Erklärt der Gläubiger seinen Insolvenzantrag nach Erfüllung der Antragsforderung einseitig für erledigt, kann seine Kostentragungspflicht nicht damit begründet werden, dass der Insolvenzantrag trotz der Erfüllung weiterhin zulässig ist.

Gemäß § 4 InsO (§ 4 Satz 1 InsO nF) gelten für das Insolvenzverfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend, soweit die Insolvenzordnung nichts anderes bestimmt. Die Insolvenzordnung regelt nicht, ob, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen (Kosten-)Folgen der von einem Gläubiger gestellte Insolvenzantrag für erledigt erklärt werden kann. Es ist deshalb anerkannt, dass die Regelungen der Zivilprozessordnung über die Erledigung der Hauptsache und die hierzu entwickelten Grundsätze entsprechende Anwendung finden. Dies gilt für die übereinstimmende[1] und die einseitige Erledigungserklärung[2] gleichermaßen[3]. Der Gläubiger kann seinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens daher, wenn auch zeitlich begrenzt[4], für erledigt erklären, wenn er ihn nicht weiterverfolgen will.
In entsprechender Anwendung der Regelungen der Zivilprozessordnung über die Erledigung der Hauptsache und den hierzu entwickelten Grundsätzen ist im Streitfall von einer einseitigen Erledigungserklärung des Eröffnungsantrags der Gläubigerin auszugehen.
Die Gläubigerin hat ihren Insolvenzantrag in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem der Schuldner die Antragsforderung beglichen hatte. Sie hat beantragt, dem Schuldner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner die Erledigungserklärung zugestellt, ohne den Hinweis nach § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO zu erteilen. Der Schuldner hat sich zu der Erledigungserklärung nicht geäußert. Eine übereinstimmende Erledigungserklärung kann daher nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO abgeleitet werden. Das bloße Schweigen des Schuldners begründet auch sonst keine Zustimmungswirkung[5].
Die für den Zivilprozess entwickelten Grundsätze für die Behandlung einer einseitigen Erledigungserklärung gelten im Insolvenzeröffnungsverfahren in modifizierter Form[6]. Insbesondere finden keine weiteren Ermittlungen mehr dazu statt, ob ein Eröffnungsgrund gegeben war. Grundlage der vom Insolvenzgericht zu treffenden Entscheidung ist vielmehr der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigungserklärung. Ein reiner Parteienstreit über die Kostentragungspflicht ist mit § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht vereinbar; Amtsermittlungen sind nicht mehr veranlasst, sobald feststeht, dass das Insolvenzverfahren wegen des geänderten Antrags nicht mehr eröffnet werden kann. Gleichwohl bleibt der durch die Erledigungserklärung geänderte Eröffnungsantrag anhängig und muss beschieden werden[7].
Nach dieser Maßgabe ist zu prüfen, ob der Eröffnungsantrag zulässig und begründet war und sich durch ein nachträglich eingetretenes Ereignis erledigt hat[8]. Stellt das Insolvenzgericht danach die Erledigung fest, kann der Schuldner den Beschluss nach den §§ 6, 34 Abs. 2 InsO mit der sofortigen Beschwerde anfechten; weist das Insolvenzgericht den Antrag ab, gelten die §§ 6, 34 Abs. 1 InsO[7].
Das Landgericht Hamburg ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Eröffnungsantrag der Gläubigerin zulässig und begründet war. Von einem unrichtigen Verständnis der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO getragen ist jedoch die Einschätzung des Landgerichts Hamburg, es fehle an einem erledigenden Ereignis.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO für den antragstellenden Gläubiger die Möglichkeit begründet, den Eröffnungsantrag weiterlaufen zu lassen, aber keine Pflicht[9]. Die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO schließt weder die Erledigungserklärung noch die Rücknahme des Antrags ausdrücklich aus. Dies kann ihr auch nicht sonst entnommen werden. Anderenfalls würde der im Eröffnungsverfahren geltende Dispositionsgrundsatz ausgehebelt und das Verfahren gleichsam von Amts wegen fortgeführt. Das ist dem deutschen Recht fremd[10]. Die Möglichkeit, den Eröffnungsantrag für erledigt zu erklären, kann nicht dadurch beschnitten werden, dass der Gläubiger im Falle einer einseitig bleibenden Erledigungserklärung die Kosten des Verfahrens deshalb zu tragen hat, weil ein rechtliches Interesse an der Verfahrenseröffnung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO trotz Erfüllung der Antragsforderung fortbesteht. Zwar trifft es zu, dass in diesem Fall nach den im Zivilprozess geltenden Grundsätzen nicht von einem erledigenden Ereignis ausgegangen werden kann, wenn der Antrag auch sonst weiterhin zulässig und begründet ist. Die für den Zivilprozess entwickelten Grundsätze gelten jedoch im Insolvenzeröffnungsverfahren nur in modifizierter Form[11]. Deshalb kann die Kostentragungspflicht des Gläubigers nach dessen einseitig gebliebener Erledigungserklärung nicht damit begründet werden, dass der Insolvenzantrag gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO weiterhin zulässig ist. Ein Zwangsgläubiger kann mit einem Insolvenzantrag mehrere schützenswerte Ziele verfolgen. Das mit § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO verfolgte Anliegen, die Insolvenzreife des Schuldners möglichst frühzeitig abzuklären, muss nicht dazu zählen[12].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. September 2021 – IX ZB 66/20
- vgl. BGH, Beschluss vom 25.09.2008 – IX ZB 131/07, NZI 2008, 736 Rn. 7; vom 24.09.2020 – IX ZB 71/19, ZInsO 2020, 2537 Rn. 8[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2004 – IX ZB 258/03, ZIP 2005, 91, 92; vom 22.09.2005 – IX ZB 205/04, NZI 2006, 34; vom 25.09.2008, aaO Rn. 8[↩]
- BGH, Urteil vom 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 181[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2004, aaO; Beschluss vom 22.09.2005, aaO[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2004, aaO[↩]
- BGH, Beschluss vom 11.11.2004, aaO; vom 25.09.2008, aaO Rn. 8[↩]
- BGH, Beschluss vom 25.09.2008, aaO[↩][↩]
- BGH, Urteil vom 20.11.2001, aaO S. 182; Beschluss vom 25.09.2008, aaO[↩]
- BGH, Beschluss vom 24.09.2020 – IX ZB 71/19, ZInsO 2020, 2537 Rn. 11, 21[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 24.09.2020, aaO Rn. 11[↩]
- BGH, Beschluss vom 11.11.2004 – IX ZB 258/03, ZIP 2005, 91, 92; vom 25.09.2008 – IX ZB 131/07, NZI 2008, 736 Rn. 8[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 24.09.2020, aaO Rn.20 f[↩]