Die auch nach Insolvenzeröffnung nicht abgegebenen Steuererklärungen – und die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung

Der Steuerpflichtige kann mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr selber Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen mehr abgeben. Er mag zwar verpflichtet sein, den Insolvenzverwalter bei der Abgabe zu unterstützen. Ein Verstoß gegen diese insolvenzrechtlich begründete Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht erfüllt jedoch nicht den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO.

Die auch nach Insolvenzeröffnung nicht abgegebenen Steuererklärungen – und die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung

Tatbestandsmäßig ist nur pflichtwidriges Unterlassen gegenüber den Finanzbehörden.

Nach ständiger Rechtsprechung kann Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist[1] und nicht derjenige, der nur „bewirkt, dass die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen werden“[2].

Dies wirkt sich freilich nicht für frühere Veranlagungsjahre aus, bei denen der Steuerpflichtige selbst bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Abgabe der jeweiligen Steuererklärung verpflichtet war.

Vergleichbares gilt auch hinsichtlich der Umsatzsteuererklärung: Gibt der Steuerpflichtige trotz steuerbarer Umsätze keine Umsatzsteuerjahreserklärung ab, lässt er die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis. Mit Ablauf dieser Frist wurde die Umsatzsteuer verkürzt, weil die Umsatzsteuerjahreserklärung als Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, § 168 Satz 1 AO. Mit dem Verstreichenlassen dieses Fälligkeitszeitpunktes ist die Umsatzsteuerhinterziehung vollendet und zugleich beendet[3].

Für die Einkommen- und Gewerbesteuer war der Angeklagte ebenfalls noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst zur Abgabe der Erklärungen verpflichtet. Mit dem Verstreichenlassen der Erklärungsfrist am 31.05.des Folgejahres ist er in das Stadium des Versuchs der Einkommen- bzw. Gewerbesteuerhinterziehung eingetreten. Ist der Übergang der Erklärungspflicht auf den Insolvenzverwalter mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor Abschluss der Veranlagungsarbeiten des Finanzamtes, mithin vor Vollendung der Taten[4] eingetreten, hätte ab diesem Zeitpunkt der Insolvenzverwalter die steuerlichen Pflichten des handlungsunfähigen Schuldners zu erfüllen[5].

Dies galt außer für das Regelinsolvenzverfahren auch für das Verbraucherinsolvenzverfahren nach §§ 304 ff. InsO hin. In diesem vereinfachten Insolvenzverfahren kam dem gemäß § 313 Abs. 1 aF InsO mit Eröffnung des Verfahrens zu bestellenden Treuhänder jedoch eine dem Insolvenzverwalter entsprechende Stellung zu[6] und er hatte die steuerlichen Pflichten des handlungsunfähigen Schuldners zu übernehmen[7].

Die Erklärungspflichten oblagen damit zum Abgabezeitpunkt nicht mehr dem im Rechtssinne handlungsunfähigen Angeklagten R. als Schuldner, sondern – abhängig von der Art des Insolvenzverfahrens – entweder dem Insolvenzverwalter oder dem Treuhänder als Vermögensverwalter nach § 34 Abs. 3 AO. Das gilt auch für Steuerabschnitte, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen[8].

Anderes gilt auch wenn das Insolvenzverfahren abgeschlossen bzw. bereits in das Restschuldbefreiungsverfahren übergegangen ist. Für dieses Verfahren nimmt der Treuhänder nicht die Stellung eines Vermögensverwalters nach § 34 Abs. 3 AO ein[9].

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. August 2017 – 1 StR 573/16

  1. BGH, Urteil vom 09.04.2013 – 1 StR 586/12, Rn. 52, 64, BGHSt 58, 218, 227, 231 mwN[]
  2. BGH aaO[]
  3. BGH, Beschluss vom 08.12 2016 – 1 StR 389/16, NStZ-RR 2017, 82 mwN[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 23.01.2002 – 5 StR 540/01 Rn. 11, NStZ 2002, 437[]
  5. vgl. BFH, Urteil vom 06.11.2012 – VII R 72/11, BFHE 239, 15; Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 13. Aufl., § 34 Rn. 22; BMF, Amtliches AO-Handbuch, 2017, AEAO zu § 251 Nr. 4.2; vgl. auch BFH, Urteil vom 23.08.1994 – VII R 143/92, BFHE 175, 309, BStBl II, 1995, 194 zum Konkursverwalter[]
  6. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 243. Lieferung, § 34 AO Rn. 80a; Ott/Vuia in MünchKomm- InsO, 3. Aufl., § 313 Rn. 9[]
  7. FG Düsseldorf, Urteil vom 28.08.2014 – 8 K 3677/13 E, ZInsO 2015, 323; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler aaO; Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 13. Aufl., § 34 Rn. 22; BMF, Amtliches AO-Handbuch, 2014, AEAO zu § 251 Nr. 12.3 i.V.m. Nr. 4.2, vgl. ebenso in der früheren Fassung des AEAO[]
  8. BFH, Beschluss vom 19.11.2007 – VII B 104/07, BFH/NV 2008, 334; Urteil vom 23.08.1994 – VII R 143/92, BFHE 175, 309, BStBl II, 1995, 194[]
  9. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 243. Lieferung, § 34 AO, Rn. 80a; Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 13. Aufl., § 34 Rn. 22; vgl. auch BMF, aaO[]