Die zugunsten des Genussrechtegläubigers erfolgten Ausschüttungen stellen Leistungen der Schuldnerin dar. Infolge des Vermögensabflusses haben die Zahlungen eine objektive Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) bewirkt[1]. Die Auszahlungen können eine unentgeltliche Leistung im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO darstellen. Eine unentgeltliche Leistung läge nicht vor, wenn der Genussrechtsgläubiger aufgrund des Genussrechtsvertrags Anspruch auf die Ausschüttungen gehabt hat, weil diese dann objektiv den Ausgleich für die Gewährung des Genussrechtskapitals darstellten[2].

Das Gleiche gilt, wenn die Schuldnerin sie ohne Rechtsgrund vorgenommen und ihr deswegen ein Bereicherungsanspruch gegen den Genussrechtegläubiger zugestanden hat, wenn also der Genussrechtsgläubiger aufgrund des Genussrechtsvertrags keinen Anspruch auf die Auszahlungen gegen die Schuldnerin gehabt hat und er einem Bereicherungsanspruch der Schuldnerin nicht § 814 BGB hat entgegenhalten können[3].
Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war der Genussrechtsvertrag, den der Genussrechtsgläubiger mit der Schuldnerin geschlossen hatte, weder nach § 138 BGB[4] noch nach § 134 BGB unwirksam[5].
Ob dem Genussrechtegläubiger ein Anspruch auf die streitgegenständlichen Ausschüttungen zustand, ergibt sich mithin aus dem Genussrechtsvertrag und aus den dem Vertrag zugrundeliegenden Genussrechtsbedingungen. Die streitgegenständlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind dahin auszulegen, dass die materiellen Voraussetzungen der Ausschüttungen sich nach der objektiven (wahren) Ertragslage der Schuldnerin bestimmen. Unerheblich sind die endgültig festgestellten Jahresabschlüsse sowie ihre Wirksamkeit nach dem Aktiengesetz[6].
Danach kommt es – entgegen der Annahme des in der Vorinstanz tätigen Thüringer Oberlandesgerichts[7] – allein darauf an, ob die Schuldnerin in den streitgegenständlichen Jahren tatsächlich Gewinne erwirtschaftet hat. Ob dies der Fall war, hängt davon ab, ob die streitgegenständlichen Jahresabschlüsse, welche jeweils Gewinne ausgewiesen haben, fehlerhaft und bei fehlerfreier Erstellung der Jahresabschlüsse Gewinne nicht angefallen sind. Enthalten die Jahresabschlüsse handelsrechtlich zulässige Bewertungen, liegt ein Fehler nicht vor[8].
Das Thüringer Oberlandesgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Jahresabschlüsse fehlerhaft sind, die Schuldnerin entgegen den Abschlüssen tatsächlich Verluste erwirtschaftet hat und ein Auszahlungsanspruch des Genussrechtegläubigers danach nicht bestand, die Auszahlungen mithin ohne Rechtsgrund erfolgt sind. Insbesondere hat es dahinstehen lassen, ob die Jahresabschlüsse nach § 256 AktG nichtig waren, ob die in den im Strafverfahren eingeholten Gutachten enthaltenen Bewertungen zu den Bilanzierungsfehlern zutreffen und ob die Jahresabschlüsse nach Zerschlagungswerten hätten aufgestellt werden müssen. Davon ist deswegen revisionsrechtlich auszugehen.
Mit der Begründung des Thüringer Oberlandesgerichts kann die Kondiktionssperre des § 814 BGB nicht verneint werden. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Thüringer Oberlandesgerichts, dass nach § 814 Fall 1 BGB das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende oder der die Leistung bewirkende Vertreter gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Erforderlich ist die positive Kenntnis der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung[9].
Bereits die Formulierung im Berufungsurteil, es fehle an Anhaltspunkten, dass der Vorstand der Schuldnerin zumindest im Rahmen einer laienhaft rechtlichen Schlussfolgerung angenommen habe, die Jahresabschlüsse der Schuldnerin seien nichtig und deshalb habe ein Auszahlungsanspruch des Genussrechtegläubigers nicht bestanden, weckt Zweifel, ob das Thüringer Oberlandesgericht vom richtigen Maßstab ausgegangen ist. Die Schuldnerin leistete ohne Rechtsgrund, wenn sie nach ihrer wahren Ertragslage nur Verluste erwirtschaftete, die positiven Jahresabschlüsse also fehlerhaft wären, ohne dass es auf deren Nichtigkeit nach § 256 AktG ankäme[10]. Nur darauf musste sich daher die Kenntnis der Schuldnerin beziehen.
Aber auch im Übrigen ist der Ausgangspunkt des Thüringer Oberlandesgerichts fehlerhaft. Die Schuldnerin und die für sie handelnden Personen mussten nicht wissen, was wann mit welchem Wert hätte bilanziert werden dürfen. Vielmehr kann bereits das Wissen, dass verschiedene bilanzielle Wertansätze aufgrund der ihnen bekannten Tatsachen überhöht waren, dafür sprechen, dass ihnen die Unrichtigkeit der einen Überschuss ausweisenden Jahresabschlüsse bewusst war. Nach der maßgeblichen Parallelwertung in der Laiensphäre können sie dann auch die rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben, dass Ansprüche der Genussrechtsinhaber nicht bestanden[11].
Den für die Schuldnerin handelnden Personen war die Wirkungsweise des Geschäftsmodells, das in dem Ankauf von Lebensversicherungspolicen, fondsgebundenen hochvolumigen Lebensversicherungen und von Goldsparverträgen bestand, bekannt. Ihnen kann damit bewusst geworden sein, dass die Vermögenswerte nicht ausreichend lange gehalten werden konnten, so dass die mit den hohen Anschaffungskosten bilanzierten Vermögensgegenstände nicht den bilanzierten Wert besaßen[12]. Dann war den für die Schuldnerin verantwortlich Handelnden unter Berücksichtigung der Parallelwertung in der Laiensphäre möglicherweise klar, dass die auf den hohen Werten basierenden Jahresabschlüsse fehlerhaft waren[13].
Das Thüringer Oberlandesgericht hätte den nicht widerlegten Vortrag des Insolvenzverwalters, dass die Schuldnerin in den maßgeblichen Geschäftszweigen bewusst ein betrügerisches Schneeballsystem betrieben habe, bei der Würdigung nicht in Gänze außer Acht lassen dürfen. Die Annahme des Thüringer Oberlandesgerichts, ein Schneeballsystem sage für sich genommen nichts darüber aus, ob lediglich (fingierte) Scheingewinne im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erwirtschaftet würden, ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Ein Schuldner, der weiß, dass er zwar in einem geringen Umfang eine gewinnbringende Geschäftstätigkeit entfaltet, aber im Übrigen von den Neuanlegern Gelder einsammelt, um aus dem eingesammelten Geld an die Altanleger über die tatsächlich erwirtschafteten Gewinne hinausgehende Scheingewinne auszuzahlen, weiß, dass die über die tatsächlich erwirtschafteten Gewinne weitere Gewinne ausweisenden Jahresabschlüsse fehlerhaft sind, weil sie – wenn es sich um keine Fälschungen handelt – unzulässige Bewertungen enthalten, wie vorliegend der Insolvenzverwalter behauptet[14].
Rechtsfehlerfrei hat das Thüringer Oberlandesgericht angenommen, die Leistungen der Schuldnerin an den Genussrechtegläubiger seien nicht deswegen unentgeltlich im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO, weil die Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB eingriffe. Die Voraussetzungen dieser Regelung liegen nicht vor[15].
Die weiteren Angriffe des Genussrechtegläubigers führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Soweit sie geltend macht, dass der Ausschluss der Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB dazu führe, dass das Schneeballsystem am Laufen gehalten werde, indem die ausgezahlten Gewinne zurückgefordert werden könnten, vermag dies keine andere Beurteilung zu begründen. Die Ausschüttungen an den Genussrechtegläubiger hatten ihre Grundlage in dem wirksamen Genussrechtsvertrag[16]. Da das Thüringer Oberlandesgericht keine Feststellungen getroffen hat, dass dem Genussrechtegläubiger oder seinen Eltern, anders als bei klassischen Schenkkreisen, bekannt war, dass es sich um ein Schneeballsystem handeln könnte, ist dieser Vertrag weder nach § 138 BGB noch nach § 134 BGB nichtig[17]. Der Schutz des Genussrechtsinhabers wird über die Kondiktionssperre des § 814 BGB gewährleistet.
Soweit das Thüringer Oberlandesgericht einen etwaigen Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB für verjährt gehalten hat, ist dies rechtsfehlerfrei[18]. Es hat darauf abgestellt, dass die Verjährung bereits Ende 2016 eingetreten ist, da die Organe der Schuldnerin bereits im Jahr 2013 davon Kenntnis hatten, dass kein Gewinn erzielt wurde.
Der Bundesgerichtshof hat daher das Berufungsurteil des Thüringer Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Das Thüringer Oberlandesgericht wird die Frage, ob die für die Schuldnerin verantwortlich handelnden Personen wussten, dass keine Verpflichtung zur Zahlung von Basisdividenden und einer Übergewinnbeteiligung bestand, nach den Maßstäben des Bundesgerichtshofs neu zu beurteilen haben. Da für das Bestehen einer solchen Verpflichtung die objektive Ertragslage der Schuldnerin maßgeblich ist und nicht der Inhalt der festgestellten Jahresabschlüsse, wird die Kenntnis der Schuldnerin von einer fehlenden Leistungspflicht kaum beurteilt werden können, wenn nicht zunächst festgestellt wird, ob und in welchem Umfang die Jahresabschlüsse – gegebenenfalls aufgrund von die bilanzrechtlich eingeräumten Bewertungsspielräume überschreitenden Bewertungen – unzutreffende, von der objektiven Ertragslage abweichende Jahresüberschüsse ausweisen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. April 2022 – IX ZR 107/20
- vgl. BGH, Urteil vom 01.10.2020 – IX ZR 247/19, NJW 2021, 234 Rn. 13; vom 22.07.2021 – IX ZR 26/20, WM 2021, 1646 Rn. 9; vom 02.12.2021 – IX ZR 110/20, WM 2022, 126 Rn. 8[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2021, aaO Rn. 11; vom 02.12.2021, aaO Rn. 10[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2021, aaO Rn. 12; vom 02.12.2021, aaO Rn. 11[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 02.12.2021, aaO Rn. 13 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 02.12.2021, aaO Rn. 14 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 01.10.2020 – IX ZR 247/19, NJW 2021, 234 Rn. 21 ff; vom 22.07.2021 – IX ZR 26/20, WM 2021, 1646 Rn. 18; vom 02.12.2021, aaO Rn. 17, 22[↩]
- ThürOLG, Urteil vom 12.05.2020 – 5 U 15/19[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2021, aaO Rn.19; vom 02.12.2021, aaO Rn. 18[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 01.10.2020 – IX ZR 247/19, NJW 2021, 234 Rn. 30 mwN; vom 22.07.2021 – IX ZR 26/20, WM 2021, 1646 Rn. 22; vom 02.12.2021 – IX ZR 110/20, WM 2022, 126 Rn. 21[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 01.10.2020 – IX ZR 247/19, NJW 2021, 234 Rn. 25; vom 22.07.2021 – IX ZR 26/20, WM 2021, 1646 Rn. 18; vom 02.12.2021 – IX ZR 110/20, WM 2022, 126 Rn. 22[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22.07.2021, aaO Rn. 25 ff[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 02.12.2021, aaO Rn. 23 ff[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 02.12.2021, aaO Rn. 25 aE mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2021 – IX ZR 26/20, WM 2021, 1646 Rn. 35; vom 02.12.2021, aaO Rn. 28[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 01.10.2020 – IX ZR 247/19, NJW 2021, 234 Rn. 33 mwN; vom 22.07.2021, aaO Rn. 37; vom 02.12.2021, aaO Rn. 31[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 02.12.2021, aaO Rn. 32; so auch allgemein zur Rückzahlung von Gewinnen im Schneeballsystem MünchKomm-BGB/Schwab, 8. Aufl., § 817 Rn. 25[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 02.12.2021, aaO Rn. 13 f[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2021, aaO Rn. 39[↩]