Ein Schuldner handelt bei einem Bargeschäft unlauter, wenn es sich weniger um die Abwicklung eines Bargeschäfts handelt als vielmehr um ein die übrigen Gläubiger gezielt schädigendes Verhalten. Dies kommt in Betracht, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO das Bargeschäft zu einer gezielten Benachteiligung anderer Gläubiger führt oder dazu genutzt wird, den Empfänger gegenüber anderen Gläubigern gezielt zu bevorzugen. Ein unlauteres Handeln liegt nicht schon dann vor, wenn der Schuldner fortlaufend Verluste erwirtschaftet.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat der Insolvenzverwalter über das am 1.11.2019 eröffnete Vermögen einer GmbH & Co. KG gegen einen der drei Kommanditisten, die mit einer Einlage von jeweils 500 € an der KG beteiligt sind. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH & Co. KG wurde auf deren Eigenantrag am 1.11.2019 eröffnet. Die GmbH & Co. KG war als Dienstleisterin für Bauvorhaben ausführende Projektgesellschaften tätig. Sie arbeitete von Anfang an nicht rentabel. Die fälligen Verbindlichkeiten überstiegen jeweils die liquiden Mittel. Der Kommanditist übernahm aufgrund einer Vereinbarung mit der GmbH & Co. KG seit Beginn des Jahres 2017 die gesamte Bauleitung und Baubetreuung für die von der GmbH & Co. KG zu betreuenden Bauvorhaben. Die Leistungen wurden im auf die Leistungserbringung folgenden Monat abgerechnet und bezahlt. Am 31.01.2019 stellte H. der GmbH & Co. KG eine Rechnung für Materiallieferungen, die sich unter Berücksichtigung von Abschlagszahlungen auf eine Restforderung von 41.601, 65 € belief, sowie eine weitere Rechnung über 2.302, 25 €. H. mahnte die Forderungen wiederholt an und kündigte mit Schreiben vom 17.05.2019 die Erhebung einer Zahlungsklage an. Mit Schreiben vom 29.05.2019 wies der Geschäftsführer der GmbH & Co. KG die Gesellschafter, darunter den Kommanditisten, darauf hin, dass es wegen Verzögerungen im Baufortschritt umfassender Vereinbarungen der GmbH & Co. KG und ihrer Projektgesellschaften mit allen Gläubigern der Gesellschaften hinsichtlich der Bestandsverbindlichkeiten sowie hinsichtlich der Sicherstellung der Liquidität der Gesellschaften bedürfe. Für die GmbH & Co. KG bestehe ein kurzfristiger Liquiditätsbedarf von 600.000 €, darunter 275.000 € zur quotalen Bedienung von Bestandsverbindlichkeiten, der voraussichtlich nicht durch Zuflüsse aus Bauvorhaben gedeckt sein werde. Die Kommanditisten wurden aufgefordert, bis spätestens 11.07.2019 jeweils 200.000 € einzuzahlen, um einen geordneten Geschäftsbetrieb gewährleisten zu können. Bis zur Bereitstellung der Liquidität beziehungsweise zur Gesellschafterversammlung am 11.07.2019 würden weder Zahlungen an einzelne Gläubiger geleistet noch neue Verbindlichkeiten begründet. Der beklagte Kommanditist entsprach der Zahlungsaufforderung nicht. Der Kommanditist stellte der GmbH & Co. KG für die von ihm im Monat April 2019 erbrachten Leistungen am 3.05.2019 insgesamt 31.414, 63 € und für die im Monat Mai 2019 erbrachten Leistungen am 4.06.2019 weitere 32.184, 91 € in Rechnung. Die GmbH & Co. KG nahm – entgegen ihrer Ankündigung – am 31.05.2019 und am 21.06.2019 Zahlungen von 127.728, 98 € und 60.911, 55 € vor, mit denen sie unter anderem die beiden Rechnungen des Kommanditisten vollständig bezahlte. Zudem zahlte die GmbH & Co. KG am 12.06.2019 an H. auf dessen erste Rechnung 20.000 €; die zweite Rechnung beglich sie vollständig. Zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags standen von den Forderungen des H. noch 24.817, 54 € offen.
Der Insolvenzverwalter begehrt – soweit hier noch von Interesse im Wege der Anfechtung Erstattung der beiden Zahlungen an den Kommanditisten. Er behauptet, die GmbH & Co. KG sei spätestens im März 2019 zahlungsunfähig gewesen und habe mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt, welchen der Kommanditist gekannt habe. Die Zahlungen seien wegen der dauerhaft unrentablen Wirtschaftsweise der GmbH & Co. KG anfechtbar. Der Insolvenzverwalter ist weiter der Ansicht, dass die Zahlungen an den Kommanditisten unlauter gewesen seien. Dies sei dem Kommanditisten bekannt gewesen.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Magdeburg hat der Klage bis auf einen geringen Teil der Nebenforderungen stattgegeben[1]. Auf die Berufung des Kommanditisten hat das Oberlandesgericht Naumburg die Klage hinsichtlich der Zahlungen vom 31.05.2019; und vom 21.06.2019 abgewiesen[2]. Die hiergegen gerichtete Revision des Insolvenzverwalters hat der Bundesgerichtshof als unbegründet abgewiesen. Zu Recht nehme das Oberlandesgericht Naumburg an, dass die Zahlungen an den Kommanditisten weder nach § 130 Abs. 1 InsO noch nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar sind, weil ein Bargeschäft nach § 142 Abs. 1 InsO in der hier anwendbaren Fassung vom 05.04.2017 (vgl. Art. 103j EGInsO) vorliege. Ein unlauteres Handeln der GmbH & Co. KG habe das Oberlandesgericht Naumburg rechtsfehlerfrei verneint:
Zutreffend nimmt das Oberlandesgericht Naumburg an, dass eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO ausscheidet, weil es sich um ein Bargeschäft gemäß § 142 Abs. 1 InsO handelt.
Es liegt ein unmittelbarer Austausch von Leistung und Gegenleistung vor, der nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgte (§ 142 Abs. 2 Satz 1 InsO). Die GmbH & Co. KG bezahlte die erbrachten Dienstleistungen des Kommanditisten aufgrund der monatlich unmittelbar nach der Leistungserbringung erfolgten Rechnungsstellung jeweils innerhalb von 30 Tagen.
Das Oberlandesgericht Naumburg stellt weiter fest, dass für die Leistung der GmbH & Co. KG unmittelbar eine objektiv gleichwertige Gegenleistung des Kommanditisten in das Vermögen der GmbH & Co. KG geflossen ist. Die Revision nimmt diese Feststellung im Ausgangspunkt hin, meint allerdings, Leistungen, die einer dauerhaft defizitären Unternehmensführung dienten, seien – normativ haftungsrechtlich betrachtet – nicht gleichwertig[3]. Diesem Ansatz kann nicht gefolgt werden. Die Frage der Gleichwertigkeit ist vielmehr nach objektiven Maßstäben zu bestimmen, ohne dass nach dem Abnehmer zu differenzieren wäre[4]. Die Regelungen zum Bargeschäft wollen einem Schuldner in der Krise die Teilnahme am Rechtsverkehr ermöglichen[5].
Weiter verneint das Oberlandesgericht Naumburg rechtsfehlerfrei eine Anfechtung des Bargeschäfts nach § 133 Abs. 1 InsO. Zwar hat die GmbH & Co. KG die Zahlungen nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Naumburg mit dem dem Kommanditisten bekannten Vorsatz, ihre Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen. Hiergegen erheben die Parteien keine Einwände. Es fehlt jedoch an der nach § 142 Abs. 1 InsO für eine Anfechtung eines Bargeschäfts nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Unlauterkeit des schuldnerischen Handelns.
Gemäß § 142 Abs. 1 InsO in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29.03.2017[6] ist ein Bargeschäft nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 InsO gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.
In der Literatur ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen ein unlauteres Handeln des Schuldners anzunehmen ist. Einigkeit besteht nur insoweit, dass Handlungen, die einer gezielten Benachteiligung von Gläubigern dienen, unlauter sind. In Anlehnung an die Gesetzesbegründung werden als Beispiele insbesondere die Vermögensverschleuderung für flüchtige Luxusgüter ohne Nutzen für die Gläubiger oder die Abstoßung von für die Unternehmensfortführung notwendigem Betriebsvermögen in der Absicht, den Gegenwert den Gläubigern zu entziehen, genannt[7]. Umstritten ist, ob unterhalb dieser Schwelle Unlauterkeit zu bejahen ist.
Teilweise wird die Auffassung vertreten, das neue Tatbestandsmerkmal habe gegenüber der früheren Rechtslage keine sachliche Änderung mit sich gebracht. Letztlich seien Ansätze, das Unlauterkeitsmerkmal (objektiv oder subjektiv) zu definieren, Umschreibungen dafür, dass der Schuldner bei Vornahme der Leistungshandlung erkenne und für möglich halte, dass trotz des gleichwertigen Leistungsaustauschs ein mittelbarer Nachteil für die Insolvenzgläubiger eintreten könne, und dies billigend in Kauf nehme[8].
Andere nehmen Unlauterkeit nur an, wenn der Schuldner hinsichtlich des Benachteiligungsvorsatzes mit dolus directus – und nicht nur mit dolus eventualis – handelt[9].
Wieder andere bejahen Unlauterkeit, wenn Schuldner und Empfänger wissen, dass die Zahlung zu einer Insolvenzverschleppung führt und dadurch andere Gläubiger Quotennachteile erleiden[10]. Der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht sei strafbewehrt (§ 15a InsO); Gesellschaftsorganen sei bei Zahlungsunfähigkeit die Leistung von Zahlungen untersagt (§ 15b InsO). Diese gesetzlichen Wertungen zwängen dazu, bei Verstößen hiergegen Unlauterkeit anzunehmen. Daraus folge, dass ein Anfechtungsgegner, der die Insolvenzverschleppung durch Weiterbelieferung des Schuldners fördere und davon profitiere, nicht ungeschoren davonkommen dürfe; Leistungen an ein dauerhaft unrentables Unternehmen seien daher vom Bargeschäftsprivileg nicht geschützt[11]. Damit sei im Ergebnis an der Rechtsprechung zu § 142 InsO in der Fassung bis zum 4.04.2017 festzuhalten, wonach ein anfechtungsfestes Rechtsgeschäft ausscheide, wenn zwar im unmittelbaren Zusammenhang mit der potentiell anfechtbaren Rechtshandlung eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelange, also ein Leistungsaustausch ähnlich einem Bargeschäft stattfinde, der Schuldner jedoch wisse, dass er trotz Belieferung zu marktgerechten Preisen fortlaufend unrentabel arbeite und deshalb bei Fortführung seines Geschäfts weitere Verluste anhäufe, die die Befriedigungschancen der Gläubiger weiter minderten, ohne dass auf längere Sicht Aussicht auf Ausgleich bestehe[12]. Dem wird entgegengehalten, dass es erklärter Wille des Gesetzgebers sei[13], in bewusster Abkehr von dieser Rechtsprechung Bargeschäfte auch dann anfechtungsfest zu stellen, wenn der Schuldner erkannt habe, dass die Betriebsfortführung verlustträchtig sei[14].
Richtigerweise handelt der Schuldner bei einem Bargeschäft dann unlauter, wenn es sich weniger um die Abwicklung von Bargeschäften handelt als vielmehr um ein die übrigen Gläubiger gezielt schädigendes Verhalten. Dies kommt in Betracht, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO das Bargeschäft zu einer gezielten Benachteiligung anderer Gläubiger führt oder dazu genutzt wird, den Empfänger gegenüber anderen Gläubigern gezielt zu bevorzugen.
Dies ergibt sich für den Bundesgerichtshof aus der Auslegung des Gesetzes. Der Begriff des unlauteren Handelns verlangt eine über den Benachteiligungsvorsatz hinausgehende Bewertung des schuldnerischen Verhaltens.
Das Merkmal der Unlauterkeit knüpft nach der Gesetzesbegründung an die Rechtsprechung zur Benachteiligungsabsicht nach § 31 Nr. 1 KO an[15]. Danach war Benachteiligungsabsicht in Fällen, in denen der Anfechtungsgegner nur erhielt, was ihm rechtlich gebührte, insbesondere dann anzunehmen, wenn sich ergab, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Pflichten oder auf Erlangung weiterer Kredite ankam, sondern mehr auf die Schädigung der übrigen Gläubiger[16]. Eine Handlung, durch die einer Rechtspflicht genügt werde, könne durch den Zweck, auf den sie gerichtet sei, unlauteren Charakter bekommen. In solchen Fällen sei das die Handlung des Schuldners bestimmende Motiv maßgebend für ihre Charakterisierung. Dieses Motiv müsse unter Würdigung der gesamten Tatumstände festgestellt werden[17].
Diese Einschränkung der Vorsatzanfechtung von Bargeschäften ist vom Gesetzgeber angestrebt[18]; sie verringert Anfechtungsrisiken und stärkt das Vertrauen in die Rechtsbeständigkeit von Geschäften mit Schuldnern in der Krise. Das Merkmal des unlauteren Handelns erfordert mehr als das Bewusstsein, nicht mehr in der Lage zu sein, alle Gläubiger befriedigen zu können. Dies ergibt sich gesetzessystematisch daraus, dass anderenfalls dem vom Gesetzgeber bewusst neu eingeführten Tatbestandsmerkmal unlauteren Handelns kein eigenständiger Regelungsgehalt neben den für den Ausschluss eines Bargeschäfts weiterhin vorgesehenen Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung zukäme.
Daran gemessen kommt unlauteres Verhalten in verschiedenen Fallgestaltungen in Betracht.
- Unlauter kann ein bargeschäftlicher Leistungsaustausch für Gegenleistungen sein, die nicht zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich sind. Dies kommt etwa wegen einer gezielten Benachteiligung der Gläubigergesamtheit insbesondere bei einem bargeschäftlichen Einsatz von Vermögen für Leistungen in Betracht, die den Gläubigern unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt nutzen können, etwa bei Ausgaben für flüchtige Luxusgüter oder der Abstoßung von für die Betriebsfortführung notwendigem Vermögen, wenn der Schuldner den Gegenwert entziehen will[19].
- Eine gezielte Benachteiligung von Gläubigern und damit unlauteres Handeln kann ferner vorliegen, wenn es dem Schuldner (statt auf die Erfüllung einer bestehenden vertraglichen Pflicht aus dem Bargeschäft) auf die Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers ankommt. Dies hat die Rechtsprechung bejaht, wenn ein Schuldner zahlt, um den Gläubiger von der Stellung eines Insolvenzantrags abzuhalten[20]. Gleiches kann gelten, wenn ein bargeschäftlicher Leistungsaustausch im Vorfeld eines als unabwendbar erkannten; und vom Schuldner beabsichtigten Insolvenzantrags erfolgt[21]. Schließlich kann ein bargeschäftlicher Leistungsaustausch für eine Sanierungsberatung für einen untauglichen Sanierungsversuch ein unlauteres Handeln des Schuldners erfüllen[22].
- Ein unlauteres Verhalten kommt weiter in Betracht, wenn der Schuldner Bargeschäfte mit nahestehenden Personen (§ 138 InsO) vornimmt und der Schuldner diese nahestehenden Personen insoweit anders behandelt als andere Gläubiger. Dann sprechen die objektiven Umstände dafür, dass bestimmendes Motiv für die Erfüllung der Forderung das persönliche oder gesellschaftsrechtliche Näheverhältnis ist. Eine gezielte Bevorzugung eines Gläubigers zum Schaden der anderen Gläubiger kann ferner dann vorliegen, wenn diesem gezielt letzte Vermögenswerte übertragen werden. Denkbar ist ein unlauteres Handeln des Schuldners schließlich, wenn der bargeschäftliche Leistungsaustausch zwischen verbundenen Unternehmen dazu eingesetzt wird, Waren und Leistungen an den Schuldner abzusetzen, um dessen verbleibende Vermögenswerte auf das liefernde Unternehmen überzuleiten.
Hingegen liegt ein unlauteres Handeln nicht schon dann vor, wenn der Schuldner fortlaufend Verluste erwirtschaftet. Ebenso wenig ergibt sich ein unlauteres Handeln des Schuldners deshalb, weil sein Handeln § 15a InsO oder § 15b InsO verletzt.
Unlauteres Handeln liegt nicht schon deshalb vor, wenn der Schuldner, der zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderliche Geschäfte tätigt, positiv erkennt, dass die Betriebsfortführung dauerhaft verlustträchtig ist. Der Gesetzgeber will einer Gesellschaft in der Krise die weitere Teilnahme am Rechtsverkehr ermöglichen. Die Geschäftspartner sind hierzu aber nur bereit, wenn die Leistung des Schuldners anfechtungsfest ist. Daher kommt der bloßen Fortsetzung eines verlustträchtigen Betriebs ohne Hinzutreten weiterer Umstände kein über eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung hinausgehender Unwertgehalt zu.
Gesetzesbegründung und Gesetzesgenese bestätigen diesen Befund. Die Gesetzesbegründung, die ein Gericht zur Auslegung eines Gesetzes heranziehen kann und muss[23], erklärt ausdrücklich, dass es an der Unlauterkeit fehlen soll, wenn der Schuldner erkennt, dass die Betriebsfortführung verlustträchtig ist[13]. Der hiervon abweichende Änderungsvorschlag des Bundesrats, statt der erkannten Unlauterkeit darauf abzustellen, dass der Gläubiger erkennen musste, dass die Gegenleistung weder zur Sicherung des Lebensbedarfs erforderlich sei noch der Fortführung oder Sanierung des Unternehmens diene, ist trotz der vom Bundesrat geäußerten Bedenken gegen das Merkmal der Unlauterkeit[24] nicht Gesetz geworden. Er hätte dazu geführt, dass das Bargeschäftsprivileg allein in den seltenen Fällen Anwendung gefunden hätte, in denen der Schuldner im Vorfeld der Insolvenz profitabel gewirtschaftet hat[15]. Dies wollte der Gesetzgeber nicht.
Ebenso wenig ergeben sich aus § 15a InsO oder § 15b InsO ausreichende Gründe, einen bargeschäftlichen Leistungsaustausch allein deshalb als unlauteres Handeln anzusehen. Der Bundesgerichtshof hat zum Benachteiligungsvorsatz des § 133 InsO bei kongruenten Handlungen bereits entschieden und ausführlich begründet, dass das von §§ 15a, 15b InsO verfolgte, anderen Voraussetzungen unterliegende Schutzkonzept zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger nicht darüber bestimmt, wann ein Eingriff in die Interessen eines einzelnen Gläubigers zulässig ist[25]. Für § 142 InsO, der die Anfechtbarkeit des (ebenfalls kongruenten) Bargeschäfts nur unter den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung erlaubt und sie zusätzlich von unlauterem Verhalten des Schuldners abhängig macht, kann nichts anderes gelten.
Daran gemessen, hat das Oberlandesgericht Naumburg vorliegend Unlauterkeit zu Recht verneint. Der Insolvenzverwalter hat sich allein darauf berufen, dass die GmbH & Co. KG einen verlustträchtigen Betrieb fortsetzte. Dies begründet keine Unlauterkeit der Zahlungen an den Kommanditisten.
Bei der bezahlten Bauleitung und -überwachung der Bauprojekte der GmbH & Co. KG handelt es sich nicht um ein neu – etwa erst in der Krise – mit einem Gesellschafter abgeschlossenes Geschäft, sondern um die unveränderte Fortsetzung einer laufenden und bereits seit längerem, insbesondere außerhalb der Krise begründeten Geschäftsbeziehung, die für die Unternehmensfortführung notwendig war.
Die Geschäftsführung hielt die GmbH & Co. KG bei Mitwirkung der Gesellschafter und der Gläubiger für grundsätzlich sanierungsfähig. Erkennbar gescheitert war die Sanierung zum Zeitpunkt der geleisteten Zahlungen (noch) nicht. Die Gesellschafter hatten Frist bis zum 11.07.2019, um über ihre Beteiligung zu entscheiden. Aus dem Umstand, dass der Kommanditist (später) keine Einzahlung vornahm, kann nicht rückgeschlossen werden, dass er zu keinem Zeitpunkt bereit gewesen war, sich an einer Sanierung der GmbH & Co. KG, die ein einvernehmliches Zusammenwirken mehrerer Beteiligter voraussetzte, zu beteiligen, und dass die GmbH & Co. KG dies und damit ein Scheitern ihrer Sanierungsbemühungen erkannt hätte.
Dass sich die GmbH & Co. KG an den im Schreiben vom 29.05.2019 angekündigten Zahlungsstopp nicht gehalten hat, begründet für sich genommen keine Unlauterkeit. Ein darin möglicherweise liegender Verstoß gegen das gesetzliche Zahlungsverbot aus § 15b InsO genügt hierfür allein nicht. Vorliegend spricht entscheidend gegen Unlauterkeit, dass die Zahlungen für Leistungen erfolgten, die für den Fortgang der Bauprojekte der Projektgesellschaften essentiell waren und damit unmittelbar dazu dienten, den einstweiligen Fortbestand des Geschäftsbetriebs während laufender Sanierungsbemühungen zu sichern.
Auch der Umstand, dass die angefochtenen Zahlungen an einen Gesellschafter flossen, indiziert vorliegend keine Unlauterkeit. Insoweit ist nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Naumburg nicht ersichtlich, dass die GmbH & Co. KG damit den Kommanditisten gegenüber anderen, der GmbH & Co. KG nicht nahestehenden Gläubigern (§ 138 InsO) bevorzugt behandelte. Die GmbH & Co. KG bezahlte im Zeitraum vom 31.05.2019 bis zum 21.06.2019 nicht nur die Rechnungen des Kommanditisten, sondern zugleich Rechnungen verschiedener anderer Gläubiger. Das Zahlungsverhalten gegenüber dem Kommanditisten entsprach – auch im zeitlichen Ablauf – dem vor dem Schreiben der Geschäftsführer vom 29.05.2019. Es ist weder vorgetragen noch festgestellt, dass der Kommanditist auf die Entscheidung der Geschäftsleitung, entgegen dem angekündigten Zahlungsstopp Zahlungen fortzusetzen, eingewirkt hätte.
Schließlich begründet es keine Unlauterkeit, dass die GmbH & Co. KG Leistungen des Kommanditisten bezahlt hat, ohne dessen Bereitschaft zur Leistung des geforderten, die Rechnungsbeträge weit überschießenden Nachschusses abzuklären, und (Aus-)Zahlungen an ihn nicht bis zu diesem Zeitpunkt zurückgestellt hat. Die GmbH & Co. KG hat den Kommanditisten wie andere Gläubiger behandelt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. Dezember 2024 – IX ZR 122/23
- LG Magdeburg, Urteil vom 12.10.2022 – 2 O 140/22[↩]
- OLG Naumburg, Urteil vom 17.05.2023 – 5 U 147/22[↩]
- vgl. zur Problematik Thole, ZIP 2017, 401, 408[↩]
- vgl. Ganter, NZI 2019, 481, 489; Foerste, ZInsO 2019, 1778, 1780[↩]
- vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 167 zu § 161 RegE-InsO; BGH, Urteil vom 07.03.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122, 132[↩]
- BGBl. I S. 654[↩]
- statt vieler: Schmidt/Ganter/Weinland, InsO, 20. Aufl., § 142 Rn. 17 mwN[↩]
- Bartels in Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2019, § 142 Rn. 141, 148[↩]
- Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 133 Rn. 146b; MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl., § 142 Rn. 38; HmbKommInsO/Rogge/Leptien, 10. Aufl., § 142 Rn.20[↩]
- HK-InsO/Thole, 11. Aufl., § 142 Rn. 17[↩]
- vgl. Pape, ZInsO 2018, 296, 303 f; Sämisch/Deichgräber, ZInsO 2018, 773, 774 f; Neuberger, ZInsO 2018, 1242, 1248; Kayser, ZIP 2018, 1153, 1157[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.02.2015 – IX ZR 180/12, WM 2015, 591 Rn. 22, 25[↩]
- BT-Drs. 18/7054, S.19[↩][↩]
- Schmidt/Ganter/Weinland, InsO, 20. Aufl., § 142 Rn.19; Foerste, ZInsO 2018, 1034, 1036; Ganter, NZI 2018, 585, 586 f; ders., NZI 2019, 481, 489; Hiebert, ZInsO 2018, 1657; Tolani, ZIP 2018, 1997, 2001[↩]
- BT-Drs. 18/7054, S. 32[↩][↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 04.02.1954 – IV ZR 164/53, BGHZ 12, 232, 237 f; vom 26.03.1984 – II ZR 171/83, NJW 1984, 1893, 1898 unter V.03., insoweit in BGHZ 90, 381 nicht abgedruckt; vom 18.04.1991 – IX ZR 149/90, NJW 1991, 2144, 2145 unter II. 2.a mwN; dafür Braun/Riggert, InsO, 10. Aufl, § 142 Rn. 23[↩]
- BGH, Urteil vom 04.02.1954, aaO[↩]
- BT-Drs. 18/7054, S. 13[↩]
- vgl. BT-Drs. 18/7054, S.19; BGH, Urteil vom 30.09.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 324[↩]
- BGH, Urteil vom 27.05.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 84 zu § 133 InsO[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.03.2022 – IX ZR 78/20, BGHZ 233, 70 Rn. 56[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.03.2022, aaO Rn. 47 ff[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 14.07.2016 – IX ZB 46/14, ZIP 2016, 1601 Rn. 27[↩]
- vgl. BT-Drs. 18/7054, S. 28 f[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.03.2022 – IX ZR 78/20, BGHZ 233, 70 Rn. 29 ff[↩]