Auskunftsansprüche des Insolvenzverwalters gegenüber dem Finanzamt – und der richtige Rechtsweg

Für Rechtsstreitigkeiten, die auf ein Informationsfreiheitsgesetz gestützte Auskunftsansprüche des Insolvenzverwalters über Bewegungen auf den Steuerkonten des Insolvenzschuldners betreffen, ist nicht der Finanzrechtsweg, sondern der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

Auskunftsansprüche des Insolvenzverwalters gegenüber dem Finanzamt – und der richtige Rechtsweg

 Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 FGO ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten über eine Abgabenangelegenheit eröffnet. Für sonstige öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art ist nach § 40 Abs. 1 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen worden ist. Ob in einem Streitfall der Rechtsweg zu den Finanzgerichten oder zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet ist, richtet sich nach dem jeweiligen Klagebegehren.

Stützt ein Kläger einen Auskunftsanspruch nicht auf die AO, sondern ausschließlich auf die Vorschriften eines Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Rechtsweg zu den Finanzgerichten nicht eröffnet[1]. Der Auskunftsanspruch ist zwar öffentlich-rechtlicher Natur. Er hängt aber nicht mit der Verwaltung von Abgaben i.S. des § 33 FGO zusammen. Für solche Streitigkeiten ist folglich nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten ist auch nicht aufgrund ausdrücklicher Zuweisung gegeben.

Nach § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO ist der Finanzrechtsweg auch in anderen als den in § 33 Abs. 1 Nummern 1 bis 3 FGO bezeichneten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten gegeben, soweit für diese durch Bundesgesetz oder Landesgesetz der Finanzrechtsweg ausdrücklich eröffnet ist. Eine solche Bestimmung des Rechtsweges enthält § 32i Abs. 2 AO. Nach dieser Vorschrift ist für Klagen der betroffenen Person hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten gegen Finanzbehörden oder gegen deren Auftragsverarbeiter wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 oder der darin enthaltenen Rechte der betroffenen Person der Finanzrechtsweg gegeben.

§ 32i Abs. 2 AO ist nicht über seinen Wortlaut hinaus auch auf solche Rechtsstreitigkeiten anzuwenden, in denen der Kläger seinen Auskunftsanspruch auf Vorschriften eines IFG stützt.

Die Vorschrift bezieht sich ausdrücklich auf Klagen „hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten“ und „wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen“[2]. Damit sind ausschließlich Klagen von Personen gemeint, deren Daten nicht in Einklang mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen verarbeitet worden sind. § 32i Abs. 2 AO regelt damit den Rechtsweg für Klagen dieser Personen gegenüber der verantwortlichen Finanzbehörde oder zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde sowie für die gerichtliche Überprüfung von Anordnungen der Datenschutzaufsichtsbehörden gegenüber den Finanzbehörden, nicht aber für Klagen Dritter[3].

Der Insolvenzverwalter ist weder eine betroffene Person i.S. von Art. 4 Nr. 1 der Datenschutz-Grundverordnung 2016/679 (DSGVO), noch verfolgt er datenschutzrechtliche Betroffenenrechte aus Art. 12 ff. DSGVO[4].

Aus § 32e AO lässt sich ebenfalls nicht herleiten, dass der Finanzrechtsweg auch für solche Rechtsstreitigkeiten eröffnet ist, in denen der Kläger seinen Auskunftsanspruch auf Vorschriften eines IFG stützt.
a)) Nach § 32e Satz 1 AO gelten die Art. 12 bis 15 der DSGVO i.V.m. den §§ 32a bis 32d AO entsprechend, soweit die betroffene Person oder ein Dritter nach dem Informationsfreiheitsgesetz vom 05.09.2005[5] in der jeweils geltenden Fassung oder nach entsprechenden Gesetzen der Länder gegenüber der Finanzbehörde einen Anspruch auf Informationszugang hat. Weitergehende Informationsansprüche über steuerliche Daten sind insoweit ausgeschlossen (§ 32e Satz 2 AO).

§ 32e AO soll einen materiell-rechtlichen Gleichlauf zwischen informationsfreiheitsrechtlichen Ansprüchen und Art. 12 bis 15 DSGVO bewirken[6]. Die Regelung soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers sicherstellen, dass die Bestimmungen der DSGVO und der §§ 32a bis 32d AO nicht durch IFG des Bundes oder der Länder verdrängt oder umgangen werden können[7]. Eine Zuweisung des Rechtsweges enthält die Vorschrift jedoch nicht. Die Vorgaben der §§ 32a ff. AO sind lediglich im Rahmen der materiellen Prüfung eines Auskunftsanspruchs nach einem IFG von den Verwaltungsgerichten zu beachten.

Trotz des vom Gesetzgeber gewünschten materiellen Gleichklangs führt § 32e AO i.V.m. § 32i Abs. 2 AO nicht dazu, dass Auskunftsansprüche gegen die Finanzbehörden, die auf Vorschriften der IFG gestützt sind, vor den Finanzgerichten zu verhandeln sind. Auch wenn so eine „prozessuale Harmonisierung“[8] aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes sinnvoll wäre, hat der Gesetzgeber weder in § 32e AO noch in § 32i Abs. 2 AO entsprechende Regelungen getroffen[6]. Danach sind weiterhin die Verwaltungsgerichte für Auskunftsansprüche nach dem IFG zuständig[9]. Dass neben den Finanzgerichten auch Verwaltungsgerichte zum Teil dieselben Normen der DSGVO und der AO anzuwenden haben, mag als unpraktisch empfunden werden; die Rechtsordnung nimmt dies jedoch in Kauf und sieht in Art. 95 Abs. 3 des Grundgesetzes einen Lösungsmechanismus vor[10].

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16. Juni 2020 – II B 65/19

  1. vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.09.2018 – 7 B 6/18; BFH, Beschluss vom 08.01.2013 – VII ER-S 1/12[]
  2. VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.03.2019 – 29 K 8023/18, ZInsO 2019, 969, Rz 4[]
  3. vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.10.2019 – 10 B 21/19, ZInsO 2020, 143, Rz 8; VG Düsseldorf, Beschluss in ZInsO 2019, 969, Rz 4, m.w.N.[]
  4. BVerwG, Beschluss in ZInsO 2020, 143, Rz 10; OVG NRW, Beschluss vom 13.06.2019 – 15 E 376/19, ZInsO 2019, 1539, Rz 16[]
  5. BGBl I S. 2722[]
  6. vgl. OVG NRW, Beschluss in ZInsO 2019, 1539, Rz 23[][]
  7. vgl. BT-Drs. 18/12611, S. 89[]
  8. vgl. Krumm in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 32i AO Rz 6; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 32e AO Rz 17[]
  9. OVG NRW, Beschluss in ZInsO 2019, 1539; Schober in Gosch, AO § 32e Rz 9; a.A. Krumm in Tipke/Kruse, a.a.O., § 32i AO Rz 6[]
  10. BVerwG, Beschluss in ZInsO 2020, 143, Rz 12[]