Enthaftungserklärung – und die Kautionsrückzahlung

Gibt der Insolvenzverwalter für das Wohnraummietverhältnis des Schuldners eine Enthaftungserklärung ab, wird der Anspruch des Schuldners auf Rückzahlung einer die gesetzlich zulässige Höhe nicht übersteigenden Mietkaution vom Insolvenzbeschlag frei.

Enthaftungserklärung – und die Kautionsrückzahlung

Eine Nachtragsverteilung kann nach der hier allein in Betracht kommenden Norm des § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO angeordnet werden, wenn nach dem Schlusstermin Gegenstände der Masse ermittelt werden. Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der Kautionsrückzahlung nach der Enthaftungserklärung des Treuhänders nicht mehr vor. Der Anspruch des Schuldners auf die Mietkaution gehört, wenn der Insolvenzverwalter eine Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO abgegeben hat, nicht mehr zur Insolvenzmasse.

In die Insolvenzmasse fällt gemäß § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen des Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Der Anspruch auf Rückzahlung einer Mietkaution entsteht, aufschiebend bedingt durch die Beendigung des Mietverhältnisses und die Rückgabe der Mietsache, bereits mit der Entrichtung der Kaution an den Vermieter. Er begründet ein Anwartschaftsrecht, das im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Mieters zur Insolvenzmasse gehört[1]. Gegenstände der Masse können vom Insolvenzverwalter freigegeben werden mit der Folge, dass der Insolvenzbeschlag endet und der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wiedererlangt[2]. Wird eine Forderung freigegeben, fällt auch ein mit deren Beitreibung erzieltes Vermögen nicht in die Insolvenzmasse[3].

Der Insolvenzverwalter kann das nach § 108 Abs. 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehende Mietverhältnis über die Wohnung des Schuldners nicht nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO kündigen. Er kann aber erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf der dort bestimmten Kündigungsfrist fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können (§ 109 Abs. 1 Satz 2 InsO). Mit der Einführung dieser Regelung durch das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001[4] wollte der Gesetzgeber den Schuldner vor Obdachlosigkeit schützen, die drohte, wenn der Insolvenzverwalter das Mietverhältnis über die Wohnung des Schuldners kündigte, um die Mietkaution für die Masse zu vereinnahmen. Zugleich sollte der Insolvenzverwalter weiterhin die Möglichkeit haben, die Masse von Belastungen aus dem Mietverhältnis freizustellen[5].

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beschränkt sich die Wirkung der Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters oder Treuhänders nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht darauf, dass die Insolvenzmasse für die nach Ablauf der Kündigungsfrist fällig werdenden Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis nicht mehr haftet. Mit dem Wirksamwerden der Erklärung geht vielmehr die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis betreffend das Mietverhältnis über die Wohnung des Schuldners in vollem Umfang vom Verwalter wieder auf den Schuldner über[6]. Der Vermieter hat deshalb nach diesem Zeitpunkt eine Kündigung an den Schuldner zu richten[7], für eine Klage gegen den Vermieter auf Auszahlung eines nach der Enthaftungserklärung entstandenen Nebenkostenguthabens fehlt dem Insolvenzverwalter die Prozessführungsbefugnis[8], und die Kündigungssperre des § 112 Nr. 1 InsO verliert ihre Geltung[9].

Mit dem Wirksamwerden der Enthaftungserklärung scheidet auch der Anspruch des Schuldners auf Rückzahlung einer Mietkaution bis zur gesetzlich zulässigen Höhe (§ 551 Abs. 1, Abs. 3 Satz 4 BGB) aus der Insolvenzmasse aus. Die mit der Erklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO verbundene Freigabe erstreckt sich auf dasjenige Vermögen des Schuldners, das der weiteren Durchführung des Mietvertrags zuzuordnen ist. Vom Insolvenzbeschlag frei werden deshalb insbesondere alle mietvertraglichen Forderungen des Schuldners, die erst nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Enthaftungserklärung entstehen. Der Anspruch des Schuldners auf Rückzahlung einer geleisteten Mietkaution entsteht zwar aufschiebend bedingt bereits mit der Leistung der Kaution. Nach Sinn und Zweck der Mietkaution ist der Anspruch auf Rückzahlung jedoch der Fortsetzung des Mietverhältnisses nach dem Wirksamwerden der Enthaftungerklärung zuzuordnen. Zum Zeitpunkt der Enthaftungserklärung hat das Anwartschaftsrecht auf Rückzahlung der Kaution noch keinen sicheren Vermögenswert. Die Kaution dient nach Maßgabe der getroffenen Sicherungsabrede bis zur Beendigung des Mietverhältnisses und der Rückgabe der Mietsache dazu, die mietvertraglichen Ansprüche des Vermieters zu sichern. Ein Anspruch auf Rückzahlung der Kaution besteht nur, wenn der Schuldner auch nach der Freigabe des Mietverhältnisses seine mietvertraglichen Pflichten erfüllt, insbesondere die geschuldete Miete samt Nebenkosten zahlt und die Mietsache nach der Beendigung des Mietverhältnisses in vertragsgemäßem Zustand zurückgibt. Erst dadurch erlangt das Recht des Schuldners an der Kaution seinen endgültigen Wert. Deshalb ist es gerechtfertigt, dass mit der Freigabe des Mietverhältnisses auch der Anspruch auf Rückzahlung der Kaution aus dem insolvenzbefangenen Vermögen ausscheidet, soweit es sich um eine Kaution im gesetzlich zulässigen Rahmen handelt.

Eine solche Auslegung der Erklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO, deren Reichweite nicht zur Disposition des Insolvenzverwalters steht, widerspricht nicht den in den Gesetzesmaterialien verlautbarten Vorstellungen des Gesetzgebers. Die dort geäußerte Annahme, eine von dem Schuldner gestellte Kaution falle nach Beendigung des Wohnraummietverhältnisses in die Masse[10], entspricht der Rechtslage in den Fällen, in denen es nicht zu einer Enthaftungserklärung des Verwalters kommt. Mit der neu geschaffenen Regelung in § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO wollte der Gesetzgeber die Praxis unterbinden, dass Insolvenzverwalter das Wohnraummietverhältnis des Schuldners kündigten, um die Kaution zur Masse zu ziehen. Vor dem Hintergrund dieses sozialpolitischen Regelungszwecks kann den Gesetzesmaterialien ein tragfähiger Rückschluss dahingehend, dass die Kaution auch nach einer Enthaftungserklärung und der späteren Beendigung des Mietverhältnisses in die Insolvenzmasse fällt, nicht entnommen werden. Das Ziel des Gesetzgebers, den insolventen Mieter vor Obdachlosigkeit zu schützen, wird eher erreicht, wenn die Kaution dem freien Vermögen des Schuldners zugeordnet wird und von ihm für ein neues Mietverhältnis eingesetzt werden kann.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. März 2017 – IX ZB 45/15

  1. BGH, Beschluss vom 09.10.2014 – IX ZA 20/14, WM 2014, 2235 Rn. 7[]
  2. BGH, Beschluss vom 03.04.2014 – IX ZA 5/14, WM 2014, 956 Rn. 6 mwN[]
  3. BGH, Urteil vom 21.04.2005 – IX ZR 281/03, BGHZ 163, 32, 37; vom 22.05.2014 – IX ZR 136/13, WM 2014, 1239 Rn. 33[]
  4. BGBl. I S. 2710[]
  5. vgl. BT-Drs. 14/5680, S. 16, 27[]
  6. BGH, Urteil vom 09.04.2014 – VIII ZR 107/13, WM 2014, 1000 Rn. 13 ff; vom 22.05.2014 – IX ZR 136/13, WM 2014, 1239 Rn. 7, 14 ff; vom 17.06.2015 – VIII ZR 19/14, BGHZ 206, 1 Rn.20[]
  7. BGH, Urteil vom 09.04.2014, aaO Rn. 9[]
  8. BGH, Urteil vom 22.05.2014, aaO Rn. 6[]
  9. BGH, Urteil vom 17.06.2015, aaO Rn. 24 ff[]
  10. BT-Drs. 14/5680, S. 27[]