Der gegen das Finanzamt gerichtete Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr insolvenzrechtlich angefochtener Leistungen ist kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, über dessen Bestehen dem Grund oder der Höhe nach durch Abrechnungsbescheid entschieden werden kann.

Nach § 218 Abs. 2 AO wird über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen, durch Verwaltungsakt (sog. Abrechnungsbescheid) entschieden; dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch betrifft, der nach § 37 Abs. 1 AO ebenfalls ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis ist. Gegenstand des Abrechnungsbescheids ist die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens reiner Zahlungsansprüche; er entscheidet, inwieweit bestimmte Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) noch bestehen oder durch einen der in § 47 AO aufgeführten Erlöschenstatbestände ganz oder teilweise erloschen sind.
Ob ein Steuerpflichtiger einen Erstattungsanspruch hat, hängt nach § 37 Abs. 2 AO davon ab, ob auf seine Rechnung eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden bzw. ein für die Leistung zunächst vorhandener rechtlicher Grund später weggefallen ist. Als rechtlicher Grund im Sinne dieser Vorschrift kommen nur die in § 218 Abs. 1 AO genannten Bescheide in Betracht. Der Erstattungsbetrag ist die Differenz zwischen dem bereits an die Finanzbehörde geleisteten Betrag und dem durch Bescheid i.S. des § 218 Abs. 1 AO festgesetzten Betrag. Sind die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach Grund oder Höhe im Streit, entscheidet die Finanzbehörde gemäß § 218 Abs. 2 AO durch Abrechnungsbescheid.
Bei dem vorliegend streitigen auf die Anfechtungsvorschriften der InsO gestützten Anspruch des Klägers auf Rückgewähr der im Wege der Einzugsermächtigung entrichteten Kraftfahrzeugsteuern handelt es sich nicht um einen aus dem Steuerschuldverhältnis herrührenden Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 AO, über dessen Bestehen dem Grunde oder der Höhe nach im Wege eines Abrechnungsbescheids verbindlich entschieden werden kann.
Die Kraftfahrzeugsteuern sind zum einen nicht ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, weil insoweit (wovon mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ausgegangen werden kann) wirksame Steuerbescheide vorliegen, die weder zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben noch auf andere Weise erledigt worden sind (§ 124 Abs. 2 AO). Die Steuerbescheide sind auch nicht wegen der seitens des Klägers erklärten Insolvenzanfechtung als unwirksam anzusehen, weil mit der Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen, nicht aber etwaige den Rechtshandlungen zugrunde liegende rechtliche Verpflichtungen angefochten werden. Die Rechtsfolge einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung ist nach § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO vielmehr, dass zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden muss, was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist. Wurde mit einer vom Insolvenzverwalter erfolgreich angefochtenen Leistung eine gegenüber dem Anfechtungsgegner bestehende Forderung erfüllt, lebt diese mit der Rückgewähr der erhaltenen Leistung gemäß § 144 Abs. 1 InsO wieder auf. Damit wird deutlich, dass der Rechtsgrund einer anfechtbaren Leistung von der Insolvenzanfechtung unberührt bleibt. Der Anfechtungsgegner muss die ihm vom Insolvenzschuldner erbrachte Leistung zurückgewähren, behält aber seine (zunächst erfüllte, nunmehr wieder offene) Forderung, die er zur Insolvenztabelle anmelden kann.
Hinsichtlich der aufgrund erteilter Einzugsermächtigung entrichteten Kraftfahrzeugsteuern besteht somit kein Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO, weil die Steuern nicht ohne Rechtsgrund gezahlt worden sind. Ein solches Ergebnis kann vom Finanzamt durch Abrechnungsbescheid festgestellt werden, falls insoweit Streit besteht. Hingegen kann die Frage, ob der Insolvenzverwalter einen aus § 143 Abs. 1 InsO folgenden Anspruch auf Rückgewähr dem Finanzamt vom Insolvenzschuldner erbrachter Leistungen hat, nicht Gegenstand eines Abrechnungsbescheids sein, denn dieser Anspruch ist kein Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 AO und somit kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 37 Abs. 1 AO.
Dieses Ergebnis entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach ist der auf einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung beruhende Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters ein originärer gesetzlicher, zivilrechtlicher Anspruch, der mit der Insolvenzeröffnung entsteht, dem Insolvenzverwalter vorbehalten ist und nur nach den Vorschriften der InsO zu entscheiden ist, welche die Regelungen anderer Rechtsbereiche wie z.B. des Steuer- und Abgabenrechts verdrängen. Der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch ist gegenüber Ansprüchen aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (im Streitfall dem Steuerschuldverhältnis) wesensverschieden, wird nicht aus der vormaligen Rechtsbeziehung zwischen Insolvenzschuldner und Anfechtungsgegner hergeleitet und gestaltet dieses Rechtsverhältnis auch nicht um. Im Streitfall ist somit der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung vom Finanzamt eingezogener Kraftfahrzeugsteuern kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis.
Der hiervon abweichenden, mit Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. November 2011 vertretenen Rechtsauffassung des V. Senats des Bundesfinanzhofs folgt der hier beschließende VII. Senat des Bundesfinanzhofs nicht, ohne insoweit zu einer Vorlage an den Großen Senat des Bundesfinanzhofs (§ 11 FGO) verpflichtet zu sein. Soweit der V. Senat des Bundesfinanzhofs (ohne Berücksichtigung vorgenannter BGH-Rechtsprechung) geurteilt hat, hinsichtlich der rechtlichen Qualifizierung des insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs komme es auf das Rechtsverhältnis an, welches der angefochtenen Rechtshandlung zugrunde liege, handelt es sich erkennbar um eine die Entscheidung nicht tragende Erwägung. Diese steht im Zusammenhang mit Ausführungen des V. Senats zu der Frage, ob die für die Festsetzung der Umsatzsteuer erforderliche Saldierung der berechneten Steuer und der abziehbaren Vorsteuerbeträge (§ 16 Abs. 2 UStG)) eine anfechtbare Rechtshandlung i.S. der §§ 129 ff. InsO ist. Hierfür sind Überlegungen, ob der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters bei erfolgreicher Anfechtung steuerlicher Rechtshandlungen steuerrechtlicher oder zivilrechtlicher Natur ist, ohne Belang.
Die vom Bundesgerichtshof vertretene Rechtsauffassung zur Rechtsnatur des insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruchs, die der Bundesfinanzhof für eine gegen eine Finanzbehörde gerichtete Anfechtung des Insolvenzverwalters teilt, weicht auch nicht von dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. September 2010 ab. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat mit vorgenanntem Beschluss das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters betreffende Streitigkeiten ebenfalls als bürgerliche Rechtsstreitigkeiten angesehen. Er hatte lediglich zu entscheiden, ob im Fall angefochtener Lohnzahlungen (um die es vorliegend nicht geht) der ordentliche Rechtsweg oder der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben ist. Auf die entsprechenden Ausführungen des Bundesgerichtshofs, die der Bundesfinanzhof für zutreffend hält, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
Die vom Bundesfinanzhof vertretene Auffassung, das Finanzamt könne einen auf § 37 Abs. 2 Satz 1 AO gestützten Rückforderungsbescheid erlassen, falls es einen vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Rückgewähranspruch erfüllt habe, obwohl die Anfechtungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten, dürfte sich nach alledem nicht aufrechterhalten lassen.
Das Finanzgericht kann danach über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Abrechnungsbescheids ohne Rücksicht auf das noch ausstehende zivilgerichtliche Urteil über den geltend gemachten Rückgewähranspruch des Klägers entscheiden.
Geht man mit dem Finanzgericht davon aus, das Finanzamt habe mit dem angefochtenen Abrechnungsbescheid über das Bestehen des streitigen Rückgewähranspruchs des Klägers entschieden, wofür die ausführliche Begründung sowohl des Abrechnungsbescheids als auch der Einspruchsentscheidung sprechen, ist der Bescheid als rechtswidrig aufzuheben, weil –wie ausgeführt– andere als Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht Gegenstand eines Abrechnungsbescheids sein können. Ob in dem zivilgerichtlichen Rechtsstreit der Kläger oder das Finanzamt obsiegen wird, ist für diese Entscheidung ohne Bedeutung. Da der angefochtene Abrechnungsbescheid den Rückgewähranspruch als nicht bestehend feststellt, weil es an den Voraussetzungen für eine insolvenzrechtliche Anfechtung fehle, und ihn nicht etwa als durch Aufrechnung mit einer Steuerforderung als erloschen ansieht, ist im Streitfall –anders als das Finanzgericht meint– auch nicht nach den Grundsätzen über die Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Gegenforderung zu verfahren.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 5. September 2012 – VII B 95/12