Restschuldbefreiung – und die Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit

Masseverbindlichkeiten werden von einer Restschuldbefreiung nicht erfasst. Steuerschulden, die als Masseverbindlichkeiten entstanden sind, können nach Abschluss des Insolvenzverfahrens mit Erstattungsansprüchen des ehemaligen Insolvenzschuldners verrechnet werden. Der Verrechnung stehen eine dem Insolvenzverfahren immanente sog. Haftungsbeschränkung bzw. eine Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners nicht entgegen.

Restschuldbefreiung – und die Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit

Ist Einkommensteuer im Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeit entstanden, aber vom Insolvenzverwalter aufgrund von Masseunzulänglichkeit nicht beglichen worden, darf das Finanzamt die Steuerschuld nach Abschluss des Insolvenzverfahrens mit Erstattungsansprüchen des ehemaligen Insolvenzschuldners verrechnen. Eine dem Insolvenzschuldner erteilte Restschuldbefreiung steht dem nicht entgegen.

In dem jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall war über das Vermögen des Insolvenzschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Aufgrund der Verwertung von Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter war Einkommensteuer als sog. Masseverbindlichkeit entstanden, die von dem Insolvenzverwalter nicht beglichen wurde. Nachdem das Insolvenzverfahren wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt und dem Insolvenzschuldner Restschuldbefreiung gemäß § 301 InsO erteilt worden war, machte das Finanzamt die unbezahlt gebliebenen Steuerschulden geltend und verrechnete diese mit später entstandenen Erstattungsansprüchen des Insolvenzschuldners.

Das Sächsische Finanzgericht hob den Abrechnungsbescheid auf und entschied, dass der Insolvenzschuldner für Steuerschulden, die durch Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters entstanden seien, nicht einstehen müsse[1]. Dieser Rechtsauffassung ist der Bundesfinanzhof nicht gefolgt:

Masseverbindlichkeiten werden nach seinem Urteil weder von einer Restschuldbefreiung erfasst – dies hatte der Bundesgerichtshof bislang offengelassen – noch steht der Verrechnung eine sich aus dem Insolvenzverfahren ergebende Haftungsbeschränkung entgegen. Zwar sei Ziel eines Insolvenzverfahrens, dem redlichen Schuldner Gelegenheit zu geben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Die Restschuldbefreiung nach § 301 InsO sei aber ausdrücklich auf Insolvenzgläubiger beschränkt. Hätte der Gesetzgeber die Restschuldbefreiung auch auf Masseverbindlichkeiten erstrecken wollen, so hätte er dies entsprechend regeln müssen. Soweit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von einer sog. Haftungsbeschränkung für Masseverbindlichkeiten ausgehe, die nach Verfahrenseröffnung durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters begründet worden sind, lasse sich dies auf Steuerschulden nicht übertragen, so dass insoweit keine „Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners“ besteht.

§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO steht der Aufrechnung nicht entgegen, auch nicht im Fall einer entsprechenden Anwendung dieser Regelung zu Lasten von Altmassegläubigern nach angezeigter Masseunzulänglichkeit[2]. Denn im Streitfall war das Insolvenzverfahren zum Zeitpunkt der Aufrechnung bereits beendet[3].

Die Forderung des Finanzamt aus Einkommensteuer 2008 fällt als Masseverbindlichkeit nicht unter die dem Insolvenzschuldner erteilte Restschuldbefreiung.

Die Restschuldbefreiung wirkt gemäß § 286 und § 301 Abs. 1 Satz 1 InsO gegen alle Insolvenzgläubiger. Insolvenzgläubiger sind alle persönlichen Gläubiger des Schuldners, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§ 38 InsO). Der anspruchsbegründende Tatbestand muss also bereits vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen sein[4].

Massegläubiger (§ 53 InsO) sind keine Insolvenzgläubiger und Masseverbindlichkeiten sind keine Insolvenzforderungen. Daher werden Masseverbindlichkeiten nach dem eindeutigen Wortlaut des § 301 Abs. 1 Satz 1 InsO und der Systematik der §§ 35 ff. und 286 ff. InsO von der Restschuldbefreiung nicht erfasst.

Sinn und Zweck der Regelungen über die Restschuldbefreiung gebieten es nicht, deren Wirkung über den Wortlaut des § 301 InsO hinaus auch auf Masseforderungen zu erstrecken[5].

Zwar trifft es zu, dass es das Ziel des Insolvenzverfahrens ist, dem redlichen Schuldner Gelegenheit zu geben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien (§ 1 Satz 2 InsO). Aber unter welchen formellen und materiellen Voraussetzungen und in welchem Umfang dies geschehen soll, wird allein durch die gesetzlichen Regelungen der InsO bestimmt, im Fall der Restschuldbefreiung durch § 301 InsO. Die in dieser Regelung klar vorgegebene Reichweite der Restschuldbefreiung kann nicht unter Hinweis auf die allgemeine Zielsetzung der InsO auf Masseverbindlichkeiten ausgedehnt werden. Hätte der Gesetzgeber Masseverbindlichkeiten in die Restschuldbefreiung einbeziehen wollen, hätte er den Anwendungsbereich des § 301 InsO nicht ausdrücklich auf Insolvenzgläubiger beschränkt.

Aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip und Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich kein anderes Ergebnis herleiten. Einnahmen, die aus der Verwertung der Insolvenzmasse resultieren, sind Einnahmen des Insolvenzschuldners, ohne dass es darauf ankommt, ob die Einkünfte in das insolvenzfreie Vermögen fließen oder in die Insolvenzmasse[6]. Die fehlende Verfügungsbefugnis über das insolvenzbefangene Vermögen (vgl. § 80 InsO) berührt das Steuerrechtsverhältnis nicht.

Der Aufrechnung des Finanzamt steht auch keine auf § 80 Abs. 1 InsO zurückzuführende Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners entgegen.

Gemäß § 80 Abs. 1 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Damit verliert der Insolvenzschuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis in Bezug auf sein vom Insolvenzbeschlag erfasstes Vermögen. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die gemeinschaftliche Befriedigung aller persönlichen Gläubiger zu sichern[7].

Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO) bzw. mit dessen Einstellung (§§ 207 ff. InsO) endet grundsätzlich auch die Wirkung des § 80 Abs. 1 InsO; der Insolvenzschuldner erhält seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zurück[8].

Allerdings leitet der BGH aus § 80 Abs. 1 InsO eine sog. Haftungsbeschränkung auch für solche Masseverbindlichkeiten ab, die nach Verfahrenseröffnung durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters begründet worden sind[9].

Der Insolvenzschuldner bleibe zwar Schuldner aller durch die Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters nach Verfahrenseröffnung begründeten Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 InsO). Allerdings beschränke sich die Haftung während des Verfahrens auf die Gegenstände der Insolvenzmasse. Es handele sich um eine dem Verfahren immanente Haftungsbeschränkung. Für diese sei maßgeblich, dass der Verwalter nicht befugt sei, den Schuldner persönlich mit seinem insolvenzfreien Vermögen zu verpflichten, weil seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 InsO auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen beschränkt sei[10].

Der BGH verweist dabei auf eine frühere Entscheidung, in der er eine entsprechende Beschränkung der Inanspruchnahme auch für die Zeit nach Beendigung der (Zwangs-)Verwaltung bejaht hat, nachdem also das Verwaltungs- und Verfügungsrecht wieder auf den Vermögensinhaber übergegangen ist[11]. Der BGH führte in diesem Zusammenhang aus, es sei zunächst für den Konkursverwalter ausgesprochen worden, dass der Vermögensinhaber für die von ihm Dritten gegenüber begründeten rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten nur mit dem mit Beschlag belegten Vermögen hafte und dass er mit seinem verwaltungsfreien Vermögen für diese Schulden nicht einstehen müsse. Das folge daraus, dass das Verwaltungsrecht des Konkursverwalters auf das dem Konkursbeschlag unterworfene Vermögen beschränkt sei. Es handele sich um einen allgemeinen Grundsatz des deutschen Rechts, der in verschiedenen Bestimmungen des Gesetzes seinen Ausdruck gefunden habe.

Auch das insolvenzrechtliche Schrifttum geht ganz überwiegend davon aus, dass sich eine Haftung des Insolvenzschuldners für Ansprüche, die erst während des Insolvenzverfahrens als Masseansprüche begründet und nicht aus der Masse gezahlt worden sind, auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nur auf Massegegenstände beschränkt, die als Überschuss dem Schuldner zurückgegeben werden (§ 199 Satz 1 InsO), oder auf Gegenstände, die der Insolvenzverwalter als unverwertbar freigegeben hat (§ 197 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO). Denn -so auch hier die Begründung- die Tätigkeit des Verwalters beschränke sich ausschließlich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen; eine Haftung des gesamten Vermögens des Schuldners nach Beendigung des Insolvenzverfahrens könne daher durch das Handeln des Verwalters nicht begründet werden[12]. Dafür fehle es an einer rechtlichen Grundlage[13]. Die Beschränkung der Schuldnerhaftung auf die Restmasse sei für die Massegläubiger auch nicht unzumutbar, weil der Insolvenzverwalter nach § 61 InsO für die Erfüllung dieser Masseverbindlichkeiten hafte[14].

Dagegen befürwortet ein Teil des Schrifttums eine uneingeschränkte Haftung des Insolvenzschuldners für Masseverbindlichkeiten, insbesondere auch für Steuerforderungen[15]. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass es im Geltungsbereich der InsO (und der Konkursordnung) an Vorschriften fehle, die der Konzeption der §§ 1967 ff. bzw.1993 ff., 1975 ff. BGB entsprächen; soweit aber solche Regelungen nicht existierten, müsse das gesamte Vermögen einer Person ihren Gläubigern haften[16].

Unabhängig davon, ob man der Auffassung des BGH und der herrschenden Ansicht im insolvenzrechtlichen Schrifttum grundsätzlich folgen mag, gilt eine auf § 80 Abs. 1 InsO gestützte Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners jedenfalls nicht in Bezug auf die hier streitigen Steuerschulden für die Zeit nach Beendigung des Insolvenzverfahrens.

Der Bundesfinanzhof hat zunächst Zweifel, ob die im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung begründete Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners für die Zeit nach Beendigung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens noch Bestand haben kann, nachdem zum 1.01.1999 die InsO in Kraft getreten ist. Denn eine solche Einrede ist in der InsO nicht kodifiziert worden. Dies hätte aber in Anbetracht der weitreichenden Folgen einer solchen Einrede nahegelegen, und zwar umso mehr, als sie im Ergebnis einer in § 301 InsO gerade nicht vorgesehenen Ausdehnung der Wirkung der Restschuldbefreiungen auf Masseverbindlichkeiten gleichkommt.

In seinem Teilurteil vom 24.09.2009 in NJW 2010, 69, Rz 12 hat sich der BGH tatsächlich auch nur zu einer Haftungsbeschränkung während des Insolvenzverfahrens geäußert, auch wenn er sich dabei gleichwohl -ohne jede Einschränkung- auf die frühere BGH-Rechtsprechung bezieht.

Doch braucht diese Frage im Hinblick auf die hier streitigen Steuerschulden nicht entschieden zu werden.

Der Steuerpflichtige ist als Subjekt der Einkommensteuer (§ 1 des Einkommensteuergesetzes -EStG-) grundsätzlich zugleich auch Steuerschuldner (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändert daran nichts. Das öffentlich-rechtliche Steuerschuldverhältnis gegenüber dem Steuerpflichtigen bleibt bestehen[17].

Die Einkommensteuerschuld des Steuerpflichtigen entsteht kraft Gesetzes durch Verwirklichung des maßgeblichen Tatbestands (§ 38 AO), nicht dadurch, dass der Insolvenzverwalter den insolventen Steuerpflichtigen aufgrund seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 InsO zur Zahlung der Steuer verpflichtet. Lediglich mittelbar knüpft die Steuer an die Handlungen des Insolvenzverwalters an, soweit diese zu Einkünften i.S. der §§ 2 ff. EStG führen, die dem Steuerpflichtigen nach den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen zuzurechnen sind. Daher kann es hinsichtlich der Frage, mit welchem Vermögen der Steuerpflichtige nach Abschluss des Insolvenzverfahrens für die noch bestehenden Steuerschulden einstehen muss, nicht auf die Reichweite der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Insolvenzverwalters ankommen.

Eine solche Differenzierung legt im Grunde auch schon die Rechtsprechung des BGH nahe. Denn auch der BGH unterscheidet in dem oben genannten Urteil[18] zwischen Verbindlichkeiten, die nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 InsO durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters begründet werden, und solchen, die den Schuldner unmittelbar aufgrund gesetzlicher Regelungen treffen.

So hat der BGH zwar entschieden, dass der Insolvenzschuldner auch für die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) nicht mit seinem Privatvermögen haftet. Der Grund hierfür liegt aber nach Auffassung des BGH nicht in der nur beschränkten Verwaltungs- und Verfügungsmacht des Insolvenzverwalters nach § 80 Abs. 1 InsO. Denn die Kosten unterschieden sich -so der BGH- von den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 InsO genannten Verbindlichkeiten schon dadurch, dass sie nicht erst durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters begründet werden. Ihre Grundlage hätten sie vielmehr bereits in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 58 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes, § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 1 Abs. 1 der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung). Dass der Insolvenzschuldner gleichwohl nicht mit seinem Privatvermögen hafte, beruhe allein darauf, dass die Kosten des Insolvenzverfahrens nach den einschlägigen insolvenzrechtlichen Bestimmungen darauf angelegt seien, allein aus der Masse des insolventen Rechtsträgers beglichen zu werden[19]. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO weise das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen werde, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Nach § 207 Abs. 1 Satz 1 InsO sei das Verfahren einzustellen, wenn sich nach Verfahrenseröffnung herausstelle, dass die Insolvenzmasse nicht ausreiche, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Nach diesen Vorschriften sei also die Deckung der Verfahrenskosten aus der Masse grundsätzlich Voraussetzung für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens[20].

Entsprechende Regelungen für die Einkommensteuer, denen zufolge die Deckung der als Masseverbindlichkeiten entstehenden Steuerschulden Voraussetzung für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens ist, gibt es in der InsO nicht.

Es gibt auch im Übrigen keine gesetzlichen Regelungen, nach denen die Steuerschuld auf das ehemals zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Steuerpflichtigen nach Abschluss des Insolvenzverfahrens beschränkt ist. Auch aus § 201 InsO lässt sich eine solche Beschränkung nicht herleiten.

Dass sich eine Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners nicht auf die hier streitigen Steuerschulden erstrecken kann, erscheint auch insoweit sachgerecht und konsequent, als die BGH-Rechtsprechung den Begriff „Rechtshandlung“ in § 61 InsO eng auslegt mit der Folge, dass ein Insolvenzverwalter, der es unterlässt, Steuern an das Finanzamt abzuführen, die durch die Verwertung von Masse als Masseverbindlichkeiten entstanden sind, hierfür nicht persönlich haftet[21].

Aus dem Umstand, dass sich der IV. Senat des BFH der Rechtsprechung des BGH angeschlossen hat[22], ergibt sich nichts anderes.

Zwar führt auch der IV. Senat des BFH in seinem Urteil aus, die Rechtsmacht des Verwalters, mit Wirkung für und gegen den Schuldner zu handeln, sei gegenständlich nach § 80 Abs. 1 InsO auf die Insolvenzmasse beschränkt; er könne ausschließlich Masseverbindlichkeiten begründen, nicht hingegen den Schuldner persönlich mit seinem insolvenzfreien Vermögen verpflichten[23]. Doch geht es in dem vom IV. Senat des BFH entschiedenen Fall allein um die Frage, ob die Einkommensteuer auf Veräußerungsgewinne, die der Insolvenzverwalter durch Verwertung der zur Insolvenzmasse gehörenden Wirtschaftsgüter erzielt hat, in voller Höhe als sonstige Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu qualifizieren und gegenüber dem Insolvenzverwalter als Bekanntgabeadressat geltend zu machen ist. Dabei beziehen sich die Ausführungen des IV. Senats des BFH -ebenso wie die des BGH-Teilurteils in NJW 2010, 69- auf ein noch nicht abgeschlossenes Insolvenzverfahren. Zu der Frage, welche Konsequenzen sich aus der Rechtsprechung des BGH in Bezug auf die sog. Nachhaftung des ehemaligen Insolvenzschuldners für die als Masseverbindlichkeiten entstandene Steuerschulden nach Abschluss des Insolvenzverfahrens ergeben, äußert sich der IV. Senat nicht.

Das gilt auch für die Entscheidungen des X. Senats des BFH[24].

In Anbetracht dieses Ergebnisses kann dahingestellt bleiben, ob die streitigen Steuerschulden des Insolvenzschuldners aus Einkommensteuer für 2008 -wie vom Finanzgericht festgestellt- insgesamt als Masseverbindlichkeiten i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO anzusehen[25] oder teilweise -wie vom Finanzamt mit der Revision vorgetragen- dem insolvenzfreien Bereich des Insolvenzschuldners zuzuordnen sind[26]. Denn auch dann, wenn bzw. soweit es sich um Masseverbindlichkeiten gehandelt hat, war die Aufrechnung -wie dargelegt- zulässig.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 28. November 2017 – VII R 1/16

  1. Sächs. Finanzgericht, Urteil vom 09.12.2015 – 8 K 1112/15[]
  2. vgl. MünchKommInsO-Hefermehl InsO § 210 Rz 12[]
  3. vgl. auch BFH, Urteil vom 13.12 2016 – VII R 1/15, BFHE 256, 388, BStBl II 2017, 541[]
  4. vgl. auch BGH, Urteil vom 05.04.2016 – VI ZR 283/15, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2017, 37[]
  5. offen gelassen in BGH, Urteil vom 28.06.2007 – IX ZR 73/06, Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung -NZI- 2007, 670, Rz 16; wie hier: Uhlenbruck/Sternal InsO § 301 Rz 6; MünchKommInsO-Stephan InsO § 301 Rz 8; Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 301, Rz 3; Waltenberger in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl.2016, § 301 Rz 15; HambKomm/Streck, InsO, 6. Aufl., § 301 Rz 3; Kexel in Graf-Schlicker, InsO, § 301 Rz 4; a.A.: Voigt, Weiter im Schuldturm trotz Restschuldbefreiung? Gedanken zur Auslegung von §§ 286, 301 InsO, ZInsO 2002, 569, 572 f.[]
  6. so schon BFH, Urteil vom 07.11.1963 – IV 210/62 S, BFHE 78, 172, BStBl III 1964, 70; Roth, Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl.2016, Rz 4.10 f.[]
  7. vgl. Uhlenbruck/Mock InsO § 80 Rz 4; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, a.a.O., § 80 InsO, Rz 3[]
  8. s.a. Uhlenbruck/Mock, a.a.O., § 80 Rz 7[]
  9. BGH-Teilurteil in NJW 2010, 69, Rz 12, mit zahlreichen weiteren Nachweisen[]
  10. BGH-Teilurteil in NJW 2010, 69, Rz 12[]
  11. BGH, Urteil vom 25.11.1954 – IV ZR 81/54, NJW 1955, 339[]
  12. s. z.B. MünchKommInsO-Hintzen § 201 Rz 16, und MünchKommInsO-Hefermehl § 53 Rz 34a[]
  13. so Meller-Hannich in Jaeger, InsO, § 201 Rz 8[]
  14. so Uhlenbruck/Wegener, a.a.O., § 201 Rz 17, unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 06.05.2004 – IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104, ZIP 2004, 1107[]
  15. HambKommInsO-Herchen, a.a.O., § 201 Rz 6 f.; Runkel/Schnurbusch, Rechtsfolgen der Masseunzulänglichkeit, NZI 2000, 49; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl.2007, Rz 25.30 f.[]
  16. so Runkel/Schnurbusch, NZI 2000, 49, 56 f.[]
  17. vgl. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 251 AO, Rz 41, m.w.N.; ebenso Uhländer in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 11. Aufl.2015, S. 645 f.[]
  18. BGH-Teilurteil in NJW 2010, 69, Rz 19 ff.[]
  19. BGH-Teilurteil in NJW 2010, 69, Rz 21, m.w.N.[]
  20. s.a. BGH, Beschluss vom 16.07.2009 – IX ZB 221/08, ZIP 2009, 1591, Rz 9[]
  21. BGH, Beschluss in ZIP 2010, 2252, unter Berufung auf BGH, Urteil vom 02.12 2004 – IX ZR 142/03, BGHZ 161, 236, ZIP 2005, 131; s.a. Lüke in Kübler/Prütting/Bork, a.a.O., § 61 Rz 4d; MünchKommInsO-Schoppmeyer, a.a.O., § 61 Rz 11[]
  22. BFH, Urteil in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759, Rz 27 ff.[]
  23. BFH, Urteil in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759, Rz 30[]
  24. BFH, Urteil in BFHE 252, 482, BStBl II 2016, 852, und BFH, Beschluss in BFH/NV 2015, 470[]
  25. vgl. dazu im Einzelnen BFH, Urteil in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759, m.w.N.[]
  26. vgl. Senatsurteil vom 24.02.2015 – VII R 27/14, BFHE 248, 518, BStBl II 2015, 993; s. allgemein auch Paul in Graf-Schlicker, InsO § 55 Rz 19 ff.; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 251 AO Rz 72[]