Unternehmer können nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Vorsteuerabzug auch aus den von Insolvenzverwaltern erbrachten Leistungen in Anspruch nehmen.

Dient ein Insolvenzverfahren sowohl der Befriedigung von Verbindlichkeiten des ‑zum Vorsteuerabzug berechtigten- Unternehmens wie auch der Befriedigung von Privatverbindlichkeiten des Unternehmers, ist der Unternehmer aus der Leistung des Insolvenzverwalters grundsätzlich im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren jeweils als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall ging es um eine Einzelunternehmerin, die Umsätze mit Recht auf Vorsteuerabzug ausgeführt hatte. Über ihr Vermögen wurde das Insolvenzverfahren zur Befriedigung unternehmerischer wie auch privater Insolvenzforderungen eröffnet. Sie hatte ihre unternehmerische Tätigkeit bereits vor der Insolvenzeröffnung eingestellt. Der Insolvenzverwalter übernahm Abwicklungstätigkeiten. Für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter erteilte er eine Rechnung mit Steuerausweis an die Einzelunternehmerin und nahm für die Unternehmerin den Vorsteuerabzug zugunsten der Insolvenzmasse in Anspruch.
Dies ist grundsätzlich möglich. Dient das Insolvenzverfahren allerdings der Befriedigung unternehmerischer wie auch privater Insolvenzforderungen, besteht ein nur anteiliges Recht auf Vorsteuerabzug. Die Vorsteuerbeträge sind nach dem Verhältnis der zur Tabelle angemeldeten unternehmerisch begründeten Verbindlichkeiten zu den Privatverbindlichkeiten aufzuteilen. Ob die einzelnen Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist ohne Bedeutung. Ausdrücklich offengelassen hat der Bundesfinanzhof allerdings, wie zu entscheiden wäre, wenn der Insolvenzverwalter das Unternehmen fortgeführt hätte.
Der Unternehmer und damit im Streitfall der Gemeinschuldner ist nach § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Eingangsleistungen für Zwecke seines Unternehmens und damit für seine wirtschaftliche Tätigkeit bezieht.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Diese Vorschriften beruhen unionsrechtlich auf Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach ist der Steuerpflichtige, der “Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet”, zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hierfür muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung bestehen. Bei richtlinienkonformer Auslegung setzt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG somit voraus, dass der Unternehmer Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 9 MwStSystRL) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c MwStSystRL) zu verwenden beabsichtigt. Die Ausgangsleistungen des Unternehmers müssen zudem steuerpflichtig oder in § 15 Abs. 3 UStG (Art. 169 MwStSystRL) benannt sein.
Beabsichtigt der Unternehmer eine von ihm bezogene Leistung zugleich für seine wirtschaftliche und seine nichtwirtschaftliche Tätigkeit zu verwenden, kann er den Vorsteuerabzug grundsätzlich nur insoweit in Anspruch nehmen, als die Aufwendungen hierfür seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen sind. Beabsichtigt der Unternehmer daher eine teilweise Verwendung für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit, ist er insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Bei der dann erforderlichen Vorsteueraufteilung für Leistungsbezüge, die einer wirtschaftlichen und einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers dienen, ist § 15 Abs. 4 UStG analog anzuwenden.
Dient ein Insolvenzverfahren sowohl der Befriedigung von Verbindlichkeiten des ‑zum Vorsteuerabzug berechtigten- Unternehmers wie auch der Befriedigung von Privatverbindlichkeiten des Unternehmers, ist der Unternehmer aus der Leistung des Insolvenzverwalters nur im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren jeweils als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.
Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 bis 3 UStG ist, wenn der Unternehmer eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen verwendet, die den Vorsteuerabzug ausschließen, der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.
Die Leistungen des Insolvenzverwalters stehen im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den im Insolvenzverfahren angemeldeten Insolvenzforderungen.
Der für ein Insolvenzverfahren (§ 1 InsO) bestellte Insolvenzverwalter erbringt seine Leistung aufgrund staatlicher Bestellung (§ 27 InsO) an den Gemeinschuldner, über dessen Vermögen das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Insolvenzverfahren bezieht sich dabei auf das gesamte Vermögen des Schuldners, dessen Verwertung zu einer gemeinschaftlichen Befriedigung der Schuldner führen soll (§ 1 InsO). Handelt es sich bei dem Gemeinschuldner, wie im Streitfall, um eine natürliche Person, die als Unternehmer tätig war, kann das Insolvenzverfahren daher gleichermaßen der Befriedigung unternehmerischer wie auch privater Verbindlichkeiten dienen.
Die Leistung, die der Insolvenzverwalter gegen Entgelt an den Gemeinschuldner erbringt, ist eine einheitliche Leistung, die gleichermaßen durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse des Gemeinschuldners (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) der Befriedigung der Insolvenzgläubiger dient. Die Einheitlichkeit dieser Leistung ergibt sich dabei zum einen aus der für den Insolvenzverwalter fehlenden Möglichkeit, seine Tätigkeit auf einzelne Aufgabenbereiche zu beschränken. Zum anderen spricht für die Einheitlichkeit auch die Vergütung, die der Insolvenzverwalter für seine insgesamt ausgeübte Tätigkeit erhält (§§ 63 ff. InsO i.V.m. §§ 1 ff. der Insolvenzrechtlichen Vergütungsordnung ‑InsVV-). Dass einzelne Tätigkeiten des Insolvenzverwalters zu besonderen Zu- und Abschlägen nach § 3 InsVV führen können, begründet nicht das Vorliegen umsatzsteuerrechtlich selbständiger Leistungen.
Bezieht sich die einheitliche Leistung des Insolvenzverwalters auf die Gesamtheit der im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger, besteht der für den Vorsteuerabzug maßgebliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zu der Gesamtheit dieser Insolvenzforderungen. Eine Berücksichtigung einzelner Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters kommt demgegenüber nicht in Betracht.
Bezieht der ‑zum Vorsteuerabzug berechtigte- Unternehmer, der eine natürliche Person ist, als Gemeinschuldner die Leistung des Insolvenzverwalters sowohl für die Befriedigung seiner unternehmerischen Verbindlichkeiten wie auch für die Befriedigung seiner Privatverbindlichkeiten, ist eine Vorsteueraufteilung entsprechend § 15 Abs. 4 UStG vorzunehmen.
Die wirtschaftliche Zurechnung i.S. von § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG, die unionsrechtlich auf Art. 173 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL beruht, erfordert dabei eine Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der unternehmerisch begründeten Verbindlichkeiten zu den Privatverbindlichkeiten, wobei jeweils auf die im Insolvenzverfahren angemeldeten Insolvenzforderungen abzustellen ist.
Ob und unter welchen Voraussetzungen der Unternehmer durch eine andersartige sachgerechte Schätzung nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG aufteilen kann, ist im Streitfall ebenso wenig zu entscheiden wie über die Frage, ob es im Fall einer Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter zu einer Vorsteueraufteilung nach Maßgabe der fortgesetzten unternehmerischen Tätigkeit unter Vernachlässigung ‑einer nur teilweisen unternehmerischen Begründung- von Insolvenzforderungen kommen könnte.
Auf die Vorlagefragen des Bundesfinanzhofs in seinen Beschlüssen vom 11.12 2013 kommt es nicht an, da diese Rechtssachen die Besonderheiten der Vorsteueraufteilung bei Holdinggesellschaften betreffen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. April 2015 – V R 44/14