Führt die Veräußerung eines Vermögensgegenstands zu einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung, stellt dies ein eigenständiges Beweisanzeichen für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung dar.

Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt für den von § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO vorausgesetzten Benachteiligungsvorsatz des Schuldners bedingter Vorsatz[1]. Ein Benachteiligungsvorsatz ist deshalb nicht nur dann gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt hat, sondern auch dann, wenn er lediglich die Benachteiligung als mutmaßliche Folge – sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils – erkannt und gebilligt hat[2].
Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners ist eine innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsache. Er kann daher in aller Regel nur mittelbar aus objektiven (Hilfs)Tatsachen hergeleitet werden. Es ist Aufgabe des Tatrichters, die ihm unterbreiteten Hilfstatsachen auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der mündlichen Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme umfassend und widerspruchsfrei zu würdigen. Dabei hat er die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den für und gegen den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz sprechenden Beweisanzeichen zu berücksichtigen. Die einzelnen Beweisanzeichen dürfen dabei nicht schematisch angewandt werden[3].
Zu den Beweisanzeichen, die für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners sprechen, zählen nicht nur die erkannte drohende[4], die erkannte bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit[5] oder die erkannte insolvenzrechtliche Überschuldung[6]. Auch die Gewährung einer inkongruenten Deckung bei finanziell beengten Verhältnissen kann für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Vorsatz sprechen[7]. Weitere Beweisanzeichen, die für eine Annahme der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO streiten, sind eine durch die angefochtene Rechtshandlung bewirkte unmittelbare Gläubigerbenachteiligung oder die Übertragung des letzten werthaltigen Gegenstands auf einen – womöglich nahestehenden – Dritten[8]. Auch die Gewährung eines Sondervorteils für den Fall der Insolvenz spricht für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis von diesem[9].
Der Katalog der vom Bundesgerichtshof herausgebildeten Beweisanzeichen ist nicht abschließend. Weitere für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sprechende Umstände sind denkbar; und vom Tatrichter in die in jedem Einzelfall vorzunehmende Gesamtwürdigung einzubeziehen. Die in Betracht kommenden Beweisanzeichen betreffen zum einen die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung. Erkennt ein Schuldner, dass er aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht mehr alle seine Gläubiger wird befriedigen können, kann die Erfüllung einzelner Gläubigerforderungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen sein. Es ist aber nicht nur die wirtschaftliche Lage des Schuldners in den Blick zu nehmen. Auch Art und Weise der angefochtenen Rechtshandlung können für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO sprechen. Insbesondere zu Vermögensverschiebungen, die zur Benachteiligung der Gläubigergesamtheit vorgenommen werden, kann es bereits im Vorfeld einer wirtschaftlichen Krise kommen[10]. Deshalb hat der Tatrichter neben den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners auch die Umstände in seine Würdigung einzubeziehen, unter denen die angefochtene Rechtshandlung vorgenommen worden ist. Zu diesen Umständen zählen etwa die Gewährung einer inkongruenten Deckung, die Bewirkung einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung und die Übertragung von Vermögensgegenständen an nahestehende Dritte[11].
Die Umstände, unter denen die angefochtene Rechtshandlung vorgenommen worden ist, können die Annahme der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung für sich genommen rechtfertigen[10]. Gleiches gilt für die wirtschaftliche Lage des Schuldners. Die Krise kann erkanntermaßen derart fortgeschritten gewesen sein, dass allein darauf eine im Sinne des § 286 ZPO hinreichende Überzeugung vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und von der Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Vorsatz gestützt werden kann. Die notwendige Überzeugung kann sich aber auch erst in einer Zusammenschau der wirtschaftlichen Lage und der Umstände ergeben, unter denen die angefochtene Rechtshandlung vorgenommen worden ist. Der Tatrichter darf deshalb seine Würdigung nicht auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners beschränken, erst recht nicht auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit[12].
Geht es im Insolvenzanfechtungsprozess um die erkannte Zahlungsunfähigkeit, wird diese häufig über die gesetzliche Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO zu erschließen sein[13].
Entscheidend für die Annahme einer Zahlungseinstellung im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ist die am Beweismaß des § 286 ZPO zu messende, in umfassender und widerspruchsfreier Würdigung des Prozessstoffs zu gewinnende Überzeugung, der Schuldner könne aus Mangel an liquiden Zahlungsmitteln nicht zahlen. Eine besonders aussagekräftige Grundlage für diese Überzeugung ist die eigene Erklärung des Schuldners. Erklärt der Schuldner, eine fällige und nicht unbeträchtliche Verbindlichkeit binnen drei Wochen nicht – und zwar auch nicht nur ratenweise – begleichen zu können, wird in aller Regel von einer Zahlungseinstellung des Schuldners im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung auszugehen sein. Dies gilt erst recht, wenn der Schuldner darüber hinaus ausdrücklich erklärt, zahlungsunfähig zu sein. Fehlt es an einer (ausdrücklichen) Erklärung des Schuldners, müssen die für eine Zahlungseinstellung sprechenden Umstände ein der Erklärung entsprechendes Gewicht erreichen. Zahlungsverzögerungen allein, auch wenn sie wiederholt auftreten, reichen dafür häufig nicht. Es müssen dann Umstände hinzutreten, die mit hinreichender Gewissheit dafürsprechen, dass die Zahlungsverzögerung auf der fehlenden Liquidität des Schuldners beruht[14].
Die zusätzlich erforderlichen Umstände können darin zu sehen sein, dass der Schuldner Forderungen solcher Gläubiger nicht begleicht, auf deren (weitere) Leistungserbringung er zur Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebs angewiesen ist. Ferner kann der Mahn- und/oder Vollstreckungsdruck des Gläubigers der Zahlungsverzögerung ein größeres Gewicht verleihen. Ein schematisches Vorgehen verbietet sich auch hier. Maßgebend ist, dass die zusätzlichen Umstände im konkreten Einzelfall ein Gewicht erreichen, das der Erklärung des Schuldners entspricht, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können[15].
Eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung dauert fort, bis der Schuldner seine Zahlungen im Allgemeinen wieder aufnimmt. Im Allgemeinen wiederaufgenommen sind die Zahlungen nicht schon dann, wenn die Verbindlichkeit, deren Nichtbedienung die Feststellung der Zahlungseinstellung trägt, nicht mehr herangezogen werden kann, weil sie etwa erfüllt oder gestundet worden ist. Zusätzlich erforderlich ist, dass der Schuldner (jedenfalls) den wesentlichen Teil seiner übrigen Verbindlichkeiten bedient. Mit Urteil vom 06.05.2021[16] hat der Bundesgerichtshof den Anwendungsbereich der Fortdauervermutung beschränkt. Stärke und Dauer der Vermutung hängen nunmehr davon ab, in welchem Ausmaß die Zahlungsunfähigkeit zutage getreten ist[17].
Greift die Fortdauervermutung ein, hat im Grundsatz der Anfechtungsgegner die allgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen darzulegen und zu beweisen[18]. Diesen Grundsatz hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 10.02.2022[19] durch eine unter bestimmten Voraussetzungen eingreifende sekundäre Darlegungslast des Insolvenzverwalters beschränkt.
Die Veräußerung eines Gegenstands der künftigen Masse unter Wert kann eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO begründen[20], wenn die objektive Gläubigerbenachteiligung ohne das Hinzutreten weiterer Umstände schon mit der Vornahme der Rechtshandlung eingetreten ist Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ein eigenständiges – wenn auch für sich genommen nicht ausreichendes – Beweisanzeichen für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung[21]. Der Schluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erfordert eine Gesamtwürdigung der das Rechtsgeschäft begleitenden Umstände[22].
Eine der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 138 BGB entlehnte 90 %-Grenze[23] gilt für die Prüfung des Benachteiligungsvorsatzes nach § 133 Abs. 1 InsO nicht. Insbesondere schließt eine Unterschreitung der Grenze den Benachteiligungsvorsatz nicht aus.
Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird vermutet, dass der Gläubiger den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners kannte, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Rechtshandlung die Gläubiger benachteiligte. Nach § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit die eingetretene, wenn die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte. Die erste Voraussetzung des Vermutungstatbestands ist erfüllt, wenn der Gläubiger in den nach § 140 InsO maßgeblichen Zeitpunkten Umstände kannte, die mit der von § 286 ZPO vorausgesetzten Gewissheit auf die (drohende) Zahlungsunfähigkeit oder die Zahlungseinstellung des Schuldners schließen ließen. Das Wissen um die Benachteiligung der (übrigen) Gläubiger, die zweite Voraussetzung des Vermutungstatbestands, wird durch die Kenntnis von drohender oder bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit indiziert, wenn der Anfechtungsgegner weiß, dass es noch andere Gläubiger gibt, deren Forderungen vom Schuldner nicht vollständig bedient werden. Mit letzterem muss ein Gläubiger rechnen, wenn der Schuldner unternehmerisch tätig ist[24]. Die Voraussetzungen des Vermutungstatbestands sind von der Neuausrichtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht betroffen[25].
Die Annahme des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erkanntermaßen zahlungsunfähig war[5].
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Februar 2024 – IX ZR 226/20
- BGH, Urteil vom 27.05.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 84; vom 12.10.2017 – IX ZR 50/15, WM 2017, 2322 Rn. 9; vom 03.03.2022 – IX ZR 78/20, BGHZ 233, 70 Rn. 17[↩]
- BGH, Urteil vom 10.07.2014 – IX 280/13, WM 2014, 1868 Rn. 17 mwN; vom 12.10.2017, aaO[↩]
- BGH, Urteil vom 06.05.2021 – IX ZR 72/20, BGHZ 230, 28 Rn. 11 f mwN; st. Rspr.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.03.2022 – IX ZR 78/20, BGHZ 233, 70 Rn. 54[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 06.05.2021 – IX ZR 72/20, BGHZ 230, 28 Rn. 30 ff[↩][↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.03.2022 – IX ZR 53/19, ZInsO 2022, 716 Rn. 14 ff[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.09.2020 – IX ZR 174/19, ZInsO 2020, 2274 Rn. 18, 20 ff[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.09.2020, aaO Rn. 18, 38 ff[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2017 – IX ZR 288/14, BGHZ 216, 136 Rn. 53[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2021 – IX ZR 266/19, ZInsO 2021, 1454 Rn. 18 f[↩][↩]
- BGH, Urteil vom 03.03.2022 – IX ZR 53/19, ZInsO 2022, 716 Rn. 12[↩]
- BGH, Urteil vom 03.03.2022 – IX ZR 53/19, ZInsO 2022, 716 Rn. 13[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 06.05.2021 – IX ZR 72/20, BGHZ 230, 28 Rn. 41[↩]
- BGH, Urteil vom 06.05.2021 – IX ZR 72/20, BGHZ 230, 28 Rn. 41[↩]
- BGH, Urteil vom 06.05.2021 – IX ZR 72/20, BGHZ 230, 28 Rn. 42[↩]
- BGH, Urteil vom 06.05.2021 – IX ZR 72/20, BGHZ 230, 28 Rn. 43 ff[↩]
- BGH, Urteil vom 10.02.2022 – IX ZR 148/19, ZInsO 2022, 762 Rn. 17[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 06.12.2012 – IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 33; vom 25.02.2016 – IX ZR 109/15, WM 2016, 560 Rn. 24; vom 24.03.2016 – IX ZR 242/13, WM 2016, 797 Rn. 11[↩]
- BGH, Urteil vom 10.02.2022 – IX ZR 148/19, ZInsO 2022, 762 Rn. 18 f[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2008 – IX ZR 79/07, NZI 2009, 239 Rn. 11[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.09.2020 – IX ZR 174/19, NZI 2020, 1101 Rn. 41[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2008, aaO Rn. 18[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2014 – V ZR 249/12, WM 2014, 1440 Rn. 8[↩]
- BGH, Urteil vom 06.05.2021 – IX ZR 72/20, BGHZ 230, 28 Rn. 50 f mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 12.01.2023 – IX ZR 71/22, ZInsO 2023, 785 Rn. 2[↩]