Wem gegenüber die Deckungsanfechtung von Zahlungen möglich ist, die ein Schuldner an die Betreiberin des Systems zur Erhebung der Lkw-Maut im Guthabenabrechnungsverfahren erbracht hat? Der Bundesgerichthof sieht für diese Insolvenzanfechtung nicht das Bundesamt für Güterverkehr, sondern die Toll Collect GmbH, die im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland tätige, private Betreiberin des LKW-Mautsystems, als passiv legitimiert an.

Toll-Collect war hinsichtlich der angefochtenen Zahlungen Insolvenzgläubigerin des insolvenzten Transportunternehmens (Schuldners). Sie ist demgemäß auch als Empfängerin der angefochtenen Leistung anzusehen, die gemäß § 143 InsO zur Rückgewähr verpflichtet ist.
Hinsichtlich der Einzahlung der streitgegenständlichen Beträge auf das Guthabenkonto war die Toll-Collect GmbH allerdings noch nicht Insolvenzgläubigerin, weil es sich insoweit noch um freiwillige Zahlungen des Schuldners handelte, auf welche die Toll-Collect GmbH keinen Anspruch hatte. Durch die Einzahlungen wurde aber der Toll-Collect GmbH nachfolgend die Befriedigung ihrer Ansprüche ermöglicht. Aus dem durch die Einzahlungen hergestellten Guthaben wurden von ihr die mit der Einbuchung des Schuldners zur Deckung der von ihm zu zahlenden Maut fällig gewordenen Beträge zu ihren Gunsten abgebucht. Die damit vorgenommenen Zahlungen erfolgten zur Deckung einer Entgeltforderung der Toll-Collect GmbH.
Die Maut ist eine öffentlichrechtliche Benutzungsgebühr. Für den hier in Frage stehenden Zeitraum der Jahre 2005 und 2006 ist das Gesetz über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen (Autobahnmautgesetz für schwere Nutzfahrzeuge, ABMG) in der vom 08.12.2004 bis 31.08.2007 geltenden Fassung maßgebend. Nach § 2 Satz 1 Nr. 1 ABMG (heute: § 2 Satz 1 Nr. 1 BFStrMG) ist Mautschuldner unter anderem der Eigentümer oder Halter des gemäß § 1 ABMG (heute: § 1 BFStrMG) mautpflichtigen Fahrzeuges. Dies war der Schuldner. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ABMG (heute: § 4 Abs. 1 Satz 1 BFStrMG) hat der Mautschuldner die Maut spätestens bei Beginn der mautpflichtigen Benutzung oder im Falle einer Stundung zu dem festgesetzten Zeitpunkt an das Bundesamt für Güterverkehr zu entrichten. Mautgläubiger ist demgemäß dieses Bundesamt.
Der Schuldner war von der Verpflichtung zur Zahlung der Maut an das Bundesamt jedoch gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 ABMG (heute: § 4 Abs. 6 Satz 1 BFStrMG) befreit. Die Toll-Collect GmbH war Gläubigerin eines vom Schuldner befriedigten Entgeltanspruchs.
Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 ABMG (heute: § 4 Abs. 3 Satz 1 und 2 BFStrMG) kann das Bundesamt für Güterverkehr einem Privaten die Errichtung und den Betrieb eines Systems zur Erhebung der Maut übertragen oder diesen beauftragen, an der Erhebung der Maut mitzuwirken (Betreiber). Die danach mögliche Beleihung des Privaten mit der hoheitlichen Erhebung der Maut ist allerdings nicht erfolgt. Die Toll-Collect GmbH ist nicht ermächtigt, die Maut in eigenem Namen hoheitlich festzusetzen. Die Toll-Collect GmbH wurde als Betreiber stattdessen beauftragt, an der Erhebung der Maut mitzuwirken. In § 4 Abs. 5 ABMG (heute: § 4 Abs. 6 BFStrMG) ist näher geregelt, wie diese Mitwirkung im Einzelnen erfolgen kann. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist der Mautschuldner von der Verpflichtung zur Entrichtung der Maut an das Bundesamt für Güterverkehr befreit, wenn der Betreiber sich gegenüber dem Bundesamt zur unbedingten Zahlung eines Betrages in Höhe der entstandenen Maut des Mautschuldners verpflichtet, der Mautschuldner nachweist, dass zwischen ihm und dem Betreiber ein Rechtsverhältnis besteht, aufgrund dessen der Mautschuldner für jede mautpflichtige Benutzung der Bundesautobahn ein Entgelt in Höhe der zu entrichtenden Maut an den Betreiber zahlen muss oder gezahlt hat, und wenn der Mautschuldner schließlich sicherstellt, dass seine Verpflichtungen aus dem Rechtsverhältnis erfüllt werden.
Demgemäß konnte die Toll-Collect GmbH mit dem Schuldner einen zivilrechtlichen Vertrag mit einem Inhalt schließen, der zusammen mit einer von ihr gegenüber dem Bundesamt übernommenen unbedingten Zahlungspflicht dazu führte, dass der Mautschuldner von der Entrichtung der Maut an das Bundesamt befreit war.
Ein solcher Vertrag ist zwischen dem Schuldner und der Toll-Collect GmbH geschlossen worden. Die Voraussetzungen einer Befreiung von der Maut lagen vor. Gläubigerin des befriedigten Entgeltanspruchs war die Toll-Collect GmbH.
§ 4 Abs. 5 ABMG eröffnet allerdings lediglich die Möglichkeit für die genannte Konstruktion. Diese ist vom Gesetz nicht zwingend vorgesehen. Maßgebend ist, ob die genannten Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind. Es kann nicht angenommen werden, dass bereits die Nutzung des Erhebungssystems der Toll-Collect GmbH den Vertragsschluss mit dem Inhalt des § 4 Abs. 5 ABMG bewirkt und der Mautpflichtige gegenüber der Toll-Collect GmbH zur Zahlung eines Entgeltes in der Höhe verpflichtet ist, die das Erhebungssystem auf der Grundlage der maßgeblichen Tatsachen ermittelt hat.
Die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes des § 4 Abs. 5 ABMG waren aber nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts vorliegend gegeben.
Das Kammergericht in Berlin hat eine Verpflichtung der Toll-Collect GmbH gegenüber dem Bundesamt zur unbedingten Zahlung eines Betrages in Höhe der zu Lasten des Schuldners entstandenen Maut festgestellt.
Der Insolvenzverwalter hat nachgewiesen, dass zwischen dem Schuldner und der Toll-Collect GmbH ein Rechtsverhältnis bestand, aufgrund dessen der Mautschuldner für jede mautpflichtige Benutzung einer Bundesautobahn der Toll-Collect GmbH ein Entgelt in Höhe der zu entrichtenden Maut zahlen musste und gezahlt hat. Dabei handelt es sich um die Zahlung eines Entgelts im Sinne des § 4 Abs. 5 ABMG.
Maßgebend für das Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und der Toll-Collect GmbH war zunächst dessen Benutzerregistrierung bei der Toll-Collect GmbH vom 21.05.2003. Davon abweichend nahm seit Ende 2003 der Schuldner an der Abrechnung nach dem in den AGB der Toll-Collect GmbH geregelten Guthabenabrechnungsverfahren teil. Die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen war zwischen dem Schuldner und der Toll-Collect GmbH vereinbart.
Nach dem danach zwischen dem Schuldner und der Toll-Collect GmbH praktizierten Guthabenabrechnungsverfahren gemäß Nr. 18.1.3 AGB galt gemäß Nr. 21.2 AGB, dass der Benutzer rechtzeitig im Voraus ein Guthaben auf sein von der Toll-Collect GmbH angegebenes Konto einzuzahlen oder zu überweisen hatte, welches zum Ausgleich der künftigen Forderungen der Toll-Collect GmbH im Sinne der Nr. 4.1 AGB erforderlich war. War eine ausreichende Deckung durch das vorhandene Guthaben nicht mehr gegeben, sperrte die Toll-Collect GmbH das Fahrzeuggerät, so dass der Benutzer am Guthabenabbuchungsverfahren nicht mehr teilnehmen konnte. Dies entsprach Nr. 37.1 AGB, der diese Möglichkeit der Toll-Collect GmbH einräumt. Nach Nr. 4.1 AGB war der Benutzer verpflichtet, die nach seinen Angaben in dem von ihm gewählten Mauterhebungsverfahren ermittelte Maut im Voraus an die Toll-Collect GmbH zu zahlen. Der (Vorschuss-)Anspruch wurde gemäß Nr. 4.1 Satz 2 AGB mit der Einbuchung zur Zahlung fällig, sofern nichts anderes vereinbart war. Die Toll-Collect GmbH hatte gemäß Nr. 4.1 Satz 3 AGB die vom Benutzer bezahlte Maut an das Bundesamt für Güterverkehr auszukehren.
Nach diesen vom Bundesamt für Güterverkehr gebilligten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Toll-Collect GmbH schuldet der Benutzer gemäß Nr. 4.1 AGB also ein vertragliches Entgelt im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 1 ABMG, das der Toll-Collect GmbH zustand. Allerdings war die Toll-Collect GmbH vom Nutzer beauftragt, die von diesem gezahlte Maut an das Bundesamt für Güterverkehr abzuführen. Diese in Nr. 4.1 Satz 3 AGB geregelte Abführungspflicht ist jedoch nicht zusätzlich und unabhängig von der eigenen Zahlungspflicht der Toll-Collect GmbH gegenüber dem Bundesamt zu erfüllen. Sie wird vielmehr gerade dadurch erfüllt, dass die Toll-Collect GmbH auch ihrer dem Bundesamt gegenüber bestehenden eigenen unbedingten Zahlungspflicht in Höhe der zu Lasten des Schuldners entstandenen Maut nachkommt. Mit der Zahlung erfüllt die Toll-Collect GmbH sowohl ihre selbständige Pflicht gegenüber dem Bundesamt wie die Abführungspflicht gegenüber dem Mautschuldner.
Der Schuldner hat durch seine Teilnahme am Guthabenabrechnungsverfahren auch sichergestellt, dass seine Verpflichtungen aus dem Rechtsverhältnis mit der Toll-Collect GmbH erfüllt wurden. Die Gegenleistung der Toll-Collect GmbH bestand darin, dass sie die Voraussetzungen für die Befreiung des Schuldners von der Maut schaffte.
Damit war der Schuldner von der Verpflichtung zur Entrichtung der Maut an das Bundesamt gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 ABMG befreit. Mit der Abbuchung der geschuldeten Beträge in Höhe der Maut vom Guthabenkonto des Schuldners bei der Toll-Collect GmbH erfüllte er den Entgeltanspruch der Toll-Collect GmbH.
Soweit die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Toll-Collect GmbH sich in ihrer Wortwahl an einem Auftragsverhältnis orientieren, ist eine Auslegung im Sinne des § 4 Abs. 5 ABMG geboten, dessen Umsetzung die vertraglichen Vereinbarungen dienen. Ist die Toll-Collect GmbH selbst gegenüber dem Bundesamt zur unbedingten Zahlung eines Betrages in Höhe der entstandenen Maut des Mautschuldners verpflichtet, können die weiteren Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 ABMG bejaht werden.
Die Toll-Collect GmbH ist folglich nicht lediglich als Zahlstelle tätig geworden. Der Schuldner hatte sich ihrer nicht nur als Leistungsmittlerin bedient. Hätte der Schuldner die Toll-Collect GmbH lediglich als solche Zwischenperson eingeschaltet, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich unmittelbar das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen (Guthabenkonto) vermindert, hätte sich die Deckungsanfechtung allerdings allein gegen den Dritten als Empfänger gerichtet, wenn es sich für diesen erkennbar um eine Leistung des Schuldners gehandelt hätte.
Das Ergebnis wird bestätigt durch die vergleichbare Rechtslage bei der Anfechtung gegenüber den gesetzlichen und tarifvertraglichen Einzugsstellen für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind diese Einzugsstellen passivlegitimiert auch für eine Anfechtung auf Rückzahlung der an sie gezahlten Sozialversicherungsbeiträge, soweit sie im Innenverhältnis anderen Versicherungsträgern zustehen.
Wesentlicher Grund hierfür ist, dass im Außenverhältnis der Einziehungsstelle zum Beitragsschuldner dieser nur an die Einziehungsstelle mit befreiender Wirkung leisten kann. Die Einzugsstelle hat die alleinige Empfangszuständigkeit und ist für die Durchsetzung aller Beitragsforderungen Prozessstandschafter, Titelgläubiger und Klauselberechtigter im Sinne des § 725 ZPO.
Deshalb ist die Einzugsstelle wie eine Vollrechtsinhaberin anzusehen.
Eine ähnliche Situation ist nach den Feststellungen vorliegend gegeben. Da die Toll-Collect GmbH Gläubigerin des an sie zu zahlenden Entgelts in Höhe der einzuziehenden Maut war, konnte der Schuldner mit auch der Toll-Collect GmbH gegenüber befreiender Wirkung nur an diese zahlen. Zwar hätte er mit befreiender Wirkung hinsichtlich der Maut selbst auch an das Bundesamt leisten können. Der Mautschuldner ist, auch wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 ABMG vorliegen, nicht aus dem Gebührenverhältnis zum Bundesamt entlassen. Die Toll-Collect GmbH hat demgemäß nicht die alleinige Empfangszuständigkeit. Sie ist auch nicht allein zur Durchsetzung des Anspruchs berufen. Führt etwa der Mautschuldner nicht den Nachweis für die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 ABMG, kann das Bundesamt selbst die Entrichtung der Maut verlangen. Nur durch die Bezahlung des Entgelts an die Toll-Collect GmbH konnte aber der Schuldner gleichzeitig die Verpflichtung gegenüber der Toll-Collect GmbH und zur Zahlung der Maut erfüllen.
Die übrigen Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO hat das Berufungsgericht im Anschluss an das Landgericht bejaht. Die Toll-Collect GmbH hat sich schon im Berufungsverfahren nicht mehr hiergegen gewandt. Da die Deckung inkongruent war, scheidet ein Bargeschäft nach § 142 InsO aus.
Soweit die angefochtenen Zahlungen, worauf die Revision zusätzlich abhebt, teilweise dazu gedient haben könnten, eigene Forderungen der Toll-Collect GmbH aus einer Tätigkeit für den Schuldner zu erfüllen, wäre die Toll-Collect GmbH ebenfalls Insolvenzgläubigerin, so dass eine Deckungsanfechtung nach §§ 130, 131 InsO auch insoweit in Betracht käme. Solche Forderungen der Toll-Collect GmbH könnten in Form von Entgelten und Auslagenersatz nach Nr. 4.2 AGB in Verbindung mit dem Preisverzeichnis der Toll-Collect GmbH entstanden sein. Der Kläger hat jedoch nicht dargelegt, ob und welche der dort genannten Leistungen der Schuldner in Anspruch genommen und bezahlt hat.
Davon abgesehen wurden derartige Entgelte nach Nr. 4.2 f AGB nicht mit dem Mautguthaben verrechnet, sondern gemäß Nr. 27.2 AGB gesondert abgerechnet. Sie sind gemäß Nr. 21.3 AGB nicht Gegenstand der Guthabenabrechnungen und außerhalb des Guthabenabrechnungsverfahrens zu erfüllen. Dass solches in anfechtungsrelevanter Weise geschehen wäre, macht der Kläger nicht geltend. Das angewandte Guthabenabrechnungsverfahren betraf vielmehr das der Toll-Collect GmbH geschuldete Entgelt in Höhe der an das Bundesamt abzuführenden Maut.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Oktober 2013 – IX ZR 319/12