Zwangsverwaltung eines Grundstücks – und der fortgeführte Gewerbebetrieb

Führt der Zwangsverwalter auf dem beschlagnahmten Grundstück einen Gewerbetrieb fort, bemisst sich seine Vergütung gemäß § 19 Abs. 1 ZwVwV nach Zeitaufwand. Eine Abrechnung auf der Grundlage eines Prozentsatzes der erzielten Einnahmen und der nicht eingezogenen Forderungen scheidet demgegenüber aus. § 18 Abs. 1 ZwVwV gilt nur bei der Nutzung des Grundstücks durch Vermieten und Verpachten und findet bei der Fortführung eines Gewerbebetriebs keine entsprechende Anwendung.

Zwangsverwaltung eines Grundstücks – und der fortgeführte Gewerbebetrieb

Gemäß § 18 Abs. 1 ZwVwV erhält der Verwalter bei der Zwangsverwaltung von Grundstücken, die durch Vermieten oder Verpachten genutzt werden, als Vergütung in der Regel 10 % des für den Zeitraum der Verwaltung an Mieten oder Pachten eingezogenen Bruttobetrags. Für vertraglich geschuldete, nicht eingezogene Mieten oder Pachten erhält er 20 % der Vergütung, die er erhalten hätte, wenn diese Mieten eingezogen worden wären. Nach Absatz 2 der Vorschrift kann der in Absatz 1 Satz 1 genannte Prozentsatz bis auf 5 vermindert oder bis auf 15 angehoben werden, wenn sich im Einzelfall ein Missverhältnis zwischen der Tätigkeit des Verwalters und der Vergütung nach Absatz 1 ergibt. Da der Zwangsverwalter das Grundstück hier weder vermietet noch verpachtet, sondern das sich auf dem Grundstück befindliche Biomassekraftwerk fortgeführt hat, kommt von vornherein nur eine entsprechende Anwendung des § 18 ZwVwV in Betracht. Die Voraussetzungen einer Analogie liegen jedoch nicht vor, da es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.

Wie die Vorschrift des § 19 ZwVwV zeigt, hat der Verordnungsgeber für den Fall, dass die Vorschrift des § 18 ZwVwV nicht eingreift, eine ausdrückliche Regelung getroffen. Maßgeblich ist insoweit nämlich eine Vergütung nach Zeitaufwand, wobei unterschiedliche Stundensätze heranzuziehen sind. Erzielt der Verwalter Einnahmen außerhalb einer Vermietung oder Verpachtung, kommt es für die Berechnung der Vergütung auf diese Einnahmen nicht an. Vielmehr sieht § 19 ZwVwV insoweit als abschließende Regelung eine Berechnung nach Stundensätzen vor.

Der Verordnungsgeber hat auch nicht übersehen, dass Erträgnisse im Zusammenhang mit einem Grundstück nicht nur aus einer Vermietung oder Verpachtung gezogen werden können, sondern auch durch sonstige Verwertungsmaßnahmen.

Nach § 5 Abs. 1 ZwVwV soll die Art der Nutzung, die bis zur Anordnung der Zwangsverwaltung bestand, beibehalten werden. Dies belegt ebenso wie § 5 Abs. 2 ZwVwV, wonach die Nutzung „grundsätzlich“ durch Vermietung oder Verpachtung erfolgt, dass der Verordnungsgeber die Nutzung des Grundstücks durch den Zwangsverwalter nicht zwingend auf die Vermietung oder Verpachtung beschränkt wissen möchte. Handelt es sich bei dem der Zwangsverwaltung unterliegenden Grundstück beispielsweise um eine Ton, Sand- oder Kiesgrube, ist seit jeher anerkannt, dass der Zwangsverwalter die Rohstoffe ausbeuten und verkaufen kann[1]. Für diesen Fall steht außer Streit, dass sich die Vergütung des Verwalters nicht nach einem prozentualen Anteil der Verkaufserlöse bzw. der vertraglich geschuldeten, aber nicht eingezogenen Verkaufserlöse berechnet, sondern nach § 19 ZwVwV und damit nach Zeitaufwand[2]. Nicht anders liegt es bei einer landwirtschaftlichen Zwangsverwaltung, wenn der Zwangsverwalter – abweichend von dem Regelfall der Bestellung des Schuldners zum Verwalter (vgl. § 150b ZVG) – im Wege der Eigenbewirtschaftung die Ernte einbringt und verkauft[3]. Dass dem Verordnungsgeber diese in der Praxis übliche Berechnung der Vergütung nach Zeitaufwand bei Erlass der Verordnung unbekannt war, kann nicht angenommen werden. Dann stellt es sich aber als bewusste Entscheidung dar, die in § 18 ZwVwV vorgesehene Regelvergütung auf eine Nutzung durch Vermieten oder Verpachten zu beschränken.

Eine andere Nutzung des Grundstücks als durch Vermietung oder Verpachtung liegt auch dann vor, wenn der Zwangsverwalter – wie hier – über die bereits angesprochenen Fälle hinaus einen auf dem beschlagnahmten Grundstück geführten Gewerbebetrieb des Schuldners fortführt. Der Umstand, dass der Bundesgerichtshof erst durch Beschluss vom 14.04.2005[4] und damit nach Inkrafttreten der Zwangsverwalterverordnung am 1.01.2004 grundsätzlich geklärt hat, unter welchen Voraussetzungen dem Zwangsverwalter eine solche Betriebsfortführung gestattet ist, vermag eine planwidrige Regelungslücke nicht zu begründen. Bereits vor dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs und auch deutlich vor dem Inkrafttreten der Zwangsverwalterverordnung wurde nämlich in bestimmten Fällen die Betriebsfortführung durch den Zwangsverwalter insbesondere in der Rechtsprechung als zulässig angesehen[5]. Dass dies dem Verordnungsgeber verborgen geblieben ist, lässt sich nicht feststellen. Wenn er die Betriebsfortführung bei der Bemessung der Vergütung des Zwangsverwalters einer Vermietung oder Verpachtung hätte gleichstellen wollen, hätte er dies in der Verordnung zum Ausdruck gebracht. Hieran fehlt es.

Schließlich lässt sich für eine Regelungslücke auch nichts aus den Vergütungsvorschriften für die Tätigkeit eines Insolvenzverwalters nach der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV) herleiten[6]. Zwar wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die Rechtsstellung des Zwangsverwalters derjenigen des Insolvenzverwalters im Grundsatz vergleichbar ist[7]. Dies gilt auch in den Fällen einer Betriebsfortführung. Gleichwohl hat der Verordnungsgeber bei der hier allein interessierenden Regelung der Vergütung des Zwangsverwalters anders als bei der Vergütung des Insolvenzverwalters gerade nicht an einen bestimmten Prozentsatz einer der Verwaltung unterliegenden Vermögensmasse angeknüpft (vgl. § 2 InsVV), sondern in den §§ 18 und 19 ZwVwV grundsätzlich danach unterschieden, ob die Zwangsverwaltung durch Vermieten oder Verpachten erfolgt dann kommt es auf die eingezogenen bzw. die geschuldeten Bruttomieten an – oder in sonstiger Weise, was eine Abrechnung nach Zeitaufwand zur Folge hat. Folgerichtig fehlt es in der Zwangsverwalterverordnung an der erforderlichen Regelung zu der Berechnungsgrundlage für eine an einer Vermögensmasse orientierten Vergütung, wie sie in § 1 InsVV enthalten ist.

Diese Entscheidung des Verordnungsgebers ist zu respektieren und kann nicht durch die Gerichte im Wege einer Analogie, sondern nur durch den Verordnungsgeber selbst geändert werden.

Da hiernach eine Abrechnung gemäß § 18 ZwVwV in entsprechender Anwendung ausscheidet, richtet sich die Vergütung nach § 19 ZwVwV.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. Januar 2023 – V ZB 23/22

  1. vgl. nur OLG Hamm, Rpfleger 1994, 515, 516; Haarmeyer/Hintzen, ZVG, 7. Aufl., § 5 ZwVwV Rn. 18[]
  2. vgl. nur BeckOK KostR/Klahr [1.07.2022], § 19 ZwVwV Rn. 3; Haarmeyer/Hintzen, Zwangsverwaltung, 7. Aufl., § 19 ZwVwV Rn. 3; B/D/Z/Zimmermann, 5. Aufl., § 19 ZwVwV Rn. 1[]
  3. vgl. Haarmeyer/Hintzen, Zwangsverwaltung, 7. Aufl., § 19 ZwVwV Rn. 3; BeckOK KostR/Klahr [1.07.2022], § 19 ZwVwV Rn. 3[]
  4. BGH, Beschluss vom 14.04.2005 – V ZB 16/05, BGHZ 163, 9[]
  5. vgl. etwa OLG Celle, NJW-RR 1989, 1200; siehe auch die weiteren Nachweise in BGH, Beschluss vom 14.04.2005 – V ZB 16/05, BGHZ 163, 9, 12 f.[]
  6. so auch Keller, IVR 2022, 118[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 05.02.2009 – IX ZR 21/07, BGHZ 179, 336 Rn. 10 f.; BGH, Beschluss vom 23.09.2009 – V ZB 90/09, NJW-RR 2009, 1710 Rn. 13[]