Die Vereinnahmung der Vergütung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter in einem nicht zur Eröffnung gelangten Verfahren kann in einem später eröffneten Insolvenzverfahren als kongruente Deckung anfechtbar sein.

Anfechtbare Rechtshandlung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist in diesem Fall die Überweisung der festgesetzten Vergütung von dem von ihm für Zwecke des Insolvenzeröffnungsverfahrens geführten Anderkonto auf sein eigenes Konto. Der Begriff der Rechtshandlung ist weit auszulegen. Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln, das rechtliche Wirkungen auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann. Diese Voraussetzungen sind hier offensichtlich gegeben.
Der vorläufige Insolvenzverwalter war in dem später eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin Insolvenzgläubiger. Insolvenzgläubiger im Sinne des § 130 InsO sind solche Gläubiger, die ohne die erlangte Deckung in dem anschließenden Insolvenzverfahren in Bezug auf die befriedigte Forderung nur im Rang der §§ 38, 39 InsO teilgenommen hätten.
Die Vergütungsansprüche des vorläufigen Insolvenzverwalters sind in dem eröffneten Verfahren keine Massekosten. Die §§ 53, 54 Nr. 2 InsO betreffen nur die Kosten des eröffneten und durchgeführten Verfahrens, nicht die Kosten anderer Insolvenzverfahren, auch nicht die Kosten vorausgegangener Eröffnungsverfahren, die nicht zur Eröffnung geführt haben und nach wirksam für erledigt erklärtem Insolvenzantrag auch nicht mehr zur Eröffnung führen konnten. Wäre es anders, dürften Insolvenzverfahren gemäß § 26 InsO nicht mehr eröffnet werden, wenn mit der Masse nicht auch die noch offenen Kosten früherer Verfahren gedeckt wären. Die Kosten früherer Verfahren müssten im Falle der Verfahrenskostenstundung von der Staatskasse getragen werden, soweit die Insolvenzmasse dafür nicht ausreicht, § 63 Abs. 2 InsO. Bei Masseunzulänglichkeit müssten zunächst auch die Kosten früherer Verfahren gedeckt werden, § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Dass dies nicht gemeint sein kann, ist offensichtlich. Gedeckt sein müssen nur die Kosten des konkret durchgeführten Verfahrens.
Der vorläufige Insolvenzverwalter wäre deshalb ohne die erlangte Befriedigung im eröffneten Verfahren Insolvenzgläubiger.
Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn, wie die Revisionserwiderung meint, eine einheitliche materielle Insolvenz vorlag, also schon in dem früheren Eröffnungsverfahren ein Eröffnungsgrund vorlag und dieses Verfahren lediglich mangels zulässigen Gläubigerantrags nicht zur Eröffnung gelangte. Ob dies entsprechend dem Rechtsgedanken des § 139 Abs. 2 InsO bejaht werden könnte, wenn mehrere zulässige und begründete Insolvenzeröffnungsanträge vorlagen, von denen einer zur Eröffnung führte, weshalb die anderen aus verfahrensrechtlichen Gründen für erledigt erklärt werden mussten, kann dahinstehen. In einem solchen Fall hätten auch die für erledigt erklärten Anträge zur Eröffnung geführt. Deshalb könnte es naheliegen, dort angefallene Vergütungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters dem eröffneten und durchzuführenden Verfahren zuzurechnen. Der hier wegen Bezahlung des antragstellenden Gläubigers wirksam für erledigt erklärte Insolvenzantrag konnte jedoch nicht mehr zur Eröffnung führen. Allerdings hätte der vorläufige Insolvenzverwalter durch Verweigerung seiner Zustimmung die Erfüllung der Gläubigerforderung durch den Schuldner verhindern können.
Ob der vorläufige Insolvenzverwalter eine kongruente oder inkongruente Deckung seines Vergütungsanspruchs erlangt hat, kann dahinstehen, weil jedenfalls schon die Voraussetzungen der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO vorliegen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Vergütung überhaupt vom Insolvenzgericht festgesetzt werden konnte, ob der Beschluss wirksam ist und ob der vorläufige Insolvenzverwalter berechtigt war, die Vergütung trotz der zwischenzeitlich bereits erfolgten Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen in ausdehnender Anwendung des § 25 Abs. 2 InsO auch noch nach Aufhebung seiner Bestellung aus dem von ihm verwalteten Vermögen des Schuldners zu entnehmen. Die Entnahme wurde jedenfalls nach dem Antrag vorgenommen, der in dem neu eingeleiteten Verfahren zur Eröffnung führte. Dem vorläufigen Insolvenzverwalters war, wie er auch in der Revision geltend macht, zu diesem Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt. Er hatte sie in seinem weitgehend fertig gestellten und beim Insolvenzgericht eingereichten Gutachten festgestellt.
Die nach § 129 Abs. 1 InsO stets erforderliche objektive Gläubigerbenachteiligung ist gegeben. Sie liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt hat, wenn sich also die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten. Dies war hier durch die Entnahme des Geldes vom Anderkonto und die Überführung in das Eigenvermögen des vorläufigen Insolvenzverwalters gegeben. Die übrigen Insolvenzgläubiger der Schuldnerin konnten hierauf nicht mehr zugreifen.
Hieran ändert sich nichts durch den Umstand, dass der vorläufige Insolvenzverwalter für die Vereinnahmung der Gelder der Schuldnerin das Sonderkonto als echtes Anderkonto angelegt hatte. Daraus ergibt sich entgegen der Auffassung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht, dass die Entnahme das Vermögen der Schuldnerin nicht betroffen hätte.
Der vorläufige Insolvenzverwalter war zwar als Vollrechtsinhaber des von ihm eingerichteten Anderkontos allein der Bank gegenüber berechtigt und verpflichtet. Auf das von einem Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter eingerichtete Anderkonto eingehende Gelder gehören nicht zur Insolvenzmasse im Sinne des § 35 InsO. Nach dieser Vorschrift erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Zahlungen, die auf einem Anderkonto des vorläufigen Insolvenzverwalters eingehen, fallen weder in die Masse noch in das Schuldnervermögen.
Anderkonten sind jedoch offene Vollrechtstreuhandkonten. Die darauf eingegangenen Gelder sind Treugut des Insolvenzschuldners. Bei Beendigung des Treuhandverhältnisses sind sie an den Treugeber herauszugeben, § 667 BGB.
Das Tatbestandsmerkmal der Gläubigerbenachteiligung in § 129 Abs. 1 InsO ist im Hinblick auf den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung in einem umfassenden Sinne zu verstehen und daher auch bei Rechtshandlungen gegeben, die lediglich mittelbar eine Gläubigerbenachteiligung bewirken. Für die Anfechtung nach § 130 InsO ist eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ausreichend. Diese trat hier jedenfalls dadurch ein, dass der vorläufige Insolvenzverwalter das zuvor auf dem Anderkonto befindliche Geld, das er durch die Überweisung auf ein eigenes Konto für sich selbst vereinnahmt hatte, nicht mehr an die Schuldnerin oder die Klägerin auskehren konnte. Die Frage, ob in der Entnahme des Geldes bereits eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung lag, kann dahinstehen.
Soweit der vorläufige Insolvenzverwalter gegen den entsprechenden Auszahlungsanspruch aufgerechnet hat, ist die Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO unwirksam.
Die Anfechtung ist nicht nach § 142 InsO unter dem Gesichtspunkt des Bargeschäfts ausgeschlossen.
Als Bargeschäft werden Leistungen privilegiert, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt ist. Auch Dienstleistungen von Rechtsanwälten und Steuerberatern können Bargeschäfte sein. Die Tätigkeit eines vorläufigen Insolvenzverwalters ist dem vergleichbar.
Der Bundesgerichtshof hat allerdings angenommen, dass ein Bargeschäft nur vorliegt, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat. Dem Tätigwerden des vorläufigen Insolvenzverwalters liegt nicht ein Vertrag mit dem Schuldner zugrunde, sondern die Bestellung durch das Insolvenzgericht nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO. § 142 InsO stellt jedoch nach seinem Wortlaut lediglich darauf ab, ob für die Leistungen des Schuldners unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt ist. Insoweit erscheint erwägenswert, auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter für seine Vergütung im nicht eröffneten Verfahren die Privilegierung des Bargeschäfts zu gewähren.
Auch die Annahme einer gleichwertigen Gegenleistung erscheint möglich. Denn der vorläufige Insolvenzverwalter hat wegen seiner Tätigkeit bei nicht eröffnetem Verfahren einen materiellrechtlichen Anspruch auf Vergütung und Auslagenersatz gegen den Schuldner.
Die Voraussetzungen des Bargeschäfts lagen hier aber jedenfalls deshalb nicht vor, weil es an der Unmittelbarkeit des Leistungsaustausches fehlte.
Für das anwaltliche Mandatsverhältnis hat der Bundesgerichtshof die Annahme eines Bargeschäfts ausgeschlossen, wenn zwischen dem Beginn der anwaltlichen Tätigkeit und der Erbringung der Gegenleistung mehr als 30 Tage liegen. Bei Anforderung eines Vorschusses ist eine anfechtungsrechtliche Bargeschäftsausnahme nur dann anzunehmen, wenn in regelmäßigen Abständen Vorschüsse eingefordert werden, die in etwa dem Wert der inzwischen entfalteten oder in den nächsten 30 Tagen noch zu erbringenden Rechtsanwaltstätigkeit entsprechen. Ferner kann vereinbart werden, Teilleistungen gegen entsprechende Vergütungen zu erbringen.
Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat der vorläufige Insolvenzverwalter seine Leistungen mit seiner Bestellung am 31.03.2006 begonnen. Seine Vergütung hat er jedoch der Schuldnerin erst am 08.08.2006 in Rechnung gestellt, nachdem er zuvor am 16.06.2006 seine Tätigkeit dem Amtsgericht gegenüber abgerechnet hatte. Die Entnahme erfolgte am 09.08.2006. Zwischen Beginn der Tätigkeit und Zahlung lagen mehr als vier Monate. Selbst wenn man für die Frage der Unmittelbarkeit auf die erstmalige Geltendmachung des Vergütungsanspruchs gegenüber dem Insolvenzgericht abstellen würde, weil der vorläufige Insolvenzverwalter davon ausging, vor der Festsetzung der Vergütung diese nicht beanspruchen zu können, wäre die 30-Tagefrist seit Beginn der Tätigkeit nicht gewahrt. An dieser Frist muss zur Vermeidung einer unangemessenen Ausdehnung des Bargeschäfts festgehalten werden.
Eine Gläubigerbenachteiligung im eröffneten Verfahren kann schließlich nicht mit dem Argument verneint werden, der vorläufige Insolvenzverwalter sei letztlich im Interesse der Gläubiger tätig geworden, weshalb diese nicht benachteiligt sein könnten. Dies würde in unzulässiger Weise einen abstrakten Gläubigerbegriff zugrunde legen. Die Insolvenzgläubiger in einem später eröffneten Verfahren können andere sein als die Gläubiger zur Zeit eines früher durchgeführten Eröffnungsverfahrens. Sie können deshalb durch eine Tätigkeit für frühere Gläubiger benachteiligt werden.
Schließlich ist der Anspruch auf Vergütung des vorläufigen Verwalters im nicht eröffneten Verfahren gegen den Schuldner gerichtet, nicht gegen die Gläubiger. Hiermit stünde die Ablehnung der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger im eröffneten Verfahren im Widerspruch.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. Dezember 2011 – IX ZR 118/11