Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten[1].

Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist ein Hinausschieben des Zeitpunkts der Beurteilung einer Widerrufsverfügung nicht geboten. Dass der Rechtsanwalt bei nachträglichen Entwicklungen auf ein Wiederzulassungsverfahren verwiesen wird, führt nicht zu unverhältnismäßigen Ergebnissen und verstößt auch nicht gegen die nach Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Freiheit der Berufswahl. Die beruflichen Nachteile, die einem Rechtsanwalt durch den Verweis auf ein erneutes Zulassungsverfahren entstehen, sind vergleichsweise gering, denn der Rechtsanwalt hat bei nachträglichem Wegfall des Widerrufsgrundes einen Anspruch auf sofortige Wiederzulassung und kann jederzeit einen entsprechenden Antrag stellen[2].
Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen, die sich gegen den Rechtsanwalt richten[3].
Gibt es Beweisanzeichen wie offene Forderungen, Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, welche den Schluss auf den Eintritt des Vermögensverfalls zulassen, kann der betroffene Rechtsanwalt diesen Schluss nur dadurch entkräften, dass er umfassend darlegt, welche Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides gegen ihn bestanden und wie er sie bezogen auf diesen Zeitpunkt zurückführen oder anderweitig regulieren wollte[4].
In ständiger Rechtsprechung geht der Bundesgerichtshof von einer Tatbestandswirkung der Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus[5]. Im Widerrufsverfahren nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO werden Titel und Vollstreckungsmaßnahmen nicht auf ihre inhaltliche und verfahrensrechtliche Richtigkeit überprüft. Behauptete Fehler sind in den jeweils vorgesehenen Verfahren geltend zu machen.
Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Die Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt[6]. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung ausnahmsweise nicht bestand, sind im hier entschiedenen Fall weder vorgetragen noch ersichtlich. Allein die Behauptung des Klägers, dass er wegen des damit verbundenen Risikos kein Bargeld in Verwahrung nehme, reicht hierfür nicht aus.
Durch das über sein Vermögen eröffnete Insolvenzverfahren ist keine Unterbrechung des Verfahrens betreffend den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 112c BRAO, § 173 VwGO, § 240 ZPO eingetreten, weil es sich insoweit nicht um einen vermögensrechtlichen Streitgegenstand, sondern um eine statusrechtliche Angelegenheit handelt[7].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. Mai 2019 – AnwZ (Brfg) 13/19
- vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29.06.2011 AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 10.03.2014 AnwZ (Brfg) 77/13; vom 20.05.2015 AnwZ (Brfg) 7/15[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 20.11.2017 AnwZ (Brfg) 42/17 5 mwN[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 08.12 2010 AnwZ (B) 119/09 12; vom 29.06.2011 AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 4; vom 20.12 2013 AnwZ (Brfg) 40/13 4; vom 15.12 2017 AnwZ (Brfg) 11/17 4[↩]
- BGH, Urteil vom 09.02.2015 AnwZ (Brfg) 51/13 14[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 05.09.2016 AnwZ (Brfg) 39/15 16 mwN[↩]
- st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 29.12 2016 AnwZ (Brfg) 53/16 15 f. mwN[↩]
- vgl. Feuerich/Weyland/Kilimann, BRAO, 9. Aufl., § 112c Rn. 165; Gaier/Wolf/Göcken/SchmidtRäntsch, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 112c Rn. 246[↩]