Wird dem Schuldner im Eröffnungsverfahren hinsichtlich der von ihm geführten Aktiv- und Passivprozesse ein Verfügungsverbot auferlegt und der vorläufige Verwalter ermächtigt, Aktiv- und Passivprozesse des Schuldners zu führen, so werden die rechtshängigen Verfahren unterbrochen.

Ein Zivilrechtsstreit wird gemäß § 240 Satz 2 ZPO nicht dadurch unterbrochen, dass in einem Insolvenzantragsverfahren das Insolvenzgericht dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1; § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO), sondern lediglich einen Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO) auferlegt. Bei dieser Sicherungsmaßnahme geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners nicht, wie es für § 240 Satz 2 ZPO vorausgesetzt wird, gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. Wird allerdings die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit dem Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbotes verbunden, tritt die Unterbrechungswirkung nach § 240 Satz 2 ZPO mit dieser Anordnung ein. Diese Auffassung wird von der überwiegenden Ansicht im Schrifttum geteilt.
Im vorliegend vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat das Insolvenzgericht der Schuldnerin hinsichtlich der von ihr geführten Aktiv- und Passivprozesse ein Verfügungsverbot auferlegt und den Beklagten als vorläufigen Insolvenzverwalter ermächtigt, Aktiv- und Passivprozesse der Schuldnerin zu führen. Dieses Verbot und die zu Gunsten des Insolvenzverwalters ausgesprochene Ermächtigung hat die ursprünglich der Schuldnerin zustehende Prozessführungsbefugnis uneingeschränkt auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen. Damit ist die nach § 240 Satz 2 ZPO maßgebliche Befugnis auf den Beklagten übergegangen.
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Die Verfahrenseröffnung berührt nicht die Partei- und Prozessfähigkeit des Schuldners, jedoch seine Prozessführungsbefugnis. Sie geht, soweit sich der Prozess auf das insolvenzbefangene Vermögen bezieht, auf den Insolvenzverwalter über.
Der damit verbundene Wechsel der Prozessführungsbefugnis bedarf auch einer verfahrensrechtlichen Absicherung, was insbesondere die Prozesssperre durch Unterbrechung des Zivilgerichtsverfahrens gemäß § 240 ZPO gewährleistet. Diese soll dem infolge der Insolvenzeröffnung eintretenden Wechsel der Prozessführungsbefugnis Rechnung tragen und sowohl dem Insolvenzverwalter als auch den Parteien Gelegenheit geben, sich auf die durch die Insolvenz veränderte rechtliche und wirtschaftliche Lage einzustellen. Auch soll der Insolvenzverwalter genügend Zeit haben, sich mit dem Gegenstand des Rechtsstreits vertraut zu machen und zu entscheiden, ob es nötig und zweckmäßig ist, das Verfahren zu betreiben.
Dieser Normzweck kann bereits im Eröffnungsverfahren Bedeutung gewinnen. Dem dient die Regelung des § 240 Satz 2 InsO. Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich hervorgehoben, mit der Ergänzung solle sichergestellt werden, dass ein anhängiger Zivilprozess auch bereits im Eröffnungsverfahren unterbrochen werden könne. Er hat hierbei in Anlehnung an § 80 InsO auf den Wechsel der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis Bezug genommen; dies schließt nicht aus, dass bei einem Wechsel der Prozessführungsbefugnis aufgrund einer wirksamen Einzelermächtigung des vorläufigen Insolvenzverwalters, wie vorliegend gegeben, ebenfalls die Prozesssperre des § 240 ZPO eingreift. Der zivilprozessuale Normzweck des § 240 ZPO knüpft an die Prozessführungsbefugnis an. Wird diese dem Schuldner bereits im Eröffnungsverfahren genommen und auf den vorläufigen Verwalter übertragen, kann der vom Gesetzgeber angestrebte Sicherungszweck nur erreicht werden, wenn auch das auf die Prozessführungsbefugnis beschränkte Verfügungsverbot die Rechtsfolge des § 240 ZPO auslöst.
Ein trotz Unterbrechung des Verfahrens ergangenes Urteil ist allerdings nicht nichtig, sondern mit den statthaften Rechtsmitteln angreifbar. Die angefochtenen Urteile sind daher einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens aufzuheben (§ 562 Abs. 1 und 2 ZPO). Die unterbrochene Sache ist – für den Fall der Beendigung der Unterbrechung zur neuen Verhandlung und Entscheidung – an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 16. Mai 2013 – IX ZR 332/12