Versagung der Restschuldbefreiung – bei einen selbständig tätigen Schuldner

Im Fall des § 295 Abs. 2 InsO genügt der Gläubiger seiner Pflicht zur Glaubhaftmachung der Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger bereits dann, wenn er darlegt, dass der Schuldner an den Treuhänder nicht den Betrag abgeführt hat, den er bei Ausübung einer vergleichbaren abhängigen Tätigkeit hätte abführen müssen.

Versagung der Restschuldbefreiung – bei einen selbständig tätigen Schuldner

Der antragstellende Gläubiger hat gemäß § 296 Abs. 1 Satz 3 InsO auch glaubhaft zu machen, dass die Obliegenheitsverletzung des Schuldners die Befriedigung der Gläubiger beeinträchtigt (§ 296 Abs. 1 Satz 1 InsO in der bis 30.06.2014 geltenden Fassung; fortan InsO aF; vgl. Art. 103h EGInsO).

Der Gläubiger hat eine auf der Obliegenheitsverletzung beruhende Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger dann glaubhaft gemacht, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung eine konkret messbare Schlechterstellung der Gläubiger wahrscheinlich ist. Die Befriedigung der Gläubiger ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings auch dann beeinträchtigt, wenn durch die Obliegenheitsverletzung nur Massegläubiger, wozu auch die Staatskasse bezüglich der Verfahrenskosten gehört, benachteiligt werden. Entscheidend ist danach, dass der Gläubiger Tatsachen glaubhaft macht, aus denen sich ergibt, dass für die Befriedigung der Gläubiger – hätte der Schuldner die Obliegenheit beachtet – wirtschaftlich mehr Mittel zur Verfügung gestanden hätten als dies tatsächlich der Fall war.

Im Fall des § 295 Abs. 2 InsO genügt der Gläubiger seiner Pflicht zur Glaubhaftmachung einer Obliegenheitsverletzung und der Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger bereits dann, wenn er darlegt, dass der Schuldner an den Treuhänder nicht den Betrag abgeführt hat, den er bei Ausübung einer vergleichbaren abhängigen Tätigkeit hätte abführen müssen. Sofern der Gläubiger glaubhaft macht, dass der Schuldner statt einer selbständigen Tätigkeit ein angemessenes Dienstverhältnis hätte eingehen können und er im Rahmen des angemessenen Dienstverhältnisses ein Einkommen erzielt hätte, aus dem unter Berücksichtigung etwaiger Unterhaltspflichten ein nach den Bestimmungen des § 850c ZPO pfändbarer Betrag verblieben wäre, der höher ist als die tatsächlich vom Schuldner aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit an den Treuhänder geleisteten Zahlungen, ist damit regelmäßig zugleich glaubhaft gemacht, dass die Verletzung der Obliegenheit aus § 295 Abs. 2 InsO die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt. Leistet der selbständig tätige Schuldner während der Wohlverhaltensperiode überhaupt keine Zahlungen an den Treuhänder, ist eine Beeinträchtigung der Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger demnach schon dann glaubhaft, wenn sich bei Einkünften aus einem angemessenen Dienstverhältnis ein pfändbarer Betrag ergeben hätte.

Hingegen kommt es nicht darauf an, ob gerade der antragstellende Gläubiger eine bessere Befriedigung erlangt hätte. Zwar entscheidet das Insolvenzgericht gemäß § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO aF nur auf Antrag eines am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubigers. Liegt ein solcher Antrag vor, hat das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner eine seiner Obliegenheiten verletzt und hierdurch die Befriedigung der Gläubiger beeinträchtigt. Diese Entscheidung ist unabhängig davon, inwieweit der antragstellende Gläubiger hiervon selbst betroffen ist. Insbesondere stellt § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO aF hinsichtlich der Gläubigerbefriedigung nur darauf ab, ob die Gesamtheit der Gläubiger bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise aufgrund der Obliegenheitsverletzung schlechter steht als ohne Obliegenheitsverletzung. Der Gläubiger muss mithin im Fall des § 295 Abs. 2 InsO nur glaubhaft machen, dass aufgrund der Abführungspflicht dem Treuhänder höhere Beträge zugeflossen wären als der Schuldner tatsächlich an den Treuhänder gezahlt hat, weil dies eine Beeinträchtigung der Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger indiziert.

Ob der Gläubiger glaubhaft gemacht hat, dass der Schuldner eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt hat, richtet sich allein nach den innerhalb der laufenden Antragsfrist des § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO vom Gläubiger vorgetragenen Versagungsgründen; nach Ablauf der Antragsfrist kann der Gläubiger keine neuen Versagungsgründe mehr vorbringen.

Behauptet der Gläubiger einen Verstoß gegen § 295 Abs. 2 InsO, hat er Tatsachen glaubhaft zu machen, aus denen sich der Schluss ziehen lässt, es bestehe eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass dem Schuldner eine bestimmte abhängige Tätigkeit möglich gewesen ist und der Schuldner aus einem solchen – fiktiven – angemessenen Dienstverhältnis ein Netto-Einkommen erzielt hätte, das die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO überstiegen hätte. Im Streitfall kommt es mithin darauf an, ob der Gläubiger glaubhaft macht, dass dem Schuldner eine Beschäftigung in einem Dienstverhältnis als Versicherungsfachmann oder makler möglich gewesen wäre und welches Einkommen der Schuldner hieraus erzielt hätte.

Hingegen ist es – wie der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden hat – für eine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 2 InsO unerheblich, ob der Schuldner als selbständig Tätiger einen Gewinn erzielt hat oder ob er einen höheren Gewinn hätte erwirtschaften können. Gleiches gilt für die wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen die Eheleute im Streitfall leben. § 295 Abs. 2 InsO löst die zu berücksichtigenden Erträge vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg der selbständigen Tätigkeit des Schuldners. Entscheidend ist allein, welches fiktive Nettoeinkommen der Schuldner aus einem angemessenen Dienstverhältnis erzielen könnte. Angemessen ist nur eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit. Demgemäß muss der Gläubiger sowohl Tatsachen vortragen, aus denen sich die Höhe eines fiktiven Nettoeinkommens aus einem angemessenen Dienstverhältnis ergibt, als auch diese Tatsachen glaubhaft machen.

Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit können unter Umständen ein Indiz dafür sein, dass der Schuldner ein Einkommen aus einem Dienstverhältnis erzielen kann, wenn der Schuldner seine selbständige Tätigkeit auch in der Form eines angemessenen Dienstverhältnisses ausüben könnte.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 4. Februar 2016 – IX ZB 13/15