Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters – und die Finanzbehörden

Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass das Recht des Insolvenzverwalters auf Auskunft gegenüber dem Finanzamt nicht besteht, soweit die Auskunftserteilung das Finanzamt in der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche oder in der Verteidigung gegen das Finanzamt geltend gemachter zivilrechtlicher Ansprüche beeinträchtigen würde. Ebenfalls ist geklärt, dass der Anspruch auf Akteneinsicht nicht aus Art. 15 DSGVO i.V.m. § 2a Abs. 5 AO folgt.

Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters – und die Finanzbehörden

Die Frage, ob und in welchem Umfang der Insolvenzverwalter Zugang zu steuerlichen Daten des Finanzamtes hat, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt[1].

Insoweit ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass das Recht des Insolvenzverwalters auf Auskunft gegenüber dem Finanzamt nicht besteht, soweit die Auskunftserteilung das Finanzamt in der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche oder in der Verteidigung gegen das Finanzamt geltend gemachter zivilrechtlicher Ansprüche beeinträchtigen würde. Ebenfalls ist geklärt, dass der Anspruch auf Akteneinsicht nicht aus Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) i.V.m. § 2a Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) folgt. Denn der Insolvenzverwalter ist hinsichtlich der Steuerdaten des Insolvenzschuldners nicht „betroffene Person“ im Sinne des Art. 4 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Daher geht der Auskunftsanspruch des Insolvenzschuldners nicht gemäß § 80 Abs. 1 InsO in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters über[2].

Dies gilt auch für die hier vom Insolvenzverwalter aufgeworfene Frage, ob und in welchem Umfang ihm ein Anspruch auf Amtshilfe zusteht. Es ist geklärt, dass der Insolvenzverwalter trotz seiner Bestellung durch gerichtlichen und damit öffentlich-rechtlichen Akt (§ 56 Abs. 1 InsO) sowie dessen Stellung als Partei kraft Amtes[3] weder Teil des öffentlichen Dienstes noch als Träger öffentlicher Gewalt anzusehen ist[4]. Damit ist er auch nicht Amtshilfeberechtigter nach Art. 35 Abs. 1 GG. Auch lässt sich diese vom Insolvenzverwalter aufgeworfene Frage eindeutig anhand der gesetzlichen Regelungen des § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO sowie des Art. 15 und Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO beantworten.

Aufgrund des abschließenden Charakters dieser Normen bedarf es daher auch nicht einer Heranziehung des § 242 BGB. Daher ist die vom Insolvenzverwalter aufgeworfene Frage, ob es für den geltend gemachten Auskunftsanspruch eines Rückgriffs auf die allgemeine Regelung des § 242 BGB bedarf, nicht von grundsätzlicher Bedeutung[5].

Soweit sich der Insolvenzverwalter unter anderem auf die Verpflichtung des Finanzamtes zur Auskunftserteilung, den Umfang der Auskunftserteilung und den Charakter des Art. 15 DSGVO als „Ausforschungsrecht“ beruft, legt er im Wesentlichen seine von der Ansicht des Finanzgerichts abweichende rechtliche Würdigung dar. Gleiches gilt für die Fragen, ob der Insolvenzanfechtung unterfallende Leistungen ursprünglich mit oder ohne Rechtsgrund an das Finanzamt geleistet worden waren, ob die Verteidigungsmöglichkeiten des Finanzamtes in der Folge der Auskunftserteilung eingeschränkt werden und ob die von der Vorinstanz vertretene Rechtsauffassung ein „Sonderrecht“ für die Finanzverwaltung schafft. Diese Ausführungen können daher nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen.

Ebenso wenig erfordert im Streitfall die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).

Die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung setzt voraus, dass das Finanzgericht in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist[6].

Im Einzelnen sind für die schlüssige Rüge einer Divergenz gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO die angebliche Divergenzentscheidung genau -mit Datum und Aktenzeichen oder Fundstelle- zu bezeichnen sowie tragende, abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits gegenüberzustellen, um die Abweichung deutlich zu machen. Dies erfordert auch die Darlegung, dass es sich im Streitfall um einen gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt handelt, so dass sich in der angefochtenen Entscheidung und in der Divergenzentscheidung dieselbe Rechtsfrage stellt.

Daran gemessen liegt im Streitfall seitens des Finanzgerichts kein Verstoß gegen tragende Rechtsgrundsätze in den vom Insolvenzverwalter in seiner Beschwerdebegründung angeführten Entscheidungen vor.

Soweit der Insolvenzverwalter auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) „Land Nordrhein-Westfalen gegen D.H. T.“[7] hinweist, liegt keine Abweichung von den Grundsätzen dieser Entscheidung vor. In dieser Entscheidung hat sich der Unionsgerichtshof für die Prüfung von Fragen, die sich im Rahmen einer vom nationalen Recht angeordneten Geltung der Datenschutz-Grundverordnung für juristische Personen ergeben, für nicht zuständig erklärt[8]. Eine Divergenz zur angefochtenen Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg[9] liegt damit nicht vor.

Hinsichtlich des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 31.01.1989[10] fehlt es offenkundig am Vorliegen eines vergleichbaren Sachverhalts. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrifft den Anspruch auf Klärung der Abstammung und hat sich weder mit den hier streitigen Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung noch mit den Vorschriften der Abgabenordnung befasst. Die Entscheidung betrifft zudem nicht die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen gegenüber der Finanzverwaltung.

Eine Divergenz zum Urteil des Bundesfinanzhofs vom 08.06.2021[11] liegt ebenfalls nicht vor. Schwerpunkt dieses Verfahrens war die Unzulässigkeit der Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GVG). Es fehlt daher am Vorliegen einer vergleichbaren Rechtsfrage.

Auch eine Abweichung des angefochtenen Urteils von den Entscheidungen des BVerwG[12] ist nicht gegeben.

Vielmehr folgt das angefochtene Urteil des Finanzgerichts den vom BVerwG aufgestellten abstrakten Rechtssätzen zu § 80 Abs. 1 InsO, § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO, Art. 15 und Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO. Das Finanzgericht hat den Übergang des Auskunftsanspruchs von der Insolvenzschuldnerin auf den Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO verneint. Gemäß § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO hat das Finanzgericht das Bestehen eines Auskunftsrechts nach Art. 15 DSGVO gegenüber dem Finanzamt abgelehnt, soweit die Auskunftserteilung das Finanzamt in der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche oder in der Verteidigung gegen das Finanzamt geltend gemachter zivilrechtlicher Ansprüche im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO beeinträchtigen würde. Das Finanzgericht hat mithin die abstrakten Rechtsgrundsätze der Entscheidungen des BVerwG[13] seinem Urteil zugrunde gelegt und diese auf den Fall angewandt.

Eine Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.04.2018[14] besteht ebenfalls nicht. Die Entscheidung betraf die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO und des Art. 15 und Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 5. Dezember 2023 – IX B 108/22

  1. vgl. BVerwG, Urteile vom 16.09.2020 – 6 C 10/19; und vom 25.02.2022 – 10 C 4/20 [7 C 31/17], BVerwGE 175, 62[]
  2. vgl. BVerwG, Urteil vom 16.09.2020 – 6 C 10/19, Rz 16, m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 28.10.2019 – 10 B 21/19, Rz 10; BFH, Beschluss vom 16.06.2020 – II B 65/19, BFHE 268, 524, BStBl II 2020, 622, Rz 12[]
  3. vgl. u.a. BGH, Urteil vom 26.01.2006 – IX ZR 282/03, Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht 2006, 260, unter I. 1., m.w.N.[]
  4. vgl. BFH, Beschluss vom 28.11.2019 – X B 132/19 zu § 78 Abs. 3 FGO[]
  5. vgl. dazu BFH, Beschluss vom 14.04.2011 – VII B 201/10, Rz 12, m.w.N.[]
  6. vgl. u.a. BFH, Beschluss vom 16.11.2021 – IX B 37/21, Rz 7[]
  7. EuGH, Urteil „Land Nordrhein-Westfalen gegen D.H. T.“ vom 10.12.2020 – C-620/19, EU:C:2020:1011[]
  8. vgl. EuGH, Urteil „Land Nordrhein-Westfalen gegen D.H. T.“ vom 10.12.2020 – C-620/19, EU:C:2020:1011, Rz 52[]
  9. FG Hamburg, Urteil vom 13.06.2022 – 3 K 73/21[]
  10. BVerfG, Urteil vom 31.01.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256[]
  11. BFH, Urteil vom 08.06.2021 – II R 15/20[]
  12. BVerwG, Entscheidungen vom 26.04.2018 – 7 C 3/16; vom 16.09.2020 – 6 C 10/19; und vom 25.02.2022 – 10 C 4/20 [7 C 31/17], BVerwGE 175, 62[]
  13. vgl. BVerwG, Urteile vom 16.09.2020 – 6 C 10/19, Rz 23; und vom 25.02.2022 – 10 C 4/20 [7 C 31/17], BVerwGE 175, 62, Rz 19[]
  14. BVerwG vom 26.04.2018 – 7 C 3/16[]