Insolvenzanfechtungen, der Insolvenzplan – und das neuerliche Insolvenzverfahren

Wird der Insolvenzverwalter im Insolvenzplan ermächtigt, anhängige Anfechtungsklagen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortzuführen, werden diese Prozesse durch die Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners unterbrochen. Der Verwalter in dem neuen Insolvenzverfahren kann den Rechtsstreit aufnehmen. Wird der Insolvenzverwalter im Insolvenzplan ermächtigt, anhängige Anfechtungsklagen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortzuführen, fallen die geltend gemachten Ansprüche in die Masse, wenn vor vollständiger Erfüllung des Plans ein neues Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird.

Insolvenzanfechtungen, der Insolvenzplan – und das neuerliche Insolvenzverfahren

Die Insolvenzverwalterin ist nun als Verwalterin in dem zweiten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin prozessführungsbefugt, weil sie den zuvor von ihr mit Prozessführungsbefugnis gemäß § 259 Abs. 3 InsO auch nach Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens geführten Anfechtungsrechtsstreit nach dessen Unterbrechung durch die Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens als Verwalterin in diesem Verfahren gemäß § 85 InsO wirksam aufgenommen hat.

Sie war zunächst als Verwalterin in dem ersten Insolvenzverfahren nach dessen Aufhebung nach § 259 Abs. 3 InsO prozessführungsbefugt. § 259 Abs. 3 InsO verleiht dem Insolvenzverwalter nach Bestätigung des Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Befugnis, einen anhängigen Anfechtungsrechtsstreit fortzuführen, wenn dies im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen ist. Zwar kann die Insolvenzanfechtung als spezifisches Instrument des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nur während der Dauer des Insolvenzverfahrens ausgeübt werden. Nach § 259 Abs. 3 InsO kann jedoch aufgrund einer Entscheidung der Gläubiger im Insolvenzplan die Prozessführungsbefugnis des Verwalters für schwebende Verfahren über die Dauer des Insolvenzverfahrens hinaus aufrechterhalten werden.

Durch die Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens war der vorliegende Rechtsstreit entsprechend § 240 ZPO unterbrochen, weil er die Insolvenzmasse dieses Insolvenzverfahrens betrifft.

Allerdings legt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei § 240 ZPO grundsätzlich den formellen Parteibegriff zugrunde. Es muss das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Prozesspartei eröffnet worden sein. Das war vorliegend nicht der Fall. § 240 ZPO muss aber entsprechend angewandt werden, wenn, wie hier, die Prozessführungsbefugnis des Prozessstandschafters der Partei mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht entfällt.

Nach § 259 Abs. 3 Satz 2 InsO wird der fortgeführte Anfechtungsprozess auf Rechnung des Schuldners geführt, wenn im Plan keine abweichende Regelung getroffen wird. In diesem Fall ist der Insolvenzverwalter als gewillkürter Prozessstandschafter des Schuldners tätig. Ist dagegen im Plan eine abweichende Regelung getroffen, kommt auch eine gewillkürte Prozessstandschaft für die Gläubiger oder eine gesetzliche Prozessstandschaft in Betracht. Im vorliegenden Fall ist eine abweichende Regelung zum Teil, nämlich hinsichtlich des Erlöses getroffen, der den Gläubigern zustehen sollte.

Jedenfalls ist die im Insolvenzplan nach § 259 Abs. 3 InsO begründete gewillkürte Prozessstandschaft der Klägerin als Verwalterin im ersten Insolvenzverfahren nicht gemäß §§ 115, 116 InsO erloschen, weil der Auftrag nicht vom Schuldner erteilt wurde. Die Klage wurde durch die Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens nicht unzulässig, sie kann nicht abgewiesen werden. Dann aber wird der Rechtsstreit in entsprechender Anwendung des § 240 ZPO unterbrochen. Dies entspricht dem Rechtsgedanken des § 17 AnfG, der für den parallel gelagerten Fall eines anhängigen Prozesses über eine Gläubigeranfechtung ausdrücklich die Unterbrechung des Prozesses anordnet, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 AnfG kann der Insolvenzverwalter den Rechtsstreit aufnehmen.

Vorliegend ist im Insolvenzplan bei der Bestimmung der Masse geregelt, dass von den Erlösen aus den Anfechtungsprozessen die Rechtsverfolgungskosten abzuziehen sind. Es sind jedoch keine Rückstellungen gebildet für die Kosten verlorener Prozesse, die aus den Erlösen gewonnener Prozesse nicht gedeckt sind. Diese sind folglich gemäß § 259 Abs. 3 Satz 2 InsO von der Schuldnerin zu tragen. Diese gesetzliche Zahlungspflicht der Schuldnerin trifft, wenn über ihr Vermögen zwischenzeitlich ein neues Insolvenzverfahren eröffnet wird, die Insolvenzmasse, aus der der Anspruch – sei es womöglich auch nur in Höhe einer Quote – zu befriedigen ist. Nach dem Zweck des § 240 ZPO muss deshalb der Rechtsstreit unterbrochen werden, weil andernfalls der Insolvenzverwalter des ersten Verfahrens zu Lasten und auf Risiko der Masse des neuen Insolvenzverfahrens weiter prozessieren könnte.

Im Falle des Obsiegens fällt der Erlös aus dem Prozess in die Masse des neuen Insolvenzverfahrens und nicht den Gläubigern des ersten Insolvenzverfahrens zur Verteilung gemäß den Bestimmungen des Insolvenzplans zu. Der Insolvenzplan kann zwar nicht als privatrechtlicher Vergleich der Gläubiger mit dem Schuldner angesehen werden, schon weil der Wille einzelner Gläubiger durch Mehrheitsentscheidungen überwunden werden kann (vgl. §§ 244 ff InsO)). Der Insolvenzplan ist vielmehr ein spezifisch insolvenzrechtliches Instrument, mit dem die Gläubigergesamtheit die Befriedigung aus dem Schuldnervermögen organisiert. Die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Verfahrensabwicklung und die Haftung des Schuldners können hier gemäß § 217 InsO abweichend von der Insolvenzordnung geregelt werden. Das gilt jedoch naturgemäß nur für das Insolvenzverfahren, in welchem der Insolvenzplan angenommen und bestätigt wird. Regelungen für spätere Insolvenzverfahren desselben Schuldners können nicht getroffen werden.

Wird, wie im vorliegenden Fall, vor vollständiger Erfüllung des Planes über das Vermögen des Schuldners ein neues Insolvenzverfahren eröffnet, so sind gemäß § 255 Abs. 2 InsO die Stundungen oder die (Teil)Erlasse, die im Insolvenzplan vorgesehen sind, für alle Gläubiger hinfällig. Denn diese sollen in einem neuen Insolvenzverfahren gegenüber neuen Gläubigern nicht schlechter gestellt werden, etwa indem sie lediglich eine Quote auf ihre frühere Quote nach dem Plan erhalten. Im Übrigen bleibt aber der Insolvenzplan im Grundsatz bestehen, sofern in ihm nicht etwas anderes bestimmt ist.

Demgemäß bleiben auch die Anfechtungsmöglichkeiten weiter bestehen, die gemäß § 259 Abs. 3 InsO aufrechterhalten wurden. Es wäre mit Sinn und Zweck der Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahrens unvereinbar, bei Eröffnung bereits bestehende und geltend gemachte Anfechtungsmöglichkeiten entfallen zu lassen (vgl. § 17 Abs. 1 AnfG). Dass dieselben Rechtshandlungen gegebenenfalls ganz oder teilweise auch im neuen Insolvenzverfahren anfechtbar wären, ändert daran nichts.

Mit der Eröffnung des neuen Insolvenzverfahrens gehen die Befugnisse des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, gemäß § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter über. Das gilt auch bezüglich der sich aus dem Insolvenzplan noch ergebenden Rechte und Pflichten. Für eine gesonderte Planüberwachung gemäß § 260 InsO ist daneben kein Raum. Diese endet vielmehr mit Eröffnung des neuen Insolvenzverfahrens und ist aufzuheben. Dementsprechend ist im Streitfall die Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans mit Beschluss vom 04.07.2011 aufgehoben worden.

Die Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen gemäß § 259 Abs. 3 InsO ist zwar von Gesetzes wegen nicht notwendig mit einer Planüberwachung verbunden. Für sie kann aber nichts anderes gelten. Es ist für den Verwalter des neu eröffneten Insolvenzverfahrens eine zentrale Aufgabe, Anfechtungsansprüche geltend zu machen. Viele der schon im Rahmen des ersten Insolvenzverfahrens angefochtenen Rechtshandlungen können auch im neuen Verfahren anfechtbar sein. Da die nicht befriedigten Insolvenzgläubiger des ersten Insolvenzverfahrens nunmehr auch Insolvenzgläubiger des neuen Insolvenzverfahrens sind und in diesem quotenmäßig befriedigt werden, besteht kein Grund, die Insolvenzanfechtungsansprüche aus dem ersten Insolvenzverfahren gesondert abzuwickeln und die damaligen Insolvenzgläubiger daraus gesondert zu befriedigen. Dies liefe im Kern auf die Abwicklung von zwei parallelen Insolvenzverfahren in einen Teilbereich hinaus, die schon deshalb nicht zu rechtfertigen ist, weil es an zwei getrennten Insolvenzmassen fehlt. In das neue Insolvenzverfahren sind alle Altverbindlichkeiten des Schuldners einbezogen. Altgläubiger, soweit sie im Rahmen des Insolvenzplans befriedigt wurden, können ihrerseits insolvenzrechtlichen Anfechtungen ausgesetzt sein. Dann müssen umgekehrt die aus dem ersten Insolvenzverfahren fortbestehenden Anfechtungsansprüche ebenfalls zur Masse des neuen Insolvenzverfahrens gehören, aus dem auch die Altgläubiger (anteilig) befriedigt werden.

Ein Nebeneinander zweier Verfahren zur Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen und Verteilung der hieraus gewonnenen Beträge würde schließlich zu kaum lösbaren Abgrenzungsproblemen führen. Ist ein Anfechtungsanspruch allerdings bereits im Rahmen des Planverfahrens erfolgreich rechtskräftig durchgesetzt worden, kommt wegen desselben Vorgangs ein neuer Anspruch gegen den Anfechtungsgegner auf Rückgewähr zur Masse im neuen Insolvenzverfahren nicht mehr in Betracht.

Fällt aber der nach § 259 Abs. 3 InsO geltend gemachte Anfechtungsanspruch in die Masse des neu eröffneten Insolvenzverfahrens, muss der bereits anhängige Rechtsstreit entsprechend § 240 ZPO durch die Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens unterbrochen werden, damit der Insolvenzverwalter in diesem Verfahren prüfen kann, ob er den Prozess gemäß § 85 InsO aufnehmen will. Er kann nicht, etwa durch die Annahme eines gesetzlichen Parteiwechsels, gezwungen werden, nicht Erfolg versprechende Prozesse zu Lasten der Masse des zweiten Insolvenzverfahrens fortzuführen.

Vorliegend hat die Klägerin als Verwalterin im neuen Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin den Rechtsstreit wirksam nach § 85 InsO, jedenfalls in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift, aufgenommen. Die Klägerin hat mehrfach erklärt, dass sie den Prozess als Verwalterin in dem neuen Insolvenzverfahren fortführen will, und damit den Rechtsstreit gemäß § 85 ZPO aufgenommen.

Der streitgegenständliche Anfechtungsanspruch gehört zur Masse des zweiten Insolvenzverfahrens. Der Rechtsstreit wurde zwar zuvor nicht von der Schuldnerin geführt, aber gemäß § 259 Abs. 3 Satz 2 InsO teilweise auf deren Rechnung, teilweise für die Gläubiger. Für diesen Fall ist § 85 InsO entsprechend anwendbar. Die Klägerin als Verwalterin in dem neuen Insolvenzverfahren muss die Möglichkeit haben, den Prozess selbst zu führen und die in die Masse fallenden Anfechtungsansprüche geltend zu machen. Müsste sie weiterhin in gewillkürter Prozessstandschaft aus dem Insolvenzplan klagen, müsste sie Leistung an sich als Verwalterin im neuen Insolvenzverfahren verlangen. Das führte zum selben Ergebnis, wäre aber bei personenverschiedenen Verwaltern für die Masse unzweckmäßig. Jedenfalls könnte der Verwalter in dem neuen Verfahren den Auftrag zur gewillkürten Prozessstandschaft jederzeit kündigen und die Prozessführung an sich ziehen. Derart unterschiedliche Verfahrensweisen sind abzulehnen. Die Lösung kann sich auch insoweit an der Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 2 AnfG orientieren.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Januar 2014 – IX ZR 209/11