Antragstellung und Tenorierung bei Rechtsverfolgung durch den Insolvenzschuldner

Mit Rechtsfragen zur Antragstellung und Tenorierung bei einer Aufnahme des Berufungsverfahrens durch die Insolvenzschuldnerin persönlich gemäß § 184 Abs. 2 InsO zur Rechtsverteidigung gegenüber einem vorläufig vollstreckbaren; vom Insolvenzverwalter zur Tabelle anerkannten Titel hatte sich aktuell das Oberlandesgericht Celle zu befassen:

Antragstellung und Tenorierung bei Rechtsverfolgung durch den Insolvenzschuldner

Eine Frist, innerhalb der die Feststellungsklage erhoben bzw. ein unterbrochener Prozess aufgenommen werden muss, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Ist jedoch – wie hier – durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Notfrist unterbrochen worden, dürfte die Erhebung des Widerspruchs des Insolvenzschuldners gegen die Feststellung zur Insolvenztabelle im Verhältnis zur Insolvenzschuldnerin persönlich die Verfahrensunterbrechung beenden mit der Folge, dass mit Erhebung des Widerspruchs die Notfrist weiterläuft. Aber auch davon ausgehend, hat die Beklagte die Berufungsfrist gegenüber dem Urteil des Landgerichts im Nachverfahren eingehalten, weil die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts im Nachverfahren zeitgleich mit der Erhebung des Widerspruchs eingelegt worden ist und das Insolvenzverfahren bereits zwei Tage nach der Verkündung des landgerichtlichen Urteils im Nachverfahren eröffnet worden ist, noch vor Zustellung des Urteils.

Auch das Rechtsschutzbedürfnis der Insolvenzschuldnerin an der Rechtsverteidigung ist gegeben.

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. Juli 2013 kann der negativen Feststellungsklage, mit der die schuldnerische GmbH ihren erhobenen Widerspruch gegen die Feststellung einer Forderung nach § 184 Abs. 2 InsO verfolgt, für die ein vorläufig vollstreckbarer Titel vorliegt, nicht das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden, so lange nicht feststeht, dass eine Vollstreckung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr möglich ist. Es muss dem Insolvenzschuldner grundsätzlich unbenommen bleiben, sich gegen ein vorläufig vollstreckbares Urteil zu verteidigen. Nur wenn abschließend feststeht, dass die Fortsetzung der Gesellschaft ausgeschlossen ist, kann ein Rechtsschutzbedürfnis der Gesellschaft, den vorläufig vollstreckbaren Titel zu beseitigen, verneint werden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH führt gem. § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG nicht zur Löschung (Vollbeendigung) der GmbH, sondern nur zu ihrer Auflösung (Liquidation). In die Liquidation war vorliegend die Beklagte ohnehin schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten. Eine Löschung (Vollbeendigung) der GmbH als juristischer Person wegen Vermögenslosigkeit erfolgt auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens gem. § 394 Abs. 1 Satz 2 FamFG nur dann, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Gesellschaft noch Vermögen besitzt. Vorliegend stellt sich die Situation der Insolvenzschuldnerin so dar, dass sie, sollte sie im vorliegenden Rechtsstreit in vollem Umfang obsiegen, von der Nachhaftung gegenüber ihrer Hauptgläubigerin befreit ist. Sie berühmt sich über die vorliegend zur Aufrechnung gestellten Ansprüche und den vom Insolvenzverwalter zu verwertenden Gesellschaftsanteil an dem Joint Venture hinaus noch weiterer Schadensersatzansprüche, die sich daraus ergeben sollen, dass die Klägerin bei der Gründung des Joint Ventures ihre Einlage zu Lasten der Mitgesellschafter nicht in der vereinbarten Höhe erbracht habe. Da es unwahrscheinlich erscheint, dass der Insolvenzverwalter derartige Ansprüche verfolgt, verblieben sie bei der Insolvenzschuldnerin, die damit restliche Nachhaftungsansprüche anderer Gläubiger befriedigen und ihre Geschäftstätigkeit (die nur zu 90 % mit der Klägerin abgewickelt wurde) fortsetzen könnte. Auch wenn diese Möglichkeiten wenig realistisch erscheinen, ist das Oberlandesgericht nicht in der Lage, die künftige Löschung der GmbH wegen Vermögenslosigkeit hinreichend sicher festzustellen.

Vorliegend hat der Insolvenzverwalter die Ansprüche der Klägerin nach Maßgabe der erstinstanzlichen Verurteilung bereits zur Insolvenztabelle anerkannt. Dem steht gemäß § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO der Widerspruch der Insolvenzschuldnerin gegen die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle nicht entgegen. Trotz des Widerspruchs der Insolvenzschuldnerin nimmt also die Forderung an der Verteilung im Insolvenzverfahren teil. Die Zwangsvollstreckung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens im Wege der Nachhaftung kann jedoch nicht aus dem Tabellenauszug (§ 201 Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO), sondern nur aus dem vorinsolvenzlichen Titel betrieben werden. Sind vorinsolvenzliche Titel – wie hier – bei Insolvenzeröffnung nicht rechtskräftig, kann und muss der Schuldner, will er die Rechtskraft verhindern, das zulässige Rechtsmittel einlegen. Dementsprechend heißt es in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. Juli 2013 zum Fall des § 184 Abs. 2 InsO im Sachverhalt: “Mit dieser (der Revision) verfolgt die Beklagte ihr Aufnahmebegehren und die Klagabweisungsanträge weiter”. Ziel der Klägerin ist deshalb der Erhalt des auf Zahlung gerichteten Titels für die Vollstreckung im Wege der Nachhaftung, während die Insolvenzschuldnerin diesen Zahlungstitel als Grundlage für die Nachhaftung abwehren will.

Andererseits führt der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 11. Juli 2013 zu Rz. 11 der Entscheidungsgründe aus: “Die Aufnahme des Rechtsstreits, mit der die Schuldnerin ihren Widerspruch nach § 164 Abs. 2 InsO verfolgen muss, hat eine negative Feststellung zum Gegenstand.” Hinzu kommt, dass Herchen im Hamburger Kommentar zur Insolvenzordnung, § 184 Rn. 11 d als Formulierungsbeispiel für einen Antrag bei titulierten Forderungen vorschlägt: “Es wird beantragt, den Widerspruch des … in dem Insolvenzverfahren hinsichtlich der durch … titulierten Forderung des … über … € für begründet zu erklären”. Das Oberlandesgericht Celle hat es deshalb für sinnvoll erachtet, zusätzlich zum Zahlungsanspruch bzw. zusätzlich zur teilweisen Klagabweisung (bezüglich der Zinseszinsen) die Begründetheit bzw. Unbegründetheit des Widerspruchs der Insolvenzschuldnerin gegen die Feststellung zur Insolvenztabelle festzustellen, nachdem auf entsprechende Antragstellung hingewirkt worden ist. Damit werden für die Vollstreckung im Wege der Nachhaftung Widersprüche zwischen dem Zahlungstitel und der Feststellung zur Tabelle vermieden.

Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 19. März 2014 – 7 U 168/12