Die Merkmale der Ortsnähe und der Erreichbarkeit des Insolvenzverwalters vor Ort stellen keine sachgerechten Kriterien für die generelle Geeignetheit zur Aufnahme eines Bewerbers in die Vorauswahlliste dar. Der ortsnah erreichbare Bewerber muss sein insolvenzrechtlich geschultes Personal nicht ständig ortsnah vorhalten.

Für das Vorauswahlverfahren steht die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der persönlichen und fachlichen Eignung im Vordergrund. Für diese generelle Eignung ist ein bestimmtes Anforderungsprofil zu erstellen, nach dem sich die Qualifikation des jeweiligen Bewerbers richtet. Der Insolvenzrichter hat die Auswahlkriterien transparent zu machen, etwa durch Veröffentlichung im Internet oder durch Fragebögen. Dabei ist es ihm verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen; darüber hinaus kann die tatsächliche Vergabepraxis zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen (Art. 3 Abs. 1 GG; BVerfGE 116, 135, 153 f). Damit die Vorauswahlliste die ihr zukommende Funktion erfüllen kann, darf sich das Vorauswahlverfahren nicht nur auf das Erstellen einer Liste mit Namen und Anschriften interessierter Bewerber beschränken, vielmehr müssen die Daten über die Bewerber erhoben, verifiziert und strukturiert werden, die der jeweilige Insolvenzrichter nach der eigenen Einschätzung für eine sachgerechte Ermessensausübung bei der Auswahlentscheidung benötigt. Erfüllt ein Bewerber die persönlichen und fachlichen Anforderungen für das Amt des Insolvenzverwalters im Allgemeinen, kann ihm die Aufnahme in die Liste nicht versagt werden. Ein Ermessen für den die Vorauswahlliste führenden Insolvenzrichter besteht nicht. Ihm ist allerdings ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen, wenn er den Bewerber an den allgemeinen Kriterien für die fachliche und persönliche Eignung misst. Denn seiner Beurteilung, ob der Bewerber dem Anforderungsprofil genügt, ist ein prognostisches Element immanent.
Die vom Insolvenzrichter geforderten Merkmale der Ortsnähe des Büros und der persönlichen Erreichbarkeit des Verwalters vor Ort sind keine sachgerechten Merkmale für die Bestimmung der generellen Eignung eines Bewerbers zur Aufnahme in die Vorauswahlliste, wie das Oberlandesgericht mit Recht erkannt hat.
In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, nach welchen Gesichtspunkten das Merkmal der Ortsnähe gegebenenfalls sachgerecht bestimmt werden kann. Einerseits wird verlangt, dass das Büro innerhalb des Landgerichtsbezirks oder des Oberlandesgerichtsbezirks liegen soll. Andererseits wird eine bestimmte örtliche (etwa maximal 100 Kilometer) oder zeitliche (etwa 20 bis 30 Minuten Anfahrtszeit, eine Stunde Anfahrtszeit oder anderthalb bis zwei Stunden Anfahrtszeit) Entfernung zum Gerichtsort gefordert. Wegen dieser unterschiedlichen Ansätze wird versucht, das Merkmal der Ortsnähe durch das Merkmal der allgemeinen Erreichbarkeit des Verwalters zu ersetzen. Andere wiederum sehen in den Merkmalen der Ortsnähe und Erreichbarkeit kein geeignetes oder ein nur eingeschränkt geeignetes Auswahlkriterium und messen ihm nur bei der Bestellung im Einzelfall Bedeutung zu.
Dies zeigt, dass es bislang nicht gelungen ist, den Merkmalen der Ortsnähe und der persönlichen Erreichbarkeit des Insolvenzverwalters vor Ort hinreichend klare Konturen zu geben. Deswegen können sie keine geeigneten generellen Eignungsvoraussetzungen für die Aufnahme eines Bewerbers in die Vorauswahlliste sein, sie spielen nur für die Ausübung des Auswahlermessens im Einzelfall eine Rolle. Denn angesichts der heutigen modernen Datenübermittlungs- und Kommunikationsmöglichkeiten ist die Ortsnähe des Verwalterbüros nicht mehr ausschlaggebend, um Kontakt zum Insolvenzgericht, dem Schuldner und den Gläubigern aufzunehmen und zu halten.
Gerade in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen eines großen Unternehmens mit deutschlandweit verschiedenen Standorten und Betriebsstätten erscheint das Verlangen nach einem Bürositz in der Nähe des Insolvenzgerichts nicht mehr sachgerecht. Sind die maßgeblichen Entscheidungsträger des Schuldners und/oder der Geldgeber, die eine Sanierung des Schuldners zu finanzieren bereit sind, in der Nähe des Insolvenzgerichts gerade nicht erreichbar, macht es noch weniger Sinn; vom Verwalter zu verlangen, ein Büro in der Nähe des Insolvenzgerichts zu unterhalten und regelmäßig dort anwesend zu sein. Auch könnten Bewerber mit besonderen Spezialkenntnissen und Erfahrungen nicht in die Vorauswahlliste aufgenommen werden, wenn sie ihren Kanzleisitz weiter entfernt vom Insolvenzgericht haben. Es bestünde deswegen die Gefahr, dass zum Nachteil der Gläubiger diese Bewerber in der konkreten Auswahlentscheidung übergangen und ihre Spezialkenntnisse und Fähigkeiten dem konkreten Insolvenzverfahren vorenthalten würden. Demgegenüber kann es in Verbraucher- oder kleineren Regelinsolvenzverfahren im Einzelfall sinnvoll erscheinen, einen Insolvenzverwalter zu bestellen, der ein Büro an dem Ort unterhält, wo der mittellose Schuldner und ein Großteil seiner Gläubiger wohnen. Gerade geschäftlich nicht so gewandte Verfahrensbeteiligte benötigen eher ein Büro in der Nähe, um Unterlagen abgeben und Fragen stellen zu können.
Diese Überlegungen machen deutlich, dass die Kriterien der Ortsnähe und Erreichbarkeit des Verwalters vor Ort für die eigentliche Auswahlentscheidung bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters von entscheidender Bedeutung sein können. Keinesfalls sind sie als Merkmale der generellen Eignung eines Bewerbers, unabhängig von aktuell bearbeiteten Verfahren und den sich daraus ergebenden Anforderungen, sachgerecht.
Überdies erfüllt die Insolvenzverwalterin die Kriterien der Ortsnähe und persönlichen Erreichbarkeit vor Ort. Sie wohnt in Hamburg, hat dort ihr Büro, arbeitet dort und ist dort erreichbar. Das Oberlandesgericht hat sich auch davon überzeugt, dass die Insolvenzverwalterin in Hamburg tatsächlich ein Büro unterhält und das von ihr mitgeteilte Büro kein Scheinbüro darstellt. Der weiteren Forderung des Insolvenzrichters, die Insolvenzverwalterin müsse ein geschultes Personal in ausreichender Anzahl in ihrem Büro in Hamburg vorhalten, es genüge nicht, dass sie im Falle ihrer Bestellung auf den großen und geschulten Mitarbeiterstab der überregional tätigen Insolvenzverwalterkanzlei zurückgreife, es sei ihr verwehrt, die Tabellenführung und Buchhaltung an den Standort Berlin auszulagern, ist nicht haltbar. Allerdings hat ein Bewerber über eine Büroorganisation zu verfügen, die es ermöglicht, nicht nur einen Betrieb zeitweilig fortzuführen, sondern auch die zwangsläufig anfallenden Arbeiten – wie Erfassung der Sozialdaten der Arbeitnehmer, Debitoren und Kreditoren sowie die Aufgaben nach dem Insolvenzausfallgeldgesetz und des Betriebsrentengesetzes – zu übernehmen. Neben der notwendigen Ausstattung des Büros sind eine ausreichende Ausbildung, Verfügbarkeit und fachliche Kompetenz der Mitarbeiter zu fordern. Eine solche Büroorganisation muss ein Bewerber jedoch nicht zwingend vor Ort vorhalten. Es ist ihm nicht verwehrt, sein Büro so zu organisieren, dass er, sofern er Mitglied einer bundesweit tätigen Insolvenzverwalterkanzlei ist, die anfallenden Arbeiten durch geschultes Personal an anderen Standorten erbringen und seine Mitarbeiter bei Bedarf anreisen lässt. Angesichts der modernen Datenübermittlung und Kommunikationsmöglichkeiten hat der Bewerber auch bei einer solchen ausgelagerten Büroorganisation jederzeit Zugriff auf sämtliche Informationen, die das Verfahren betreffen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17. März 2016 – IX AR (VZ) 2/15







