Der Insolvenzverwalter kann von der Finanzverwaltung Akteneinsicht in die Vollstreckungsakte der Schuldnerin beim Finanzamt nach § 1 Abs. 2 S. 1 IFG M‑V verlangen, ungeachtet dessen dass der Insolvenzverwalter mit den hieraus gewonnenen Erkenntnissen beabsichtigt, einen insolvenzrechtlichen Anfechtungsanspruch gegen das Land geltend zu machen.

Insoweit hat es das Oberlandesgericht Rostock dahinstehen lassen, ob dem Kläger ein Recht auf Akteneinsicht in die Vollstreckungsakte der Schuldnerin gemäß dem nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten zivilrechtlichen Anspruch auf Akteneinsicht nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB zusteht, wobei das OLG Rostock eher dazu neigt, dies zu verneinen. Jedenfalls steht dem Kläger ein Anspruch auf Akteneinsicht aus § 1 Abs. 2 Satz 1 IFG M‑V zu.
Zwar bestimmt § 12 Abs. 2 IFG M‑V, dass das Verwaltungsgericht für eine Entscheidung über Akteneinsicht nach dem IFG M‑V zuständig ist. Nachdem aber das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern im vorliegenden Fall den Rechtsstreit an die ordentliche Gerichtsbarkeit verwiesen hat, ist gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG der Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden, sodass der ordentlichen Gerichtsbarkeit auch die rechtswegüberschreitende Sachkompetenz für verwaltungsrechtliche Ansprüche zukommt.
Im Gegensatz zur Vorschrift des § 1 Abs. 3 IFG des Bundes ist in § 1 Abs. 3 IFG M‑V nicht bestimmt, dass Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen dem Informationsfreiheitsgesetz vorgehen. Im Übrigen ist höchstrichterlich entschieden, dass ein gegenüber dem Finanzamt geltend gemachter Informationsanspruch des Insolvenzverwalters, der anschließend einen Anfechtungsanspruch durchsetzen will; vom Regelungsbereich der Abgabenordnung nicht umfasst ist. Gleiches gilt für den Auskunftsanspruch nach § 242 BGB.
Ein Ausschlussgrund nach § 5 Nr. 4 IFG M‑V wegen einer Verletzung des Steuergeheimnisses gem. § 30 AO liegt nicht vor. Denn die in der Vollstreckungsakte der Schuldnerin enthaltenen Informationen unterliegen dem Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin gegenüber keiner Geheimhaltungspflicht, sodass das Steuergeheimnis nicht berührt wird. Die Schuldnerin ist dem Kläger gegenüber auf Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse nach § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet, also auch über alle Umstände, die für die Beurteilung von Gläubigerforderungen bedeutsam sein könnten. Wenn aber die Schuldnerin dem Kläger die ihr möglichen Auskünfte über die von ihr gezahlten Steuern erteilen muss, sind diese Informationen dem Kläger als Insolvenzverwalter gegenüber nicht geheimhaltungsbedürftig. Da es deswegen von vornherein an einer Geheimhaltungsbedürftigkeit gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter fehlt, bedarf es einer vom Beklagten für erforderlich erachteten Zustimmung der Schuldnerin nicht.
Des Weiteren steht dem Akteneinsichtsrecht des Klägers auch § 5 Nr. 2 IFG M‑V nicht entgegen. Danach ist der Antrag auf Zugang zu Informationen abzulehnen, soweit und solange durch die Bekanntgabe der Informationen der Verfahrensablauf eines anhängigen Gerichtsverfahrens erheblich beeinträchtigt würde. Grundsätzlich muss die Behörde, wenn sie sich auf einen oder mehrere der im Informationsfreiheitsgesetz des Landes normierten Ausnahmegründe berufen will, deren Voraussetzungen darlegen und ggf. beweisen. Die gesetzlichen Ausnahmetatbestände sind konkret und präzise gefasst; sie sind nach den üblichen Auslegungsregeln eng zu verstehen und abschließend.. In § 5 Nr. 2 IFG M‑V hat der Landesgesetzgeber ausdrücklich nur die erhebliche Beeinträchtigung des Verfahrensablaufs eines anhängigen Gerichtsverfahrens als Verweigerungsgrund aufgeführt. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der Informationszugang nicht deshalb verwehrt werden darf, weil je nach Inhalt der Information der Antragsteller beabsichtigt, erst ein Gerichtsverfahren anhängig zu machen. Vorliegend beabsichtigt der Insolvenzverwalter, erst nach Erhalt der Informationen ggf. einen Insolvenzanfechtungsprozess gegen das beklagte Land zu führen, ein solcher ist jedoch (noch) nicht anhängig.
Zudem hat jede natürliche und juristische Person des Privatrechts grundsätzlich Anspruch auf Zugang zu den bei einer Behörde vorhandenen Informationen, wenn nicht eine der Ausschlussgründe vorliegt. Der Landesgesetzgeber hat diesen Anspruch nicht davon abhängig gemacht, welche Motive der Antragsteller für den Informationszugang hat. Das Informationsfreiheitsgesetz ist Ausdruck der Sonderstellung von Behörden und der besonderen Transparenzpflichten, denen sie unterworfen sind. Diese besondere Pflichtenstellung bleibt auch dann bestehen, wenn Teile der Staatsverwaltung ausnahmsweise Insolvenzgläubiger und damit Anfechtungsgegner in einem Insolvenzanfechtungsprozess werden können. Das Informationsfreiheitsgesetz nimmt es im Interesse seiner Zielsetzung in Kauf, dass Ansprüche aus einer Insolvenzanfechtung gegenüber der öffentlichen Hand unter Umständen unter erleichterten Bedingungen geltend gemacht werden können.
Schließlich ist der Zugang zu den begehrten Informationen auch nicht gem. § 4 Abs. 4 IFG M‑V ausgeschlossen. Dies ist nur der Fall, wenn es sich um Informationen handelt, die bereits öffentlich und barrierearm zugänglich sind. Hier geht es um Informationen über Zahlungen der Schuldnerin an das beklagte Land. Diese Informationen sind aber nicht öffentlich, d. h. für jedermann zugänglich.
Soweit das Finanzamt der Auffassung ist, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Akteinsicht nach dem IFG M‑V zu, da er den Überweisungsbelegen und Kontoauszügen der Schuldnerin die Zahlungen an das Finanzamt Greifswald, die er durch die Akteneinsicht erlangen wolle, entnehmen könne, greift dieser Einwand nicht durch, insbesondere ist der Antrag des Klägers auf Informationszugang nicht rechtsmissbräuchlich.
Der Landesgesetzgeber hat im IFG M‑V die Vorschrift des § 9 Abs. 3, 1. Alt. IFG des Bundes, wonach der Antrag abgelehnt werden kann, wenn der Antragsteller bereits über die begehrten Informationen verfügt, nicht übernommen. Der Zugangsanspruch nach dem IFG M‑V bedarf weiter keiner Darlegung eines rechtlichen oder berechtigten Interesses. Der Anspruch besteht unabhängig von den Motiven des Antragstellers. Von dem ungeschriebenen Grundsatz des Rechtsmissbrauchs ist beim Gesetzesvollzug restriktiv Gebrauch zu machen.
Dass ein Gesuch dann, wenn die Information dem Antragsteller bekannt ist, nicht grundsätzlich als rechtsmissbräuchlich einzustufen ist, ergibt sich bereits daraus, dass der Bundesgesetzgeber es in seiner Vorschrift im IFG des Bundes ausdrücklich in das Ermessen der Behörde gestellt hat, ob es dem Antrag in diesen Fällen nachkommt.
Vorliegend hat der Kläger erklärt, er habe keine konkreten Kenntnisse darüber, wann konkret welche (Teil-)Zahlungen an das beklagte Finanzamt in welcher Höhe von der Schuldnerin vorgenommen wurden, so dass er hierfür die Einsicht benötige. Damit ist zwischen den Parteien nicht unstreitig, ob dem Kläger die verlangten Informationen bereits positiv bekannt sind. Zudem kann nicht festgestellt werden, dass sich die begehrten Informationen alleine aus den Kontoauszügen der Schuldnerin (aus Überweisungsbelegen ergibt sich nicht die tatsächliche Zahlung) entnehmen lassen. Denn das Finanzamt hat selbst vorgetragen, dass im vorliegenden Fall statt “aktiver” Zahlung auch möglich sei, dass eine Aufrechnung mit Steuerguthaben der Schuldnerin im Jahr 2006 oder die Leistung durch Vollstreckungshandlungen eines Vollziehungsbeamten erfolgt sei. Insoweit reicht der Verweis des Finanzamtes auf die dem Kläger vorliegende Kontoauszüge der Schuldnerin nicht aus, um den Antrag des Klägers auf Informationen als rechtsmissbräuchlich anzusehen.
Oberlandesgericht Rostock, Urteil vom 28. Januar 2015 – 6 U 6/14