Beim Schweizer Nachlassverfahren handelt es sich um ein ausländisches Insolvenzverfahren im Sinne des deutschen internationalen Insolvenzrechts. Die gerichtliche Bestätigung eines Schweizer Nachlassvertrages wird gemäß § 343 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 InsO im Inland anerkannt.

Der Verlust der Rechte gegen Mitverpflichtete gemäß Art. 303 Abs. 2 des schweizerischen Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) ist eine Wirkung, die als insolvenzrechtlich zu qualifizieren und daher gemäß § 335 InsO nach Schweizer Recht zu beurteilen ist.
Abs. 2 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) bestimmt, dass ein Gläubiger, welcher dem Nachlassvertrag zugestimmt hat, seine Rechte gegen Mitschuldner und andere [nur dann] wahrt, sofern er ihnen mindestens zehn Tage vor der Gläubigerversammlung deren Ort und Zeit mitgeteilt und ihnen die Abtretung seiner Forderung gegen Zahlung angeboten hat.
Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall stimmte der Kläger dem vom Nachlassrichter beim Bezirksgericht Zürich bestätigten Nachlassvertrag über das Vermögen der M. AG vorbehaltlos zu. Ob der Kläger dadurch zugleich seine Schadensersatzansprüche gegen die (mit)haftenden Beklagten verlor, bestimmt sich gemäß § 335 InsO nach Schweizer Recht. Nach § 335 InsO unterliegen das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen, soweit nichts anderes bestimmt ist, dem Recht des Staats, in dem das Verfahren eröffnet worden ist.
Zwar findet grundsätzlich für alle Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer deliktischen Haftung – hier die Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG – das Deliktsstatut und damit deutsches Recht Anwendung. Das Deliktsstatut umfasst im Regelfall alle Einreden und Einwendungen, die dem Anspruch entgegengehalten werden können, wie etwa eine Verjährung des Anspruchs, einen Verzicht oder eine Verwirkung. Im vorliegenden Fall ist aber, worauf die Revision zu Recht hinweist, gemäß § 335 InsO das Insolvenzstatut maßgeblich, da es sich bei einem etwaigen Untergang des Anspruchs gegen Mitschuldner nach Schweizer Recht um einen als insolvenzrechtlich zu qualifizierenden Erlöschensgrund handelt.
Die gerichtliche Bestätigung des Schweizer Nachlassvertrages wird gemäß § 343 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 InsO im Inland anerkannt.
Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass es sich beim Schweizer Nachlassverfahren um ein ausländisches Insolvenzverfahren im Sinne des deutschen internationalen Insolvenzrechts handelt. Die Eröffnung dieses ausländischen Insolvenzfahrens wird damit nach § 343 Abs. 1 Satz 1 InsO ebenso wie Sicherungsmaßnahmen nach dem Antrag zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Entscheidungen zur Durchführung oder Beendigung des Insolvenzverfahrens (§ 343 Abs. 2 InsO) im Inland anerkannt.
Eine solche Entscheidung im Sinne des § 343 Abs. 2 InsO stellt auch die gerichtliche Bestätigung des Nachlassvertrags gemäß Art. 304 Abs. 2 SchKG dar, da hiermit – ähnlich wie im nationalen Recht nach § 254 Abs. 1 InsO – eine Forderungsmodifikation aufgrund des von den Gläubigern beschlossenen (Art. 302 Abs. 2 SchKG) und gegebenenfalls vom Gericht nach Art. 306 Abs. 3 SchKG geänderten Nachlassvertrags einhergeht. Die Forderungsmodifikation ergibt sich daraus, dass der bestätigte Nachlassvertrag für alle Gläubiger – mit Ausnahme der Pfandgläubiger, soweit sie durch das Pfand gesichert sind – verbindlich ist, deren Forderungen vor der Bekanntmachung der Nachlassstundung oder seither ohne Zustimmung des Sachwalters entstanden sind (Art. 310 Abs. 1 SchKG). Im Falle des Nachlassvertrags mit Vermögensabtretung verzichten die Gläubiger dabei insbesondere auf den Forderungsbetrag, der nicht durch die Liquidation oder den Erlös aus der Abtretung des Vermögens gedeckt ist (Art. 318 Abs. 1 Nr. 1 SchKG).
Die für die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens erforderliche Voraussetzung, dass das ausländische Insolvenzverfahren eine extraterritoriale Geltung beansprucht, ist bei der Nachlassstundung ebenso wie beim Konkurs gegeben.
Zwar hat das Schweizerische Bundesgericht in der Vergangenheit die Auffassung vertreten, die Wirkungen eines in der Schweiz bestätigten Nachlassvertrags beschränkten sich grundsätzlich auf das Gebiet der Schweiz. Es hat allerdings schon damals – weitergehend als beim Konkurs – eine Erfassung ausländischer Vermögenswerte durch den Nachlassvertrag als zulässig erachtet und ist von einer auch im Ausland zu beachtenden Verfügungsbefugnis der Liquidatoren ausgegangen. Soweit hierin eine (teilweise) Absage an eine extraterritoriale Geltung des Nachlassverfahrens zu sehen sein sollte, ist diese Auffassung durch die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts überholt. Denn zwischenzeitlich hat es sogar für den Konkurs ausdrücklich festgestellt, dass er Auslandswirkung beansprucht. Auch die Schweizer Literatur geht von dieser sog. aktiven Universalität aus. Soweit teilweise die Auslandswirkung eines in der Schweiz bestätigten Nachlassvertrags von der Anerkennung durch das ausländische Recht abhängig gemacht wird, stellt dies den grundsätzlich bestehenden Anwendungswillen des Schweizer Insolvenzrechts nicht in Frage und ist dies im Hinblick auf § 343 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 InsO unerheblich.
Im Übrigen ergibt sich der Anspruch des Schweizer Nachlassverfahrens auf Auslandsgeltung auch aus dem am 1.01.1989 in Kraft getretenen schweizerischen Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG). Zwar regelt Art. 175 IPRG lediglich die Anerkennung ausländischer Nachlassverträge oder ähnlicher Verfahren in der Schweiz. Aus der nach Art. 175 Satz 2, Art. 166 Satz 1 Buchst. c IPRG erforderlichen Gegenseitigkeit ergibt sich aber, dass das Schweizer Nachlassverfahren auf extraterritoriale Geltung angelegt ist. Anderenfalls wäre die Vorschrift ohne Sinn. Dies gilt insbesondere auch für die schuldbefreiende Wirkung nach Versäumen der im Nachlassverfahren gesetzten Frist. So hat der Bundesgerichtshof die restschuldbeschränkende Wirkung eines Schweizer Konkursverfahrens anerkannt, weil eine gesetzlich vorgesehene Restschuldbeschränkung – wie ein vereinbarter Schuldnachlass – die beabsichtigte Wirkung nur erreichen kann, wenn sie gegenüber allen Gläubigern wirkt. Zugleich diene dies der Gläubigergleichbehandlung. Dieser Gedanke ist auf die schuldbefreiende Wirkung des Nachlassvertrages zu übertragen.
Nach § 335 InsO unterliegen auch die materiellrechtlichen Folgewirkungen des Insolvenzverfahrens grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet worden ist (sog. “lex fori concursus”, vgl. BGH, Beschluss vom 30.04.2013 – VII ZB 22/12, WM 2013, 1225 Rn. 33; LSZ-Smid, Internationales Insolvenzrecht, 2. Aufl., § 343 InsO Rn. 2; MünchKomm-InsO/Reinhart, aaO, § 335 Rn. 9; FK-InsO/Wenner/Schuster, 7. Aufl., § 343 Rn. 36). Hiervon werden alle materiellrechtlichen Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens erfasst, sofern diese nach deutschem internationalen Privatrecht als insolvenzrechtlich zu qualifizieren sind.
Der Verlust der Rechte gegen Mitverpflichtete gemäß Art. 303 Abs. 2 SchKG ist eine materiellrechtliche Folgewirkung, die als insolvenzrechtlich zu qualifizieren und daher gemäß § 335 InsO nach Schweizer Recht zu beurteilen ist, das insoweit keine Rückverweisung vorsieht.
Für die Qualifikation von Rechtsfragen, die sich an der Grenze zwischen Insolvenzrecht und anderen Rechtsgebieten befinden, ist zunächst die ausländische Rechtsvorschrift nach Sinn und Zweck zu erfassen, ihre Bedeutung vom Standpunkt des ausländischen Rechts her zu würdigen und mit der deutschen Einrichtung funktional zu vergleichen. Auf dieser Grundlage ist sie den aus den Begriffen der deutschen Rechtsordnung aufgebauten Merkmalen der deutschen Kollisionsnorm zuzuordnen.
Für eine insolvenzrechtliche Qualifikation sprechen solche Wirkungen, die auf dem Insolvenzverfahren als Gesamtabwicklung der Vermögens- und Haftungsverhältnisse eines Schuldners in einer Mangelsituation zu Gunsten seiner grundsätzlich gleich zu behandelnden Gläubiger beruhen und für die Aufgabenerfüllung eines Insolvenzverfahrens wesentlich sind. Einen weiteren Anhaltspunkt vermag der Umstand zu geben, ob die fragliche Norm auch außerhalb der Insolvenz gilt oder eine spezielle Regelung für den Fall der Insolvenz aufstellt. Anerkannt ist insbesondere, dass sich die Wirkungen eines Insolvenzplanes oder (Zwangs)Vergleichs gemäß § 335 InsO nach der lex fori concursus richten.
Abs. 2 SchKG regelt den Schutz von Mitschuldnern und das Schicksal der gegen diese bestehenden Forderungen. Der Schweizer Gesetzgeber erachtete es als ungerecht, wenn der Gläubiger dem Nachlassvertrag nur zustimmt, weil er den Mitschuldner für die ganze Schuld belangen kann, während der Mitschuldner sein Regressrecht nur bis zum Betrag der Nachlassdividende ausüben kann und somit letztlich den Forderungsbetrag trägt. Demzufolge sei es für den Gläubiger einfach, den Nachlassvertrag zu Lasten des Mitschuldners anzunehmen und ihm ein Opfer aufzuerlegen, zu welchem er sich selbst nicht bereit erklärt hatte. Das Schweizer Recht verlangt daher vom Gläubiger, dem Schuldner Ort und Zeit der Gläubigerversammlung rechtzeitig mitzuteilen und ihm das Angebot zu unterbreiten, seine Forderung gegen – volle – Zahlung an diesen abzutreten. Damit erhalten die Mitverpflichteten vor der Gläubigerversammlung Gelegenheit zum Studium der Akten und durch das Angebot der Forderungsabtretung die Möglichkeit, selbst zum Gläubiger zu werden und über den Nachlassvertrag mitzuentscheiden. Kommt der Gläubiger seiner Verpflichtung nicht nach, verliert er alle seine Rechte gegenüber dem Mitschuldner. Diese Folge tritt ein, wenn der Nachlassvertrag zustande kommt und rechtskräftig wird.
Damit regelt das Schweizer Konkursrecht in Art. 303 Abs. 2 SchKG eine als insolvenzrechtlich zu qualifizierende Fragestellung. Die Fragen der Einbeziehung von Mitverpflichteten in das Verfahren und der Folgerungen für die gegen sie gerichteten Forderungen der Gläubiger im Fall einer Insolvenz und eines sich anschließenden (Zwangs)Vergleichs stellen sich aus autonomer Sicht typischerweise in dieser Mangelsituation und sind daher im Insolvenzrecht zu regeln. Darüber hinaus gilt Art. 303 Abs. 2 SchKG ausschließlich für den Fall des als insolvenzrechtlich zu qualifizierenden Nachlassverfahrens.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Juni 2014 – VI ZR 315/13