Die arbeitgeberseitige Übernahme der Behandlungskosten einer Arbeitnehmerin erfolgt unentgeltlich iSd. § 134 Abs. 1 InsO.

Für die Beurteilung, ob Unentgeltlichkeit vorliegt, ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, wie viele Personen am Zuwendungsvorgang beteiligt sind[1]. Sind wie vorliegend drei Personen involviert (Drei-Personen-Verhältnis) und wird mit der Leistung des (späteren) Insolvenzschuldners eine fremde Schuld getilgt, erlischt die Forderung des Gläubigers als Leistungsempfänger gegen den eigentlichen Schuldner der Leistung (Dritten), sofern dieser der Zahlung nicht widerspricht (§ 267 BGB). Durch die Zuwendung hat der Dritte einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt, sodass im Verhältnis zu ihm grundsätzlich eine unentgeltliche Leistung des Insolvenzschuldners vorliegt. Damit ist der adäquate Anfechtungsgegner iSd. § 134 InsO grundsätzlich der Dritte, dessen Schuld getilgt wird und der durch die Leistung des Insolvenzschuldners frei wird. Die Leistung ist jedoch im Verhältnis zum Dritten dann nicht unentgeltlich, wenn den (späteren) Insolvenzschuldner diesem oder dessen Gläubiger gegenüber eine eigene entgeltliche Leistungspflicht trifft, da insoweit durch seine Zahlung die gegen ihn bestehende Forderung erlischt, er also mit der fremden Schuld zugleich eine eigene tilgt[2].
Danach sind die Voraussetzungen für die Unentgeltlichkeit iSv. § 134 Abs. 1 InsO hinsichtlich der Behandlungskostenübernahme erfüllt:
Der Arbeitgeber -der spätere Insolvenzschuldner- hat eine fremde Schuld getilgt, indem er die seiner Angesgtellten (der Dritten) vom behandelnden Krankenhaus (Gläubiger) in Rechnung gestellten Kosten für den durchzuführenden chirurgischen Eingriff bezahlt hat.
Eine Verpflichtung hierzu bestand weder nach dem Gesetz noch – auch unter Berücksichtigung tariflicher Regelungen – vertraglich.
Eine entsprechende Leistungspflicht folgt nicht aus § 241 Abs. 2 BGB. Bei dem chirurgischen Eingriff zur Reduzierung des Gewichts der Beklagten handelte es sich um eine Maßnahme zur Vorbereitung einer weiteren Heilbehandlung (Knieoperation) zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Gesundheit. Es ist weder festgestellt noch von der Beklagten vorgetragen worden, dass die Ursachen für ihre insoweit angegriffene körperliche Verfassung im Zusammenhang mit ihrer Arbeitsleistung stehen, weshalb diese dem privaten Bereich zuzurechnen sind, für den die Beklagte selbst verantwortlich ist[3].
Die Beklagte hat auch keinen tariflichen Anspruch auf eine solche Leistung dargelegt. Selbst wenn zu ihren Gunsten eine umfassende einzelvertragliche Inbezugnahme des BMT-AW II und ab dem 1.01.2007 des TVöD angenommen würde, ergäbe sich ein solcher Anspruch nicht. Der BMT-AW II sieht weder in seiner Ursprungsfassung vom 01.11.1977 noch in den Folgefassungen einen entsprechenden Beihilfeanspruch vor. Gleiches gilt für die übrigen Tarifverträge der Arbeiterwohlfahrt. Ein Anspruch folgt auch nicht aus dem TVöD, der seit dem 1.01.2007 für Beschäftigte des Schuldners aufgrund des Tarifvertrags Nr. 1 zur Anwendung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) und zur Überleitung der Beschäftigten der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Wiesbaden e.V. in den TVöD gilt. Vor dem Hintergrund der zu § 4 dieses Tarifvertrags ergangenen Protokollnotiz, die Überleitung erfolge aus den bisher geltenden Tarifverträgen, sowie der – im Rahmen einer augenscheinlich individuell vereinbarten qualifizierten Schriftformklausel – getroffenen Abreden in § 9 des Geschäftsführervertrags ist nicht ersichtlich, dass nach § 1 dieses Vertrags, selbst unter Berücksichtigung seiner Rückdatierung auf den 1.01.1998 und der Übernahme aller Rechte aus dem Arbeitsvertrag vom 01.01.1984, die Protokollerklärung zu § 13 TVÜ-VKA oder TVÜ-Bund über die Wahrung des Besitzstands der nach § 40 BAT beihilfeberechtigten Beschäftigten Anwendung finden sollte.
Die Arbeitnehmerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Begleichung der Behandlungskosten deshalb nicht unentgeltlich erfolgt sei, weil der Schuldner und die Beklagte die Gegenleistung in der Verhinderung einer längeren Arbeitsunfähigkeit der Beklagten sowie der damit ua. verbundenen Entgeltfortzahlung gesehen hätten und sich der Schuldner deshalb im eigenen betrieblichen Interesse für die Kostenübernahme entschieden habe.
Auch bei Unterstellung des Vorbringens der Beklagten zu dem zwischen ihr und dem Schuldner beabsichtigten Austauschverhältnis als zutreffend, hat Letzterer mit der Übernahme der Behandlungskosten keine eigene (entgeltliche) Verpflichtung gegenüber der Beklagten erfüllt. Eine solche Obliegenheit behauptet die Beklagte auch nicht. Sie ist lediglich der Ansicht, dass die Übernahme dieser Kosten noch von einer Einschätzungsprärogative des Vorstands des späteren Schuldners gedeckt gewesen sei. Daraus folgt jedoch allenfalls eine Berechtigung, nicht aber eine Verpflichtung des späteren Schuldners zur Kostenübernahme. Ebenso wenig wie eine bloße Hoffnung[4] kann die Annahme einer Berechtigung zur Tilgung einer fremden Schuld die Entgeltlichkeit der Leistung begründen.
Selbst wenn im vorliegenden Einzelfall zugunsten der Beklagten angenommen würde, sie sei so zu stellen, als habe sie die Operationskosten zunächst selbst getragen und diese seien ihr anschließend vom Schuldner erstattet worden, weil der Insolvenzmasse durch die Direktzahlung an das Krankenhaus wegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beklagten bzw. des Krankenhauses kein weitergehender Betrag entzogen worden sei, ändert sich an der Beurteilung nichts. Auch in diesem Fall läge nach den dann Anwendung findenden Grundsätzen der Anfechtung im Zwei-Personen-Verhältnis keine Unentgeltlichkeit vor.
Zwar muss die Gegenleistung, die eine Unentgeltlichkeit iSd. § 134 InsO ausschließt, im Zwei-Personen-Verhältnis keine solche iSd. §§ 320 ff. BGB sein. Vielmehr reicht jeder entsprechend werthaltige Vermögensvorteil, den der Insolvenzschuldner durch die Rechtshandlung erlangt. Insoweit genügt es, wenn beide Teile nach den objektiven Umständen im konkreten Fall von einem Austauschgeschäft ausgehen und zudem in gutem Glauben von der Werthaltigkeit der dem Insolvenzschuldner gewährten Gegenleistung überzeugt sind[5]. Dabei kommt ihnen grundsätzlich auch ein angemessener Beurteilungsspielraum zu. Ihre subjektive Bewertung muss jedoch, um den gesetzlich beabsichtigten Gläubigerschutz nicht zu unterlaufen, nachvollziehbar und realistisch sein[6].
Eine solche Gegenleistung der Beklagten für die Übernahme der Operationskosten durch den Schuldner konnte nicht ihre Unterziehung unter den adipositas-chirurgischen Eingriff sein. Vielmehr gehörten dieser sowie eine anschließende Knieoperation – unbeschadet der rechtlichen Einordnung einer solchen Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien, zu den Grundlagen, die die erwartete Gegenleistung, nämlich ersparte mögliche Ausfallkosten als Folge längerer Arbeitsunfähigkeitszeiten, erst schaffen sollten. Bei den beabsichtigten Operationen handelt es sich um medizinische Maßnahmen, die mit Risiken und Unsicherheiten auch hinsichtlich des von den Parteien angestrebten Erfolgs einhergehen. Die Beurteilung, ob eine unentgeltliche Leistung iSv. § 134 Abs. 1 InsO vorliegt, kann aber nur vor dem Hintergrund des der Norm innewohnenden Gläubigerschutzgedankens erfolgen. Ist wie vorliegend für den Eintritt der erwarteten Gegenleistung die Realisierung mehrerer Vorbedingungen erforderlich, die mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden sind, geht der Insolvenzschuldner im Zeitpunkt seiner Leistung für ihn erkennbar ein nicht absehbares Risiko ein, keine werthaltige Gegenleistung zu erlangen. Damit bilden Vorbereitungshandlungen, die eine Gegenleistung erst ermöglichen sollen, keine hinreichend reale und nachvollziehbare Grundlage für die subjektive Bewertung der Parteien, ob es sich um eine entgeltliche oder unentgeltliche Leistung des Insolvenzschuldners handelt. Hinzu kommt, dass die Beklagte – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat – dem Schuldner gegenüber keine Verpflichtung traf, sich (zeitnah) auch der Knieoperation zu unterziehen, welche letztlich die entscheidende Behandlungsmethode zur Zweckerreichung war. In der Gesamtschau handelt es sich bei den Vorstellungen des Schuldners zum Zeitpunkt seiner Leistungserbringung nur um eine bloße Hoffnung auf eine ungewisse Gegenleistung. Eine solche macht aus einer Zuwendung noch keine entgeltliche Leistung.
Darauf, ob eine tarifliche Verfallklausel auf das Arbeitsverhältnis der Beklagten Anwendung findet, kommt es nicht an. Der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO ist als gesetzliches Schuldverhältnis der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien entzogen. Er unterfällt tariflichen Ausschlussfristen nicht[7].
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Februar 2024 – 6 AZR 125/23
- st. Rspr., vgl. zB BGH 10.03.2022 – IX ZR 4/21, Rn. 10; 29.10.2015 – IX ZR 123/13, Rn. 6; 17.10.2013 – IX ZR 10/13, Rn. 6[↩]
- grundlegend vgl. BGH 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, zu 2 der Gründe, BGHZ 41, 298; vgl. auch BGH 10.03.2022 – IX ZR 4/21, Rn. 34; 16.06.1994 – IX ZR 94/93, zu III 1 der Gründe mwN; 15.12.1982 – VIII ZR 264/81, zu I 2 a der Gründe; KPB/Bork InsO § 134 Stand Juni 2022 Rn. 67 mwN; sh. auch Uhlenbruck/Borries/Hirte 15. Aufl. § 134 InsO Rn. 64[↩]
- vgl. BAG 21.12.2017 – 8 AZR 853/16, Rn. 38, BAGE 161, 245[↩]
- vgl. hierzu BGH 18.04.2013 – IX ZR 90/10, Rn. 9; 13.03.2008 – IX ZR 117/07, Rn. 8; OLG Celle 17.10.1989 – 20 U 25/89 5; K. Schmidt/Ganter/Weinland InsO 20. Aufl. § 134 Rn. 28; MünchKomm-InsO/Kayser/Freudenberg 4. Aufl. § 134 Rn. 23; Uhlenbruck/Borries/Hirte 15. Aufl. § 134 InsO Rn. 21[↩]
- vgl. BGH 20.04.2017 – IX ZR 252/16, Rn. 23, BGHZ 214, 350; MünchKomm-InsO/Kayser/Freudenberg 4. Aufl. § 134 Rn. 17a; Uhlenbruck/Borries/Hirte 15. Aufl. § 134 InsO Rn. 25[↩]
- vgl. zB BAG 17.12.2015 – 6 AZR 186/14, Rn. 13, BAGE 154, 28; 12.09.2013 – 6 AZR 913/11, Rn. 51; BGH 5.03.2015 – IX ZR 133/14, Rn. 49, BGHZ 204, 231[↩]
- vgl. zB BAG 3.07.2014 – 6 AZR 451/12, Rn. 27 mwN; 27.02.2014 – 6 AZR 367/13, Rn. 35; 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, Rn. 17 ff.[↩]








