Unrichtige schriftliche Angaben des Schuldners über seine wirtschaftlichen Verhältnisse in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens können auch dann zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen, wenn sie im Rahmen eines Vergleichsangebots erfolgen.

Gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden.
Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall waren diese Voraussetzungen auf der Grundlage der von den Vorinstanzen bisher getroffenen Feststellungen erfüllt:
Die Gläubigerin ist antragsberechtigt. Sie hat Forderungen zur Tabelle angemeldet.
Der Schuldner hat schriftlich unrichtige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht.
Im Schreiben vom 11.03.2011 hat der Schuldner angeboten, zur Sicherung der Forderung der Beklagten eine Grundschuld an einem ihm gehörenden Grundstück einzuräumen. Wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben, konnte das Schreiben nur so verstanden werden, dass das zu belastende Grundstück im Eigentum des Schuldners stand.
Die Angaben im Anwaltsschreiben muss sich der Schuldner als eigene zurechnen lassen. Eine schriftliche Erklärung des Schuldners liegt auch dann vor, wenn er die entsprechenden Erklärungen nicht selbst formuliert hat, sondern durch einen Dritten hat abfassen lassen. Der Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO setzt kein vom Schuldner unterzeichnetes eigenhändiges Schriftstück voraus. Unrichtige schriftliche Angaben, die der Schuldner zwar nicht persönlich niedergelegt hat, die jedoch mit seinem Wissen und seiner Billigung an den Empfänger weitergeleitet worden sind, entsprechen dem Unrechtsgehalt, den § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO sanktionieren will; sie werden von der Vorschrift in gleicher Weise erfasst[1]. Der Schuldner hat nicht behauptet, dass sein Anwalt eigenmächtig gehandelt habe oder auch nur in Einzelheiten von seinen Anweisungen abgewichen sei.
Der Schuldner handelte vorsätzlich. Er wusste, dass ihm das zu belastende Grundstück nicht gehörte.
Die unrichtigen schriftlichen Angaben im Schreiben vom 11.03.2011 sind in den letzten drei Jahren vor den Insolvenzanträgen vom 13.09.2013; und vom 11.10.2013 gemacht worden.
Sie erfolgten schließlich mit dem Ziel, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen und Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden.
Der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO setzt, wie der Wortlaut „um … zu“ verdeutlicht, ein finales Handeln zur Verwirklichung der Zielsetzung, der Leistungsbeziehung und/oder der Leistungsvermeidung, voraus. Ob die Leistungen im Ergebnis erreicht oder vermieden wurden, ist unerheblich. Da sich die Unredlichkeit des Schuldners in dem zielgerichteten Handeln hinreichend manifestiert, ist es, wenn zwischen den unrichtigen Angaben und den tatbestandlich vorausgesetzten Leistungen ein objektiver Zusammenhang besteht, ohne Bedeutung, ob der Schuldner mit Hilfe der Falschangaben sein Ziel tatsächlich erreicht hat[2].
Der Begriff „Kredit“ in § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist weit auszulegen. Er umfasst jede Form von Darlehen, Zahlungsaufschub oder Finanzierungshilfe[3]. Eine „Leistungsvermeidung“ im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist unproblematisch dann gewollt, wenn es dem Schuldner darum geht, bestandskräftige Steuern nicht bezahlen zu müssen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen abzuwehren. Gerade bei Anträgen auf Stundung von Steuerrückständen gemäß § 222 AO oder auf einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung (§ 258 AO) werden häufig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht[4]. Unrichtige Angaben zur Vermeidung von Steuerzahlungen sind schon in der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs einer Insolvenzordnung vom 15.04.1992 als Beispiel einer unter § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO fallenden Verhaltensweise aufgeführt[5].
Dem Schuldner ging es, wie sich aus dem Schreiben vom 11.03.2011 hinreichend deutlich ergibt, um die Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheides vom 09.08.2010 und um die Freigabe der beschlagnahmten Vermögenswerte.
Das Landgericht Neubrandenburg hat in der Beschwerdeinstanz[6] einen finalen Zusammenhang zwischen der Falschangabe im Schreiben vom 11.03.2011 und einer Leistungsvermeidung nicht erkennen können, weil die Steuerschuld bestandskräftig festgestellt und vorläufig gesichert worden sei. Dem Schuldner könne es allenfalls darum gegangen sein, erst später zahlen zu müssen. Selbst wenn dies zuträfe, wäre der Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO jedoch erfüllt. Auch ein Zahlungsaufschub oder eine Stundung stellen eine Leistungsvermeidung im Sinne dieser Vorschrift dar. Überdies ging es dem Schuldner, wie aus Nr. 3 seines Vergleichsvorschlags ersichtlich, auch um die Freigabe der von der Gläubigerin sichergestellten Vermögenswerte.
Das Landgericht Neubrandenburg hat weiter darauf verwiesen, dass der Schuldner die unrichtigen Angaben im Rahmen eines Vergleichsvorschlags gemacht habe. Zu entsprechenden Angaben sei er nicht verpflichtet gewesen. Eine Offenbarungspflicht habe nicht bestanden. Auch das steht der Annahme einer beabsichtigten Leistungsvermeidung jedoch nicht entgegen. Der Schuldner brauchte der Gläubigerin keinen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten. Wenn er es tat, durfte der Vorschlag aber keine unzutreffenden Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners enthalten. Zugeständnisse des Gläubigers hinsichtlich der Höhe, der Fälligkeit oder der Durchsetzung einer bereits festgestellten Forderung oder hinsichtlich der Verwertung bereits erlangter Sicherheiten, die durch unwahre Angaben erschlichen werden oder nach Vorstellung des Schuldners erschlichen werden sollen, unterfallen dem Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO.
Das Landgericht Neubrandenburg hat schließlich gemeint, der Vortrag des Schuldners, die neue Grundstückseigentümerin hätte die Sicherungshypothek bewilligt, sei nicht widerlegbar. Der Schuldner habe damit eine Sicherheit angeboten. Diese Überlegung trägt ebenfalls nicht. Der Schuldner hat keine Sicherheit an einem fremden Grundstück angeboten, sondern behauptet, das Grundstück gehöre ihm. Die bestehenden Sicherheiten sollten dem Schreiben vom 11.03.2011 zufolge gerade freigegeben werden.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18. November 2021 – IX ZB 1/21
- BGH, Beschluss vom 11.09.2003 – IX ZB 37/03, BGHZ 156, 139, 144; vom 09.03.2006 – IX ZB 19/05, NZI 2006, 414 Rn. 6; MünchKomm-InsO/Stephan, 4. Aufl., § 290 Rn. 51; K. Schmidt/Henning, InsO, 19. Aufl., § 290 Rn. 37[↩]
- BGH, Beschluss vom 20.12.2007 – IX ZB 189/06, NZI 2008, 195 Rn. 10; MünchKomm-InsO/Stephan, 4. Aufl., § 290 Rn. 56; HK-InsO/Waltenberger, 10. Aufl., § 290 Rn.19[↩]
- MünchKomm-InsO/Stephan, aaO Rn. 54; K. Schmidt/Henning, InsO, 19. Aufl., § 290 Rn. 39[↩]
- MünchKomm-InsO/Stephan, aaO Rn. 55[↩]
- BT-Drs. 12/2443, S.190 zu § 239 RegE-InsO; vgl. BGH, Beschluss vom 13.01.2011 – IX ZB 199/09, NZI 2011, 149 Rn. 6[↩]
- LG Neubrandenburg, Beschluss vom 03.12.2020 – 2 T 191/20[↩]