Der Bundesgerichtshof mußte sich jetzt mit der Frage einer sittenwidrigen Schädigung im Sinne des § 826 BGB durch Missbrauch des Lastschriftverfahrens befassen, mit der eine risikolose Kreditgewährung an den Lastschriftgläubiger unter Abwälzung des Kreditrisikos auf die Gläubigerbank bezweckt wurde.

In dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall gewährte die Beklagte der R. GmbH, die bei der Klägerin ein Geschäftskonto unterhielt und zum Lastschriftverfahren zugelassen war, mindestens seit dem Jahre 2001 Darlehen in der Weise, dass sie sie ermächtigte, im Rahmen des Lastschriftverfahrens von ihrem Konto bei der C. Bank S.A. Beträge einzuziehen, die die R. durch Hingabe von Schecks zurückzahlte. Mit Vertrag vom 14. Januar 2004 räumte die Beklagte der R. eine Kreditlinie von 100.000 € ein. Die Vertragsparteien vereinbarten, dass R. den jeweiligen Kreditbetrag vom Konto der Beklagten bei der C. einziehen könne und dass die Inanspruchnahme eines höheren Betrags möglich sei, wenn die Beklagte dies dulde. Dies begründe aber keinen Anspruch auf die Gewährung eines höheren Betrags. Sie vereinbarten weiter, dass jeder in Anspruch genommene Teilbetrag mit 10 % p.a. zu verzinsen und innerhalb von vier Wochen zurückzuzahlen sei. Bei Nichteinhaltung dieser Frist oder bei anhaltender geduldeter Überziehung des Darlehensbetrags sollte die Beklagte jederzeit berechtigt sein, Lastschriften nicht einzulösen bzw. innerhalb einer Frist von sechs Wochen zurückgehen zu lassen.
In der Zeit vom 4. Oktober 2004 bis 16. November 2004 zog die R. über ihr Konto bei der Klägerin Beträge in Höhe von insgesamt 733.770 € zu Lasten des Kontos der Beklagten bei der C. ein und verwendete sie für sich. Eine Rückzahlung erfolgte nicht. Mit an die R. gerichtetem Schreiben vom 10. Dezember 2004 kündigte die Beklagte den Kreditvertrag vom 14. Januar 2004 mit sofortiger Wirkung. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, der im Darlehensvertrag vereinbarte Betrag von 100.000 € sei nachhaltig überschritten worden und eine geduldete Überziehung sei angesichts der Gesamtumstände der letzten Tage nicht länger hinnehmbar. Ein Scheck über 34.000 € sei nicht eingelöst worden; es sei zu befürchten, dass weitere Schecks nicht eingelöst würden. Am selben Tag widersprach die Beklagte gegenüber der C. den auf ihre Einzugsermächtigung gestützten Belastungsbuchungen seit 4. Oktober 2004. Die Klägerin gewährte der C. die seit 27. Oktober 2004 zu Lasten der Beklagten eingezogenen Beträge in Höhe von insgesamt 384.520 € zurück. Die C. schrieb diesen Betrag mit Zustimmung der Beklagten einem Treuhandkonto gut. Über das Vermögen der R. wurde am 1. März 2005 wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte und R. hätten das Lastschriftverfahren in sittenwidriger Weise zu ihrem Nachteil missbraucht. Sie begehrt von der Beklagten die Zustimmung zur Auszahlung des dem Treuhandkonto gutgeschriebenen Betrags. Das Landgericht Würzburg hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Bamberg ein Mitverschulden der Klägerin von einem Drittel angenommen und die Klage in Höhe von 128.173,33 € abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der vom BGH zugelassenen Revision. Mit der Anschlussrevision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das OLG zurück verwiesen, da er nicht nur die Annahme eines Mitverschuldens bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung als unhaltbar ansah, sondern auch die subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB nicht, wie das OLG Bamberg, so ohne weiteres als gegeben ansehen wollte:
Der BGH sah allerdings, wie bereits das OLG Bamberg, eine objektiv sittenwidrige Schädigungshandlung der Beklagten darin gesehen, dass diese das Lastschriftverfahren zweckwidrig zur risikolosen Darlehensgewährung an die R. benutzt und das Kreditrisiko auf die Klägerin abgewälzt hat. Das Lastschriftverfahren ist ein von der deutschen Kreditwirtschaft entwickeltes System zur erleichterten Abwicklung von massenhaften Zahlungsvorgängen im bargeldlosen Zahlungsverkehr. Wegen seiner Einfachheit und seiner besonderen Eignung für eine elektronische Abwicklung hat sich das Einzugsermächtigungsverfahren durchgesetzt. Die Besonderheit des Einzugsermächtigungsverfahrens besteht darin, dass der Gläubiger die Initiative zur Bezahlung seiner Forderung ergreift, indem er seine Bank beauftragt, den Geldbetrag einzuziehen. Diese leitet den Auftrag an die Schuldnerbank weiter, die den Betrag vom Schuldnerkonto abbucht und der Gläubigerbank zuleitet, ohne dazu vom Schuldner eine Weisung erhalten zu haben. Wegen dieser weisungslosen Belastung seines Kontos steht dem Schuldner gegenüber der Schuldnerbank aus dem Girovertrag bis zu seiner Genehmigung ein Widerspruchsrecht zu. Wider-spricht der Schuldner, ohne zuvor genehmigt zu haben, muss die Schuldnerbank die Buchung berichtigen. Sie kann die Lastschrift im Interbankenverhältnis zurückgeben und von der Gläubigerbank deren Wiedervergütung verlangen, wenn der Schuldner innerhalb von sechs Wochen nach Belastung seines Kontos widerspricht. Die Gläubigerbank belastet sodann das Gläubigerkonto wieder mit dem zuvor gutgeschriebenen Betrag und den Rücklastgebühren.
Aufgrund dieser Ausgestaltung des Verfahrens kann der Gläubigerbank im Falle eines rechtzeitigen Widerspruchs ein Schaden entstehen, wenn das Gläubigerkonto zum Zeitpunkt der Rückbelastung keine Deckung mehr aufweist und der Gläubiger nicht mehr in der Lage ist, seiner Verpflichtung zur Rückzahlung des ihm gutgeschriebenen Betrags gegenüber der Gläubigerbank nachzukommen. Dieses Schadensrisiko ist dem Lastschriftverfahren allerdings grundsätzlich immanent; es trägt dem notwendigen Schutz des Schuldners im Einzugsermächtigungsverfahren Rechnung und wurde von den Kreditinstituten mit der Einführung des Lastschriftverfahrens im Interesse der Erleichterung des massenhaften Zahlungsverkehrs übernommen.
Indessen darf die Ausgestaltung des Lastschriftverfahrens nicht dazu ausgenutzt werden, das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Gläubigers auf dessen Bank zu verlagern. Dies ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn Gläubiger und/oder Schuldner die Widerspruchsmöglichkeit als Sicherungsinstrument einsetzen, um eine risikolose Darlehensgewährung des Lastschriftschuldners an den Lastschriftgläubiger zu ermöglichen. Ein solches Vorgehen, bei dem der Gläubigerbank faktisch die Rolle einer Bürgin aufgezwungen wird, ist mit dem Sinn und Zweck des Lastschriftverfahrens nicht zu vereinbaren. Es erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Widerspruchs erheblich, was für die beteiligten Kreditinstitute mit besonderen, deutlich über das mit dem Lastschriftverfahren zwangsläufig verbundene Risiko hinausgehenden Gefahren verbunden ist. Ein solches Vorgehen ist jedenfalls dann in aller Regel sittenwidrig, wenn es der Erlangung von Vorteilen wie der Kreditbeschaffung des Lastschriftgläubigers und der Erzielung von Zinseinnahmen des Lastschriftschuldners dient.
Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall in der Darlehens-gewährung durch die Beklagte und im nachfolgenden Widerspruch gegen die Belastungsbuchungen zu Recht eine objektiv sittenwidrige Schädigungshandlung zu sehen. Die Beklagte missbrauchte das Lastschriftverfahren und den Widerspruch zweckwidrig zu risikoloser Darlehensgewährung auf Kosten der Klägerin. R. hatte einen erheblichen und zunehmenden Finanzbedarf, der nicht durch die Banken abgedeckt wurde. Diesen Finanzbedarf deckte die Beklagte dadurch, dass sie es der R. ermöglichte, mittels Blankolastschriften Darlehen nach Bedarf einzuziehen. Ihren Darlehensrückzahlungsanspruch hatte die Beklagte dabei über die Möglichkeit des Widerspruchs gegen die Belastungsbuchungen abgesichert.
Damit hat die Beklagte gezielt das Darlehensrückzahlungsrisiko auf die Klägerin verlagert und diese in die Rolle eines Bürgen gedrängt. Während sie selbst Zinsen in Höhe von 9 bis 10 % p.a. vereinnahmte, setzte sie das Vermögen der Klägerin einer besonderen, deutlich über das mit dem Lastschriftverfahren zwangsläufig verbundene Risiko hinausgehenden konkreten Gefährdung aus. Ein derartiges Verhalten ist objektiv sittenwidrig.
Dieses Verhalten setzte die Beklagte fort, als sie – nachdem R. die seit 4. Oktober 2004 jeweils in Anspruch genommenen Darlehensbeträge nicht innerhalb der vereinbarten vierwöchigen Rückzahlungsfrist zurückgezahlt hatte, ein Scheck der R. über 34.000 € nicht eingelöst worden war und sie befürchtete, dass weitere Schecks nicht eingelöst werden würden – der Belastung ihres Kontos bei der C. widersprach mit der Folge, dass die Klägerin der Schuldnerbank C. Lastschriften in Höhe von insgesamt 384.520 € rückvergüten musste. Hierdurch bewirkte die Beklagte, dass sich das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Darlehensschuldners R. statt bei ihr als Darlehensgeberin bei der Klägerin als Gläubigerbank verwirklichte.
Durch diesen Missbrauch des Lastschriftverfahrens und des Widerspruchs hat die Beklagte der Klägerin einen Schaden zugefügt, weil die Klägerin, so der BGH, mit ihrer Rückgriffsforderung gegen die R. ausgefallen ist.
Problematisch stellt sich dann jedoch für den BGH dar, ob auch die subjektiven Voraussetzungen eines Sittenverstoßes vorliegen. Die Annahme eines Sittenverstoßes erfordert in subjektiver Hinsicht grundsätzlich die Feststellung, dass der Schädiger Kenntnis von den Tatumständen hatte, die sein Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen. Dabei kann es auch unter Umständen genügen, wenn sich der Schädiger der Kenntnis dieser Tatsachen bewusst verschlossen hat.
Diesen letzten Schluss mag der BGH im vorliegenden Fall allerdings nicht ziehen: Von der Ausnutzung des Lastschriftverfahrens und des Widerspruchs zur risikolosen Darlehensgewährung an die R. auf Kosten der Klägerin hatte die Beklagte nach dem festgestellten Sachverhalt Kenntnis. Diese Vorgehensweise hatte sie mit R. ausdrücklich abgesprochen und im Kreditvertrag vom 14. Januar 2004 schriftlich niedergelegt. Nahm sie aber tatsächlich an, die Klägerin sei mit der zweckwidrigen Ausnutzung des Lastschriftverfahrens zur für die Beklagte risikolosen Darlehensgewährung an die R. einverstanden, war sie also der redlichen Überzeugung, so handeln zu dürfen, wie sie gehandelt hatte, so nahm sie irrig einen die Sittenwidrigkeit ausnahmsweise ausschließenden Umstand an. Sie hätte sich dann in einem Tatbestandsirrtum befunden, mit der Folge, dass die subjektiven Voraussetzungen eines Sittenverstoßes zu verneinen wären.
Der BGH verwies deshalb an das OLG zurück, das noch feststellen muss, ob die Geschäftsführer der Beklagten tatsächlich glaubten, die Klägerin sei mit ihrer Vorgehensweise einverstanden. Die Beweislast für diese Behauptung trägt allerdings, wie der BGH ausdrücklich feststellt, die Beklagte. Denn sie beruft sich auf eine Ausnahmekonstellation. Dabei weist der BGH auch noch darauf hin, dass das Berufungsgericht in seine Überzeugungsbildung dabei auch den allgemein bekannten Umstand mit einzubeziehen habe, dass Banken in aller Regel nicht ungesichert Risiken eingehen, für die ein Dritter die Gegenleistung in Form von Zinsen vereinnahmt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. April 2009 – VI ZR 304/07







