Wird über das Vermögen des Steuerschuldners das Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren eröffnet, werden – vorbehaltlich spezieller steuergesetzlicher Fälligkeitsbestimmungen – die in diesem Zeitpunkt entstandenen Steuerforderungen gemäß § 220 Abs. 2 Satz 1 AO fällig, ohne dass es deren vorheriger Festsetzung durch Verwaltungsakt, Feststellung oder Anmeldung zur Konkurs- bzw. Insolvenztabelle bedarf.

Auch wenn sich die Voraussetzungen der Aufrechnung gemäß § 226 Abs. 1 AO nach den Vorschriften der §§ 387 ff. BGB bestimmen, beurteilt sich die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 38 AO) gemäß § 220 Abs. 1 AO allein nach den Vorschriften der Steuergesetze.
Sofern die Insolvenzschuldnerin noch selbst Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben haben sollte, dürften diese nach § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG am zehnten Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig geworden sein. Sofern das Finanzamt wegen Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen diese selbst festgesetzt haben sollte oder eine Festsetzung durch das Finanzamt unterblieben ist, ist streitig, ob sich die Fälligkeit dann ebenfalls nach § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG richtet. Das kann hier letztlich aber dahinstehen, da selbst bei Unanwendbarkeit von § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG die Umsatzsteuerforderungen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs jedenfalls mit Eröffnung des Konkursverfahrens fällig geworden sind.
Mangels spezieller steuergesetzlicher Bestimmungen richtet sich die Fälligkeit dann nach § 220 Abs. 2 AO. Gemäß § 220 Abs. 2 Satz 1 AO werden Steuerforderungen grundsätzlich mit ihrer Entstehung fällig. Ausnahmsweise tritt die Fälligkeit nach § 220 Abs. 2 Satz 2 AO erst mit der Bekanntgabe der Steuerfestsetzung ein, wenn der Steueranspruch aus der Festsetzung folgt(§ 218 AO). Diese Einschränkung greift nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs jedoch dann nicht ein, wenn der Anspruch des Finanzamts keiner Festsetzung durch Steuerbescheid nach § 218 AO zugänglich ist, weil das Finanzamt nach der Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens bis zum Prüfungstermin gehindert ist, seine Steuerforderungen durch Steuerbescheid festzusetzen. Ein nach Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens dennoch erlassener Steuerbescheid ist danach grundsätzlich unwirksam. Bestand wegen der Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens weder die Notwendigkeit noch die Möglichkeit, die Forderung durch Steuerfestsetzungsbescheid geltend zu machen, ist § 220 Abs. 2 Satz 2 AO nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs unanwendbar. Die Fälligkeit richtet sich dann nach § 220 Abs. 2 Satz 1 AO mit der Folge, dass die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens entstandenen Steuerforderungen mit der Verfahrenseröffnung fällig werden. § 220 Abs. 2 Satz 2 AO kann nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch nicht sinngemäß dahingehend erweiternd ausgelegt werden, dass die Fälligkeit der Steuerforderungen – wie jedoch das Berufungsgericht meint , generell erst mit der Titulierung, im Fall des eröffneten Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens also mit der Feststellung der Forderung zur Tabelle oder mit dem Erlass eines Feststellungsbescheides nach § 251 Abs. 3 AO, eintritt.
Die Ansicht, die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gelte nur für Umsatzsteuervorauszahlungen, nicht jedoch für Umsatzsteuerjahresabrechnungen mit der Folge, dass die Jahresumsatzsteuerbeträge nicht ohne vorherige Festsetzung hätten fällig werden können, trifft nicht zu. Das Finanzamt ist nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nach Eröffnung des Konkursverfahrens gehindert, einen Steuerbescheid wirksam zu erlassen. Kann aus diesen konkursrechtlichen Gründen eine Steuerfestsetzung nicht ergehen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch eine Jahresumsatzsteuer zu berechnen und im Konkursverfahren zur Tabelle anzumelden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Dezember 2012 – VII ZR 189/10