Gemäß § 283 Abs. 1 StGB wird wegen Bankrotts u.a. bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht. Dieses Beiseiteschaffen kann auch durch einen Geldtransfer auf ein lichtensteiner Konto erfolgen. Allerdings ist im Rahmen des Merkmals “Beiseiteschaffen” im Bankrotttatbestand nicht auf die Erschwernisse für die einzelnen Gläubiger bei der Einzelzwangsvollstreckung abzustellen, sondern auf die Frage, ob infolge der Überweisungen auf das Konto in Liechtenstein eine wesentliche Erschwernis des Zugriffs durch einen Insolvenzverwalter im Rahmen einer Gesamtvollstreckung (Insolvenz) eingetreten ist. Dies betonte der Bundesgerichtshof in einem heute verkündeten Urteil, mit dem der Bundesgerichtshof die Verurteilung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der MobilCom AG aufgehoben hat.

Das Landgericht Kiel hat den Angeklagten Gerhard Schmid wegen Bankrotts in drei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und ausgesprochen, dass wegen eines Verstoßes gegen das Gebot zügiger Verfahrenserledigung fünf Monate der Strafe als verbüßt gelten. Der Bundesgerichtshof hat dieses Urteil heute aufgehoben.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte die ehemalige Landesbank Sachsen im Herbst 2002 ein dem Angeklagten gewährtes Darlehen über ca. 100 Mio. € gekündigt, weil dieser verlangte weitere Sicherheiten nicht stellte. Über die Rückzahlung eines Teilbetrages von 20 Mio. € hatte sie bereits ein – noch nicht rechtskräftiges – erstinstanzliches Urteil erwirkt. In dieser Situation überwies der Angeklagte 500.000 € und 240.000 € auf ein unter seinem Namen geführtes Konto bei einer Bank in Liechtenstein. Außerdem verkaufte er Geschäftsanteile auf einen Trust, dessen Gesellschafterin seine Ehefrau war, und ließ den Kaufpreis von 500.000 € ebenfalls auf das Konto in Liechtenstein transferieren. Von einem Teil des Geldes kaufte der Angeklagte Aktien der MobilCom AG, die er in ein an seine Ehefrau abgetretenes Wertpapierdepot einbuchen ließ. Versuche der Sachsen LB, auf das Konto in Liechtenstein im Wege der Zwangsvollstreckung zuzugreifen, blieben ohne Erfolg.
Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, durch diese Vorgehensweise habe sich der Angeklagte in drei Fällen des Bankrotts (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB) schuldig gemacht. Zwar sei die Darlehenskündigung durch die Landesbank Sachsen unwirksam gewesen, weil ihr Nachsicherungsverlangen überhöht gewesen sei; dennoch habe dem Angeklagten die Zahlungsunfähigkeit gedroht, weil die Landesbank Sachsen die Kündigung jederzeit habe nachholen können und dem Angeklagten die Rückzahlung der gesamten Darlehenssumme nicht möglich gewesen sei. In dieser Lage habe er durch die Vermögenstransfers nach Liechtenstein Bestandteile seines Vermögens beiseite geschafft.
Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat das Landgericht seine Rechtsansicht nicht rechtsfehlerfrei begründet. Denn es hat bei der Auslegung des Merkmals “Beiseiteschaffen” im Bankrotttatbestand auf die Erschwernisse für die Landesbank Sachsen bei der Einzelzwangsvollstreckung abgestellt und sich nicht mit der Frage befasst, ob infolge der Überweisungen auf das Konto in Liechtenstein eine wesentliche Erschwernis des Zugriffs durch einen Insolvenzverwalter im Rahmen einer Gesamtvollstreckung (Insolvenz) eingetreten ist. Die Urteilsgründe stellen auch keine ausreichende Grundlage dar, um das Tatbestandsmerkmal des Beiseiteschaffens aus anderen Gründen mit der notwendigen Sicherheit bejahen oder verneinen zu können. Es konnte daher weder die Verurteilung aufrechterhalten noch der Angeklagte durch den Bundesgerichtshof freigesprochen werden. Die Sache muss deshalb von einer anderen Strafkammer des Landgerichts Kiel neu verhandelt und entschieden werden.
Bundesgerichtshofs, Urteil vom 29. April – 3 StR 314/09