Der Schuldner hat die Zahlungen eingestellt, wenn er einen maßgeblichen Teil der fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlt. Diese Feststellung kann nicht nur durch eine Gegenüberstellung der beglichenen und der offenen Verbindlichkeiten, sondern auch mit Hilfe von Indiztatsachen getroffen werden.

Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, welche der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.
Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge – sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils – erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz. Dessen Vorliegen ist jedoch schon dann zu vermuten, wenn der Schuldner seine drohende Zahlungsunfähigkeit kennt. Dies ergibt sich mittelbar aus § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO. Da für den anderen Teil die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet wird, wenn er wusste, dass dessen Zahlungsunfähigkeit drohte, können für den Vorsatz des Schuldners selbst keine strengeren Anforderungen gelten.
Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht und darum auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts nach § 17 InsO. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden. Eine solche Liquiditätsbilanz ist im Anfechtungsprozess jedoch entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet.
Im hier entschiedenen Streitfall ging der Bundesgerichtshof infolge einer Zahlungseinstellung von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aus (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO):
Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Das gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Die Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit kann eine Zahlungseinstellung begründen, wenn die Forderung von insgesamt nicht unbeträchtlicher Höhe ist. Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von Zahlungseinstellung auszugehen. Eine bloß vorübergehende Zahlungsstockung liegt nicht vor, wenn es dem Schuldner über mehrere Monate nicht gelingt, seine fälligen Verbindlichkeiten spätestens innerhalb von drei Wochen auszugleichen und die rückständigen Beträge insgesamt so erheblich sind, dass von lediglich geringfügigen Liquiditätslücken keine Rede sein kann.
Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es nicht einer darüber hinaus gehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder gar einer Unterdeckung von mindestens 10 v.H.. Dafür kann auch ein Vortrag ausreichend sein, der zwar in bestimmten Punkten lückenhaft ist, eine Ergänzung fehlender Tatsachen aber schon auf der Grundlage von Beweisanzeichen zulässt. Es obliegt dann dem Tatrichter, ausgehend von den festgestellten Indizien eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob eine Zahlungseinstellung gegeben ist.
Nach diesen Maßstäben rechtfertigen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs die festgestellten Beweisanzeichen die Annahme einer Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) des Schuldners:
Im Streitfall bestanden bereits im Zeitpunkt der ersten von dem Schuldner zugunsten des beklagten Landes bewirkten Zahlung mit Rücksicht auf die Forderung der B. in Höhe von 118.348,51 € sowie die Forderung des L. über 1.260 € beträchtliche Zahlungsrückstände, die der Schuldner bis zu der Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen hat. Bereits dieser Umstand begründet entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts regelmäßig ein Indiz für eine Zahlungseinstellung. Auch wenn lediglich zwei Forderungen offenstanden, fällt bei der Bewertung ins Gewicht, dass allein die Forderung der B. über 118.348,51 € mit Rücksicht auf den Umfang des Geschäftsbetriebs des Schuldners einen maßgeblichen Betrag ausmachte. Die jahrelange Nichtbegleichung von Sozialversicherungsbeiträgen bildet ein erhebliches Beweisanzeichen für eine Zahlungseinstellung.
Auch ist für den Bundesgerichtshof ein zusätzliches Indiz für eine Zahlungseinstellung aus der Nichtzahlung sowie der schleppenden Zahlung von Steuerforderungen durch den Schuldner herzuleiten. Ferner hat das Berufungsgericht außer Acht gelassen, dass der Schuldner infolge der ständigen verspäteten Begleichung auch seiner sonstigen Verbindlichkeiten einen Forderungsrückstand vor sich hergeschoben hat und demzufolge ersichtlich am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operierte. Die sich immer wieder erneuernden Forderungsrückstände widerlegen die Bewertung des Berufungsgerichts, dass kein wesentlicher Teil der Verbindlichkeiten betroffen war und es sich um lediglich geringfügige Liquiditätslücken handelte.
Schließlich hat das Berufungsgericht verkannt, dass die gegen den Schuldner betriebenen verschiedenen Vollstreckungsverfahren ebenfalls die Schlussfolgerung der Zahlungseinstellung nahelegen. Angesichts seiner schlechten finanziellen Lage manifestierte sich ein Indiz für eine Zahlungseinstellung des Schuldners zudem in dem Umstand, dass ein von ihm hingegebener Scheck mangels Deckung von seiner Bank nicht eingelöst wurde. Ferner gestattet die vom Schuldner wegen Steuerverbindlichkeiten von 87.282,48 € am 10.12. 2002 mit dem Finanzamt geschlossene Ratenzahlungsvereinbarung den Schluss auf die Zahlungseinstellung. Insoweit ist es ohne Bedeutung, ob die Steuerforderungen erst nach Abschluss der Stundungsvereinbarung fällig wurden. Entscheidend ist vielmehr, dass sich der Schuldner im Zeitpunkt der Fälligkeit zu ihrer Zahlung außerstande sah und deshalb vorsorglich mit dem Finanzamt eine Stundungsvereinbarung getroffen hat.
Verwirklichen sich mehrere gewichtige Beweisanzeichen, ermöglicht dies die Bewertung, dass eine Zahlungseinstellung vorliegt. In dieser Weise verhält es sich auf der Grundlage der bisherigen tatrichterlichen Feststellungen im Streitfall.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. Juni 2011 – IX ZR 134/10