Zwar darf das Gericht grundsätzlich keine Entscheidung zur Hauptsache mehr treffen, wenn das Verfahren unterbrochen ist[1].

Ist aber wie im Fall der Nichtzulassungsbeschwerde keine mündliche Verhandlung vorgeschrieben, so kann in entsprechender Anwendung von § 249 Abs. 3 ZPO eine Entscheidung auch während der Unterbrechung des Verfahrens ergehen, wenn
- keine Fristen mehr laufen,
- alle erforderlichen Prozesshandlungen vor Eintritt der Unterbrechung vorgenommen worden sind,
- der Beschwerdeführer wegen des Ablaufs der Begründungsfrist (§ 544 Abs. 2 ZPO) vor Eintritt der Unterbrechung mit weiterem Vortrag zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ausgeschlossen ist und
- durch die Zustellung der Entscheidung keine Frist in Lauf gesetzt wird[2].
Die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 27.11.2003[3], vom 26.06.2009[4], vom 24.11.2010[5] und vom 22.11.2012[6] geben keinen Anlass für eine Vorlage an den Gemeinsamen Bundesgerichtshof der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach dem Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19.06.1968[7] (fortan: RsprEinhG). Eine Divergenz liegt nicht vor:
Die Vorlagepflicht setzt die Abweichung in einer Rechtsfrage voraus (§ 2 Abs. 1 RsprEinhG). Dieselbe Rechtsfrage liegt immer dann vor, wenn wegen der Gleichheit des Rechtsproblems die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit der Fälle oder der anwendbaren Vorschriften nur einheitlich ergehen kann[8]. Ein Rechtssatz, den ein Revisionsgericht zur Beurteilung des ihm unterbreiteten Falles aufgestellt hat, gilt für andere Fälle nur, wenn diese der entschiedenen Sache in den wesentlichen Beziehungen gleichkommen[9], das heißt wenn die Sachverhalte lediglich nicht rechtserhebliche Unterschiede aufweisen[10]. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts kann nur eine Antwort auf den zu entscheidenden Fall geben; dieser bestimmt auch da, wo es dem Revisionsgericht nicht gelingt, sich in seiner Ausdrucksweise auf ihn zu beschränken, die Tragweite der Entscheidung für künftige Fälle[11].
Der Bundesfinanzhof hat nicht über dieselbe Rechtsfrage entschieden, die der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegt. Zwar heißt es in den Gründen seiner Beschlüsse jeweils, eine in Unkenntnis der Insolvenzeröffnung erlassene Entscheidung sei ohne rechtliche Wirkung und aus Gründen der Rechtsklarheit aufzuheben. Dieser allgemein formulierte Rechtssatz ist aber unter der unausgesprochenen Voraussetzung zu verstehen, dass die Entscheidung wegen der Verfahrensunterbrechung unzulässig war, nicht wie hier trotz der Unterbrechung ausnahmsweise zulässig. Denn weder den Beschlussgründen noch den jeweils vorangegangenen Entscheidungen über die Nichtzulassungsbeschwerden[12] ist zu entnehmen, dass der Bundesfinanzhof über einen Fall entschieden hat, in dem wie hier die Voraussetzungen vorlagen, unter denen ausnahmsweise in einem unterbrochenen Verfahren noch eine Entscheidung erlassen werden darf. Ob eine solche Ausnahme vorliegt oder nicht, ist rechtserheblich. Ihre Möglichkeit ist auch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs anerkannt[13].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. Dezember 2018 – IX ZR 82/16
- BGH, Urteil vom 29.01.1976 – IX ZR 28/73, BGHZ 66, 59, 61 f mwN; Beschluss vom 22.12 2016 – IX ZR 259/15, WM 2017, 925 Rn. 3[↩]
- BFH/NV 2015, 1252 Rn. 10; Prütting/Gehrlein/Anders, ZPO, 10. Aufl., § 249 Rn. 9[↩]
- BFH, Beschluss vom 27.11.2003 – VII B 236/02, BFH/NV 2004, 366[↩]
- BFH, Beschluss vom 26.06.2009 – V B 23/08, BFH/NV 2009, 1819[↩]
- BFH, Beschluss vom 24.11.2010 – IV B 136/08, BFH/NV 2011, 613[↩]
- BFH, Beschluss vom 22.11.2012 – III B 73/11, BFH/NV 2013, 246[↩]
- BGBl. I S. 661[↩]
- BVerfG, NStZ 1993, 90, 91; wistra 2009, 307, 309; MünchKomm-StPO/Cierniak/Pohlit, § 132 GVG Rn. 11[↩]
- BVerfG, NStZ 1993, 90, 91[↩]
- BGH, Beschluss vom 24.04.1986 2 StR 565/85, BGHSt 34, 71, 76[↩]
- BVerfG, NStZ 1993, 90, 91; BGH, aaO mwN; MünchKomm-StPO/Cierniak/Pohlit, aaO[↩]
- BFH/NV 2003, 1208; 2009, 801; 2010, 918; 2012, 1825[↩]
- BFH/NV 2007, 2118 Rn. 6; 2015, 1252 Rn. 10; 2017, 917 Rn. 12[↩]