Die Überleitungsvorschrift des Art. 103d Satz 2 EGInsO erfasst in erst nach dem 1.11.2008 eröffneten Insolvenzerfahren auch Erstattungsansprüche, die unter Anwendung der sog. Rechtsprechungsregeln entsprechend §§ 30, 31 GmbHG a.F. bereits vor dem 1.11.2008 entstanden sind.

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg entnimmt der Begründung des Gesetzentwurfs zum Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen den Willen des Gesetzgebers, die sog. Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen aufzugeben und hierdurch etwa entstehende Schutzlücken durch flankierende Regelungen ausschließlich im Anfechtungsrecht zu schließen. Die dementsprechend mit § 135 Abs. 2 InsO n.F. neu geschaffene Anfechtungsmöglichkeit unter anderem für den Fall der Verbürgung eines Gesellschafters für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft lässt in der Zusammenschau mit der Überleitungsvorschrift in Art. 103d Satz 2 EGInsO den Schluss zu, dass der Gesetzgeber für den vorliegenden Fall eines nach dem 1.11.2008 eröffneten Insolvenzverfahrens etwaige hieraus sich ergebende Ansprüche des Insolvenzverwalters dem von ihm neu geschaffenen Anfechtungstatbestand hat unterstellen wollen und auch unterstellt hat.
Eine Differenzierung danach, ob die haftungsbegründende Rechtshandlung vor dem 1.11.2008 oder danach vorgenommen worden ist, findet weder in den Gesetzesmaterialien noch im Gesetz eine Grundlage. Sie würde zu dem aus Sicht des Oberlandesgerichts wenig sachgerechten Ergebnis führen, dass die Darlehensrückzahlung durch die Schuldnerin einer Inanspruchnahme der Beklagten zwar dann entgegenstünde, wenn sie in der Zeit zwischen dem 1.11.2008 und dem 30.11.2009 erfolgt wäre, nicht aber dann, wenn sie wie vorliegend noch rund drei Jahre früher und damit in noch größerem zeitlichen Abstand zu der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dem diesem vorangegangenen Insolvenzantrag erfolgt ist.
An dieser rechtlichen Beurteilung sieht das Oberlandesgericht sich auch nicht durch die allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Rechts gehindert. Der Kläger verkennt nicht, dass der von ihm geltend gemachte Zahlungsanspruch lediglich aufgrund der sog. Rechtsprechungsregeln in entsprechender Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG a.F. anzuerkennen sein könnte und insofern einer unmittelbar anwendbaren gesetzlichen Grundlage entbehrt. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Insolvenzverwalters auf den bloßen Fortbestand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung ist vorliegend aber nicht ersichtlich und wäre auch grundsätzlich nicht anzuerkennen. Die in der Literatur diskutierte Problematik, inwiefern den Regelungen der § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG n.F., Art. 103d Satz 2 EGInsO eine materiell-rechtliche Rückwirkung zukommt, stellt sich deshalb für den vorliegenden Fall von vornherein nicht und hat insofern auch dem Gesetzgeber keine Veranlassung zu einer über die Regelung des Art. 103d EGInsO hinausgehenden Überleitungsvorschrift geben müssen.
Soweit der Anwendbarkeit der Überleitungsvorschrift des Art. 103d Satz 2 EGInsO auf den von ihm unter Bezugnahme auf die sog. Rechtsprechungsregeln in entsprechender Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG a.F. weiterverfolgten Erstattungsanspruch entgegengehalten wird, bei dieser Überleitungsvorschrift handele es sich um rein anfechtungsrechtliches Übergangsrecht, dem sich der gesetzgeberische Wille einer Anwendbarkeit auch auf die bisherigen Regelungen des Eigenkapitalersatzrechts in nach dem 1.11.2008 eröffneten Insolvenzverfahren nicht entnehmen lasse, folgt das Oberlandesgericht dem nicht. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts erschließt sich die Anwendbarkeit des Art. 103d Satz 2 EGInsO auch auf den vorliegenden Streitfall vielmehr gerade daraus, dass der Gesetzgeber ausweislich der bereits in Bezug genommenen Begründung des Gesetzentwurfs zum MoMiG hierdurch eine ausschließlich insolvenz- und anfechtungsrechtliche Neukonzeptionierung des Rechts der Gesellschafterdarlehen vorgenommen hat. In der Folge dieser gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung ergibt sich die Anwendbarkeit des Art. 103d Satz 2 EGInsO auf den vorliegenden Streitfall aber als unmittelbare Gesetzesanwendung.
Auch einein diesem Zusammenhang aufgeworfene verfassungsrechtliche Rückwirkungsproblematik rechtfertigt eine abweichende Beurteilung nicht. Der mit der Anwendbarkeit des Art. 103d Satz 2 EGInsO auf vor dem 1.11.2008 unter Anwendung der sog. Rechtsprechungsregeln entstandene Erstattungsansprüche verbundene Eingriff in die Vermögenslage der Gesellschaft geht über mit der Regelung des § 3 Abs. 4 EGGmbHG verbundene; und vom Bundesgerichtshof bereits für zulässig erachtete Eingriffe in die Vermögenslage der Gesellschaft nicht hinaus. Dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgrund der Regelung des Art. 103d Satz 2 EGInsO für die Zeit vor dem Inkrafttreten des MoMiG zu Lasten der Gesellschaft eintretende Rechtsfolgen nicht ausgeschlossen sind, erschließt sich ferner auch aus dessen Beschluss vom 15.11.2011, mit dem er eine Verzinsung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen auch für die Zeit vor dem 1.11.2008 anerkannt hat.
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschlüsse vom 19. Januar 2015 und 19. März 2015 – 11 U 22/14








