Ein die Inkongruenz iSv. § 131 Abs. 1 InsO begründender Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung besteht noch nicht, wenn der Schuldner nach Zustellung eines Titels die titulierte Forderung erfüllt, ohne dass der Gläubiger die Zwangsvollstreckung zuvor eingeleitet oder angedroht hat.

Um eine inkongruente Deckung im Sinn des Anfechtungsrechts handelt es sich bereits dann, wenn der Schuldner während der “kritischen Zeit” der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag oder in der Zeit nach Stellung des Insolvenzantrags unter dem Druck unmittelbar drohender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen leistet, um sie zu vermeiden. Der Schuldner gewährt damit eine Befriedigung, die der Gläubiger “nicht in der Art” zu beanspruchen hat. Unerheblich ist, ob die Zwangsvollstreckung im verfahrensrechtlichen Sinn schon begonnen hatte, als die Leistung des Schuldners erfolgte. Die Inkongruenz wird durch den zumindest unmittelbar bevorstehenden hoheitlichen Zwang begründet.
Erbringt die Schuldnerin (Arbeitgeberin) die angefochtene Zahlung im Rahmen einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme, handelte es sich deshalb nicht um eine freiwillige Handlung. Muss der Gläubiger den Schuldner durch die Zwangsvollstreckung oder die Drohung mit ihr zur Leistung zwingen, liegt der Verdacht nahe, dass der Schuldner nicht zahlungsfähig ist. Eine solche Leistung ist nicht insolvenzfest.
Ein die Inkongruenz iSv. § 131 Abs. 1 InsO begründender Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung besteht allerdings noch nicht, wenn der Schuldner nach Zustellung eines Titels die titulierte Forderung erfüllt, ohne dass der Gläubiger die Zwangsvollstreckung zuvor eingeleitet oder angedroht hat.
Das gilt in gesteigertem Maß, wenn eine Forderung noch nicht tituliert ist. Vorliegend erbrachte die Schuldnerin die angefochtene Zahlung nicht unter dem Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckungsmaßnahme. Sie musste nicht damit rechnen, dass die Zwangsvollstreckung unmittelbar bevorstand, wenn sie die Forderung nicht erfüllte, weil der Arbeitnehmer noch keinen Vollstreckungstitel erwirkt hatte. Daher handelte es sich nicht um eine “nicht in der Art” zu beanspruchende und damit inkongruente Befriedigung iSv. § 131 Abs. 1 InsO.
Die im vorliegend vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall streitgegenständliche Leistung ist auch im Übrigen insolvenzfest. Der hierfür darlegungsbelastete Insolvenzverwalter hat während des gesamten Prozessverlaufs keinen Vortrag gehalten, der darauf schließen ließe, dass die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO oder die des § 133 Abs. 1 InsO erfüllt wären. Aus dem Prozessstoff ergeben sich keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitnehmer die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin (seiner Arbeitgeberin) iSv. § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO kannte. Dafür sprechen auch nicht die früheren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Von ihnen unterschied sich die freiwillige Zahlung gerade. Entsprechendes gilt für die Kenntnis iSv. § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO von einem etwaigen – ebenfalls nicht behaupteten – Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese für die sog. Vorsatzanfechtung erforderliche Kenntnis ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und dem Vortrag der Parteien auch nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 3. Juli 2014 – 6 AZR 451/12