↩]
- Kühling/Buchner, a.a.O., Rn. 146[↩]
- LG Hamburg, Urteil vom 23.07.2020 – 344 O 161/19, ZD 2021, 216[↩]
- vgl. Heyer, Anmerkung zu LG Frankfurt a.M NZI 2019, 342[↩]
- ausweislich der Einschätzung von Thüsing/Flink/Rombey NZI 2020, 611, 616 „ein Kompromiss“[↩]
- Auernhammer, a.a.O., Art 40 DSGVO, Rn. 6[↩]
- vgl. Raff in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage, § 1004, Rn. 303[↩]