Steht das auf jeden Monat des Insolvenzgeld-Zeitraumes entfallende, offen gebliebene Arbeitsentgelt fest, ist dieses auf den Wert einer monatlichen Beitragsbemessungsgrenze und sodann um die üblichen Abzüge (Steuern, Sozialversicherungsbeiträge) zu kürzen. Eine Gegenüberstellung der im Insolvenzgeld-Zeitraum insgesamt offen gebliebenen Ansprüche mit dem Wert der dreifachen monatlichen Beitragsbemessungsgrenze findet nicht statt.

Seit 2004 erfolgt eine “betragsmäßige Begrenzung” des Insolvenzgeldes, das seither nicht mehr “für sehr hohe Nettoarbeitsentgelte gezahlt” werden soll. Ließe man eine Zusammenrechnung der monatlichen Beitragsbemessungsgrenzen zu, würden gerade Spitzengehälter in (zeitlich betrachtet) weniger gravierenden Versicherungsfällen begünstigt, in denen ein Arbeitsentgeltausfall nicht für den gesamten Insolvenzgeld-Zeitraum eingetreten ist, wie dies hier auf Grund einer frühzeitigen Kündigung des Arbeitnehmers der Fall ist.
Damit beantwortet das Bundessozialgericht die Rechtsfrage, wie die zum 1.01.2004 in die Regelung des § 185 Abs 1 SGB III aF eingefügte Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Bruttoarbeitsentgelts durch die monatliche Beitragsbemessungsgrenze zu verstehen ist.
Das Bundesarbeitsgericht legt § 185 Abs 1 SGB III aF im Sinne einer monatsweisen Berechnung des Insolvenzgeld-Anspruchs aus. Die pro Monat abgesicherten Ansprüche auf Arbeitsentgelt werden durch die monatliche Beitragsbemessungsgrenze begrenzt. Im Jahr 2007 hatte die Beklagte monatliches Insolvenzgeld höchstens in Höhe des Nettoarbeitsentgelts zu leisten, das sich ergibt, wenn der Betrag von 5250 Euro um die individuellen gesetzlichen Abzüge vermindert wird.
Dafür spricht schon der Wortlaut der Norm. Andernfalls wäre der Zusatz “monatliche” im Gesetzestext überflüssig. Eines solchen Hinweises hätte es sonst nicht bedurft, denn die in Bezug genommene Vorschrift des § 341 Abs 4 SGB III differenziert insoweit ebenfalls nicht. Dem bestimmenden Hinweis lässt sich daher nur dann eine Bedeutung beimessen, wenn man den monatlichen Wert als festen Grenzwert ansieht.
Für die Ansicht, dass in § 185 Abs 1 SGB III aF Monatswerte geregelt sind, spricht ferner, dass sowohl das als Ausgangspunkt der Berechnung genannte Bruttoarbeitsentgelt als auch das im Ergebnis dem Insolvenzgeld entsprechende Nettoarbeitsentgelt üblicherweise monatlich abgerechnet wird. Insofern knüpfen das Steuerrecht und das Beitragsrecht der Sozialversicherung an die tatsächlichen Gegebenheiten in der Arbeitswelt an. Maßgebend für die Berechnung der gesetzlichen Abzüge ist der im jeweiligen Einzelfall vereinbarte Entgeltabrechnungszeitraum. Die im Lohnsteuer- und Beitragsrecht relevanten Rechenschritte werden in § 185 Abs 1 SGB III aF auf die Ermittlung der Höhe des Insolvenzgeld übertragen, das dem tatsächlich ausgefallenen Nettoentgelt im konkreten Einzelfall entspricht. Anders als etwa beim Arbeitslosengeld werden nicht pauschale Abzüge gemacht, um ein durchschnittliches Nettoentgelt nachzubilden. Das Bruttoarbeitsentgelt ist vielmehr um die für den individuellen anspruchsberechtigten Arbeitnehmer anfallenden gesetzlichen Abzüge zu vermindern (auch die ergänzende Regelung des § 208 Abs 1 SGB III aF geht von der Zahlung des tatsächlichen Gesamtsozialversicherungsbeitrags für die letzten drei Monate aus). Diese Berechnung erfordert ohnehin eine monatsweise Betrachtung.
Die Annahme, der erste Rechenschritt, die Begrenzung des Bruttoarbeitsentgelts durch die “monatliche Beitragsbemessungsgrenze” sei nicht auf den Monat, sondern auf den gesamten Insolvenzgeld-Zeitraum bezogen, würde in diesem sprachlichen Kontext einen logischen Bruch bedeuten. Schließlich weist die Revision zur grammatikalischen Auslegung des § 185 Abs 1 SGB III aF zutreffend darauf hin, dass es für den Gesetzgeber näher gelegen hätte, eine andere Formulierung zu wählen, wenn er beabsichtigt hätte, einen einheitlichen Grenzbetrag für den gesamten Insolvenzgeld-Zeitraum anzuordnen. Wollte man – wie der Kläger – stets die dreifache monatliche Beitragsbemessungsgrenze zugrunde legen, hätte anstelle des Wortes “monatliche” das Wort “vierteljährliche” verwendet werden können. Wollte man – wie das LSG – für jeden Monat mit Entgeltausfall die monatliche Beitragsbemessungsgrenze addieren, wäre die Verwendung des Wortes “anteilige” naheliegend gewesen.
In dieselbe Richtung weist die historische Auslegung des § 185 Abs 1 SGB III aF. Zur Einfügung der Leistungsbemessungsgrenze durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs: “Das Recht der Europäischen Union ermächtigt die Mitgliedstaaten, die Leistungen bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zu begrenzen. Von dieser Möglichkeit soll Gebrauch gemacht und das der Berechnung des Insolvenzgeldes zugrunde zu legende Arbeitsentgelt (Bruttoarbeitsentgelt) auf die Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze begrenzt werden.” Auch insoweit erscheint es nach dem allgemeinen Sprachgebrauch näherliegend, dass nach dem Willen des Gesetzgebers dem typischerweise monatsbezogenen Entgelt die monatliche Beitragsbemessungsgrenze als Grenzwert gegenübergestellt werden sollte.
Gegen die Ansicht, § 185 Abs 1 SGB III aF enthalte einen einheitlichen Grenzbetrag für den Gesamtanspruch auf Insolvenzgeld, spricht auch der systematische Zusammenhang der Norm. Denn das durch die Insolvenzgeld-Versicherung geschützte Arbeitsentgelt wird auf zwei verschiedene Weisen begrenzt. Während § 185 Abs 1 SGB III aF eine Kappungsgrenze für die Anspruchshöhe bestimmt, ist § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III aF eine zeitliche Begrenzung zu entnehmen. Die Vorschriften sind durch ihren systematischen Standort (einerseits bei den anspruchsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen, andererseits bei der Berechnung der Anspruchshöhe) klar voneinander getrennt und weisen auch eine eigenständige Entstehungsgeschichte auf: der Drei-Monats-Zeitraum bestimmte schon unter Geltung des Arbeitsförderungsgesetzes den Anspruch auf Konkursausfallgeld. Er sollte indes nicht die Anspruchshöhe regulieren, sondern eine Verschleppung des Konkursverfahrens verhindern. In der Gesetzesbegründung wurde die Befürchtung geäußert, eine Lohngarantie für einen noch längeren Zeitraum könnte es an sich schon zahlungsunfähigen Arbeitgebern ermöglichen, ihren Kreditrahmen durch Stundungsvereinbarungen mit den Arbeitnehmern zu Lasten der Konkursversicherung zu erweitern. Dagegen wurde eine die Höhe betreffende Beschränkung des Insolvenzgeld-Anspruchs erstmalig 2004 wirksam. In diesem Zusammenhang wurde der abgesicherte Zeitraum nicht verändert. Nach wie vor sollte ein Arbeitsentgeltausfall (nunmehr maximal in Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze) für die Dauer von bis zu drei Monaten vor dem Insolvenzereignis abgesichert sein, nicht jedoch ein Monatsgehalt in dreifacher Höhe (gemessen an der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze).
Diese systematische Unterscheidung zwischen der zeitlichen und der finanziellen Begrenzung des Anspruchs lässt sich auch den europarechtlichen Grundlagen entnehmen. Im streitgegenständlichen Zeitraum galt die Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20.10.1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Inzwischen ist die Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers in Kraft getreten, ohne dass damit eine wesentliche inhaltliche Änderung der einschlägigen Regelungen verbunden gewesen wäre. Während Art 4 Abs 2 der Richtlinie den Mitgliedstaaten eine zeitliche Begrenzung der Garantie zubilligt, enthält Art 4 Abs 3 der Richtlinie unabhängig davon die Ermächtigung zu einer Einschränkung der Anspruchshöhe.
Auch die Äquivalenz von Umlagezahlung zur Finanzierung des Insolvenzgeld und Versicherungsschutz spricht für die strenge Begrenzung des monatlichen Insolvenzgeld-Anspruchs durch die monatliche Beitragsbemessungsgrenze. Es handelt sich um eine eigenständige Sozialversicherung, deren Mittel nach Maßgabe des § 358 Abs 1 SGB III von den Arbeitgebern aufgebracht werden. Die Umlage wird nach einem bestimmten Prozentsatz des insgesamt gezahlten Arbeitsentgelts erhoben, wobei gemäß § 358 Abs 2 SGB III die die Beitragsbemessungsgrenze übersteigenden Vergütungsanteile außer Betracht bleiben.
Schließlich wird mit der in § 185 Abs 1 SGB III aF normierten Anspruchsbegrenzung der Höhe nach ein eigenständiger Zweck verfolgt, der nicht von der Dauer des Insolvenzgeld-Zeitraums beeinflusst wird. Das mit der Einführung der Regelung verbundene Ziel des Gesetzgebers war die “betragsmäßige Begrenzung” des Insolvenzgeld-Anspruchs, der nicht mehr “auch für sehr hohe Nettoarbeitsentgelte gezahlt” werden sollte, um damit “auf das starke Ansteigen der Ausgaben” zu reagieren. Die bezweckte Mitteleinsparung wird – wie der vorliegende Sachverhalt anschaulich zeigt – am besten erreicht, wenn mit der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze eine klare Grenze für die für diesen Monat ausstehenden Ansprüche auf Arbeitsentgelt gezogen wird. Durch die Gegenansicht würde der Sinn der 2004 eingeführten Begrenzung der Anspruchshöhe dagegen geradezu in sein Gegenteil verkehrt. Begünstigt würden nämlich ausschließlich Spitzengehälter in (zeitlich betrachtet) weniger gravierenden Versicherungsfällen, in denen kein Arbeitsentgeltausfall für den gesamten Insolvenzgeld-Zeitraum eingetreten ist.
Diese Auslegung des § 185 Abs 1 SGB III aF führt nicht dazu, dass Einmalzahlungen nicht zweifelsfrei einem Anspruchsmonat zugeordnet werden könnten und deshalb schlimmstenfalls unberücksichtigt bleiben müssten. Die Zuordnung ist vielmehr nach dem oben Gesagten ohnehin erforderlich, um im Rahmen der Prüfung des § 183 Abs 1 SGB III aF festzustellen, ob (und wenn ja, in welchem Umfang) ein solcher Anspruch insolvenzgeldfähig ist, weil er “für” den Insolvenzgeld-Zeitraum besteht. Ob das Insolvenzereignis am Anfang, in der Mitte oder am Ende eines Kalendermonats liegt, ist dafür unerheblich. Soweit im Schrifttum “Ungerechtigkeiten” beklagt werden, die mit dieser Zuordnung verbunden seien, vermag das Bundesarbeitsgericht nicht zu erkennen, dass seine Auslegung des § 185 Abs 1 SGB III aF zu Härten führen würde, die über diejenigen hinausgingen, die mit jeder Stichtags- oder Fristenregelung unweigerlich verbunden sind. Eine solche Begrenzung des Insolvenzgeld-Anspruchs (zeitlich und der Höhe nach) ist gerade die Intention des Gesetzgebers.
Mit der vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Anspruchsbegrenzung durch die monatliche Beitragsbemessungsgrenze ist auch kein Verfassungsverstoß verbunden. Zuzugeben ist der Gegenansicht, dass die Höhe des Insolvenzgeld-Anspruchs nicht von dem Zufall abhängen darf, ob der Insolvenzgeld-Zeitraum – wie hier – drei volle Kalendermonate umfasst oder sich auf vier Kalendermonate verteilt. Die Kritik richtet sich indes lediglich gegen die im vorliegenden Fall nicht einschlägige Verwaltungspraxis der Bundesagentur für Arbeit, als Leistungsbemessungsgrenze in Fällen eines auf vier Kalendermonate verteilten Insolvenzgeld-Zeitraums die monatliche Beitragsbemessungsgrenze vier Mal in voller Höhe heranzuziehen. Wie in solchen Fällen zu verfahren ist, bedarf unter den Umständen des vorliegenden Falls keiner Entscheidung. Es bestehen jedoch mehrere verfassungskonforme Lösungsmöglichkeiten, etwa die separate Berechnung der Leistungshöhe für jeden Monat des Insolvenzgeld-Zeitraums, wobei jeweils dem für diesen Zeitraum noch zu beanspruchenden Arbeitsentgelt die monatliche Beitragsbemessungsgrenze als fester Grenzwert gegenüberzustellen ist oder die anteilige (taggenaue) Berechnung für Zeiten des Insolvenzgeld-Zeitraums, die keinen vollen Kalendermonat ergeben.
Bundessozialgericht, Urteil vom 11. März 2014 – B 11 AL 21/12 R