Der aus der Anfechtung der Auszahlung von Scheingewinnen resultierende Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters ist nicht mit den als Einlage des Anlegers erbrachten Zahlungen zu saldieren.

Hat der Anfechtungsgegner aufgrund der Auszahlung von Scheingewinnen bleibende steuerliche Belastungen zu tragen, so kann er sich insoweit auf den Einwand der Entreicherung berufen.
Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, der Insolvenzverwalter könne die Auszahlung von in “Schneeballsystemen” erzielten Scheingewinnen durch den späteren Insolvenzschuldner als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechten. Dies entsprach schon der Rechtsprechung unter Geltung der Konkursordnung, die der Bundesgerichtshof im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung fortgeführt hat.
Hingegen bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Annahme, der “Anleger” sei durch die Auszahlung der Scheingewinne nur insoweit ungerechtfertigt bereichert, als nach Abzug seiner Einlage ein Restbetrag verbleibe. Auf den Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters ist § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO anzuwenden. Diese Vorschrift enthält eine Verweisung auf die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 818 BGB). Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Die ausgezahlten Scheingewinne stellten keine Gegenleistung für die Einlage des Anlegers dar. Sie stehen mit dieser auch nicht in einem synallagmatischen Verhältnis. Zu § 818 Abs. 3 BGB ist umstritten, ob jeder Teil den ihm zustehenden Anspruch unabhängig vom Schicksal der Gegenforderung geltend machen muss (Zweikondiktionenlehre) oder ob die beiderseitigen Ansprüche zu saldieren sind (Saldotheorie).
Im Insolvenzrecht ist die Saldotheorie nur eingeschränkt anwendbar. Ein nichtiger Vertrag soll in der Insolvenz des Vertragspartners keine stärkeren Wirkungen äußern als ein rechtsgültiger. Die Saldotheorie bietet keine Grundlage dafür, Forderungen, die ohne eine Saldierungsmöglichkeit Insolvenzforderungen wären, zu Masseforderungen zu erheben. Leistungen, die nicht in einem synallagmatischen Verhältnis stehen, sollen nicht durch Saldierung in ein Gegenseitigkeitsverhältnis gebracht werden können, welches dem anderen Teil mehr Rechte verschafft, als ihm nach dem Insolvenzrecht zustünden. Entsprechend diesem Grundgedanken gilt für die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen im Dreiecksverhältnis, dass die Leistung, die der spätere Schuldner zur Tilgung einer nicht werthaltigen Forderung des Empfängers gegen einen Dritten erbracht hat, nicht schon deshalb entgeltlich ist, weil der Empfänger seinerseits Leistungen an den Dritten erbracht hat. Eine Anfechtung nach § 134 InsO entfällt nur dann, wenn der Dritte die von ihm geschuldete ausgleichende Gegenleistung anschließend erbringt. Würde man in diesen Fällen dem Anfechtungsgegner gestatten, eine Saldierung mit der früher an den Dritten erbrachten Leistung vorzunehmen, liefe die Anfechtung regelmäßig ins Leere, weil dieser sich auf Wegfall der Bereicherung wegen der von ihm zu einem früheren Zeitpunkt erbrachten Leistung berufen könnte.
Diese Grenzen der Saldotheorie müssen auch gelten, wenn es bei der Rückforderung ausgezahlter Scheingewinne um die Berücksichtigung der erbrachten Einlage des Anlegers geht. Die Einzahlung muss zwar erbracht werden, um – bei vertragskonformer Abwicklung des Geschäfts – Anspruch auf Auszahlung von Gewinnen zu erlangen. Ein Austauschverhältnis zwischen Einlagen- und Gewinnzahlungen gibt es aber nicht. Die Einlage ist Gegenleistung der vom Anleger erworbenen Beteiligung. Ob überhaupt Beträge ausgezahlt werden können, hängt davon ab, ob Gewinne erzielt werden. Beruht das gesamte Anlagemodell auf einer Täuschung der Anleger, kann ein innerer Zusammenhang zwischen der Einzahlung der Einlage und der Ausschüttung von Scheingewinnen erst recht nicht angenommen werden. Diese erfolgt nicht, um den Gewinnanspruch des Anlegers zu befriedigen. Sie dient vielmehr dem Zweck, das System in Gang zu halten und die Beteiligung für neue Anleger interessant zu machen. Wenn die Auszahlungen auf dem Anleger zugewiesene Scheingewinne erfolgt sind, ist eine Saldierung deshalb ausgeschlossen. Der Anleger muss seinen Anspruch auf Rückgewähr der Einlage, der Teil seines Schadensersatzanspruchs ist, nach § 144 Abs. 2 Satz 2 InsO zur Tabelle anmelden.
Der Einwand des Wegfalls der Bereicherung kann sich – neben Luxusaufwendungen, die der Anfechtungsgegner dem Gläubiger möglicherweise gem. § 143 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 Satz 1 InsO und § 818 Abs. 3 BGB entgegenhalten kann – nur auf Kosten beziehen, die im Zusammenhang mit der Auszahlung der Scheingewinne stehen. Die lange Zeit zuvor geleistete Einlage gehört nicht hierzu.
Gegen die Möglichkeit einer Saldierung spricht auch der insolvenzrechtliche Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Die Saldierung würde dazu führen, dass in betrügerischen Anlagensystemen, die nach dem “Schneeballsystem” arbeiten, die Gläubiger mit älteren Forderungen, an die zur Aufrechterhaltung des Systems Ausschüttungen geleistet werden, besser gestellt werden als diejenigen, die ihre Einlagen erst später erbringen und die infolge des bald danach erfolgten Zusammenbruchs der Gesellschaft leer ausgehen. Erstere dürften die von ihnen erbrachte Einlagezahlung auf die ihnen geleisteten “Ausschüttungen” verrechnen und damit diese selbst dann behalten, wenn sie innerhalb der Anfechtungsfrist erfolgt sind. Dies hätte die Minderung der Vermögensmasse der Schuldnerin zur Folge, die zur Befriedigung aller Gläubigeransprüche zur Verfügung steht. Mit der Saldierung würde im Ergebnis auch der Ausschluss der Aufrechnung “vorkonkurslicher” Schadensersatzansprüche gegen den insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruch unterlaufen werden. Altgläubiger könnten ihre Einlagenzahlung durch die Saldierung im Ergebnis doch dem Rückgewähranspruch entgegensetzen. Neugläubiger, die keine Ausschüttungen auf Scheingewinne erhalten haben, hätten diese Möglichkeit nicht.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. April 2010 – IX ZR 163/09