Das neue GmbH-Recht

Das Bundeskabinett hat den Regierungsentwurf des “Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen” (MoMiG) beschlossen.

Das neue GmbH-Recht

Wenn das MoMiG wie geplant in der ersten Hälfte 2008 in Kraft tritt, wird es die umfassendste Reform seit Bestehen des GmbH-Gesetzes sein. Das Gesetz belässt es nicht bei punktuellen Änderungen, sondern ist eine in sich geschlossene Novellierung des geltenden GmbH-Rechts.

Der jetzt beschlossene Entwurf enthält weiter gehende Reform- und Entbürokratisierungsansätze als der Referentenentwurf aus dem vergangenen Jahr: Vorgesehen ist ein Mustergesellschaftsvertrag für unkomplizierte GmbH-Standardgründungen. Wird er verwendet, muss der Gesellschaftsvertrag nicht mehr notariell beurkundet werden. Eine neue GmbH-Variante, die ohne Mindeststammkapital auskommt, erleichtert Gründungen zusätzlich. Um die Eintragung von GmbHs in das Handelsregister zu beschleunigen, wird die Eintragung auch dann erfolgen können, wenn staatliche Genehmigungen für den geplanten Gewerbebetrieb (noch) nicht vorliegen. Ergänzt wurden außerdem Vorschläge zur praxistauglichen Ausgestaltung des Rechts der Kapitalaufbringung. Schließlich werden ungeeignete Personen noch leichter von der Bestellung zum Geschäftsführer ausgeschlossen werden können.

Zu den Schwerpunkten des Gesetzentwurfs im Einzelnen:

1. Beschleunigung von Unternehmensgründungen

Ein Kernanliegen der GmbH-Novelle ist die Erleichterung und Beschleunigung von Unternehmensgründungen. Hier wird häufig ein Wettbewerbsnachteil der GmbH gegenüber ausländischen Rechtsformen wie der englischen Limited gesehen, denn in vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union werden geringere Anforderungen an die Gründungsformalien und die Aufbringung des Mindeststammkapitals gestellt.

a) Erleichterung der Kapitalaufbringung und Übertragung von Geschäftsanteilen

  • Das Mindeststammkapital der GmbH soll von bisher 25.000 Euro auf 10.000 Euro herabgesetzt werden, um Gründungen insbesondere für Dienstleistungsgewerbe zu erleichtern. Als Stammkapital bezeichnet man die bei Gründung einer GmbH von den Gesellschaftern insgesamt zu erbringenden Einlagen. Ein Mindeststammkapital wurde in der Diskussion auch als sinnvolle ?Seriositätsschwelle? gesehen. Um den Bedürfnissen von Existenzgründern, die am Anfang nur sehr wenig Stammkapital haben und benötigen (z.B. im Dienstleistungsbereich) zu entsprechen, bringt der Entwurf eine Einstiegsvariante der GmbH, die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft (§ 5a). Es handelt sich dabei nicht um eine neue Rechtsform, sondern um eine GmbH, die ohne bestimmtes Mindeststammkapital gegründet werden kann. Diese GmbH darf ihre Gewinne aber nicht voll ausschütten. Sie soll auf diese Weise das Mindeststammkapital der normalen GmbH nach und nach ansparen.
  • Die Gesellschafter werden künftig individueller über die jeweilige Höhe ihrer Stammeinlagen bestimmen und sie dadurch besser nach ihren Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten ausrichten können. Bislang muss die Stammeinlage mindestens 100 Euro betragen und darf nur in Einheiten aufgeteilt werden, die durch 50 teilbar sind. Der Entwurf sieht vor, dass jeder Geschäftsanteil nur noch auf einen Betrag von mindestens einem Euro lauten muss. Vorhandene Geschäftsanteile können künftig leichter gestückelt werden.
  • Die Flexibilisierung setzt sich bei den Geschäftsanteilen fort. Geschäftsanteile können künftig leichter aufgeteilt, zusammengelegt und einzeln oder zu mehreren an einen Dritten übertragen werden.
  • Rechtsunsicherheiten im Bereich der Kapitalaufbringung werden dadurch beseitigt, dass das Rechtsinstitut der ?verdeckten Sacheinlage? im Gesetz klar geregelt wird. Eine verdeckte Sacheinlage liegt vor, wenn zwar formell eine Bareinlage vereinbart und geleistet wird, die Gesellschaft bei wirtschaftlicher Betrachtung aber einen Sachwert erhalten soll. Die für die Praxis schwer nachzuvollziehenden Vorgaben der Rechtsprechung zur verdeckten Sacheinlage sowie die einschneidenden Rechtsfolgen, die dazu führen, dass der Gesellschafter seine Einlage i. E. häufig zweimal leisten muss, werden zu Recht fast einhellig kritisiert. Der Entwurf sieht daher vor, dass die Gesellschafter künftig auch mit einer ?verdeckten Sacheinlage? ihre Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft erfüllen können. Der Gesellschafter muss aber beweisen, dass der Wert der verdeckten Sacheinlage den Betrag der geschuldeten Bareinlage erreicht hat. Kann er das nicht, muss er die Differenz in bar erbringen.

b) Einführung eines Mustergesellschaftsvertrags

Für unkomplizierte Standardgründungen (u. a. Bargründung, höchstens drei Gesellschafter) wird ein Mustergesellschaftsvertrag als Anlage zum GmbHG zur Verfügung gestellt. Wird dieses Muster verwendet, ist keine notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrages, sondern nur eine öffentliche Beglaubigung der Unterschriften erforderlich. Die Regelungen in dem Mustergesellschaftsvertrag sind einfach und selbsterklärend, so dass hier keine Beratung und Belehrung durch einen Notar mehr erforderlich ist. Allein die Unterschriften unter dem Gesellschaftsvertrag müssen beglaubigt werden, um die Gesellschafter identifizieren zu können. Der Mustervertrag wird durch Muster für die Handelsregisteranmeldung flankiert (sog. ?Gründungs-Set?). So können in den genannten Fällen sämtliche Schritte bis zur Eintragung in das Handelsregister ohne zwingende rechtliche Beratung bewältigt werden. Natürlich bleibt es möglich, bei der Gründung freiwillig rechtlichen Rat einzuholen.

c) Beschleunigung der Registereintragung

Die Eintragung einer Gesellschaft in das Handelsregister wurde bereits durch das Anfang 2007 in Kraft getretene Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) erheblich beschleunigt. Danach werden die zur Gründung der GmbH erforderlichen Unterlagen grundsätzlich elektronisch beim Registergericht eingereicht, das dann unverzüglich über die Anmeldung entscheiden und die übermittelten Daten unmittelbar in das elektronisch geführte Register übernehmen kann.

Das MoMiG verkürzt die Eintragungszeiten beim Handelsregister weiter:

  • Bei Gesellschaften, deren Unternehmensgegenstand genehmigungspflichtig ist, wird das Eintragungsverfahren vollständig von der verwaltungsrechtlichen Genehmigung abgekoppelt. Das betrifft zum Beispiel Handwerks- und Restaurantbetriebe oder Bauträger, die eine gewerberechtliche Erlaubnis brauchen. Bislang kann eine solche Gesellschaft nur dann in das Handelsregister eingetragen werden, wenn bereits bei der Anmeldung zur Eintragung die staatliche Genehmigungsurkunde vorliegt (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG). Das langsamste Verfahren bestimmt also das Tempo. Diese Rechtslage erschwert und verzögert die Unternehmensgründung erheblich. Zukünftig müssen GmbHs wie Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften keine Genehmigungsurkunden mehr beim Registergericht einreichen.
  • Vereinfacht wird auch die Gründung von Ein-Personen-GmbHs. Hier wird künftig auf die Stellung besonderer Sicherheitsleistungen (§ 7 Abs. 2 Satz 3, § 19 Abs. 4 GmbHG) verzichtet.
  • Es wird ausdrücklich klargestellt, dass das Gericht bei der Gründungsprüfung nur dann die Vorlage von Einzahlungsbelegen oder sonstigen Nachweise verlangen kann, wenn es erhebliche Zweifel hat, ob das Kapital ordnungsgemäß aufgebracht wurde. Bei Sacheinlagen wird die Werthaltigkeitskontrolle durch das Registergericht auf die Frage beschränkt, ob eine ?nicht unwesentliche? Überbewertung vorliegt. Dies entspricht der Rechtlage bei der Aktiengesellschaft. Nur bei entsprechenden Hinweisen kann damit künftig im Rahmen der Gründungsprüfung eine externe Begutachtung veranlasst werden.

2. Erhöhung der Attraktivität der GmbH als Rechtsform

Durch ein Bündel von Maßnahmen soll die Attraktivität der GmbH nicht nur in der Gründung, sondern auch als ?werbendes?, also am Markt tätiges Unternehmen erhöht und Nachteile der deutschen GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen ausgeglichen werden.

a) Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland

Als ein Wettbewerbsnachteil wird angesehen, dass EU-Auslandsgesellschaften nach der Rechtsprechung des EuGH in den Urteilen Überseering und Inspire Art ihren Verwaltungssitz in einem anderen Staat ? also auch in Deutschland ? wählen können. Diese Auslandsgesellschaften sind in Deutschland als solche anzuerkennen. Umgekehrt haben deutsche Gesellschaften diese Möglichkeit bislang nicht. Durch die Streichung des § 4a Abs. 2 GmbHG soll es deshalb deutschen Gesellschaften ermöglicht werden, einen Verwaltungssitz zu wählen, der nicht notwendig mit dem Satzungssitz übereinstimmt. Dieser Verwaltungssitz kann auch im Ausland liegen. Damit soll der Spielraum deutscher Gesellschaften erhöht werden, ihre Geschäftstätigkeit auch außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets zu entfalten. Das kann z.B. eine attraktive Möglichkeit für deutsche Konzerne sein, ihre Auslandstöchter in der Rechtsform der vertrauten GmbH zu führen.

b) Mehr Transparenz bei Gesellschaftsanteilen

Nach dem Vorbild des Aktienregisters soll künftig nur derjenige als Gesellschafter gelten, der in die Gesellschafterliste eingetragen ist. So können Geschäftspartner der GmbH lückenlos und einfach nachvollziehen, wer hinter der Gesellschaft steht. Veräußerer und Erwerber von Gesellschaftsanteilen erhalten den Anreiz, die Gesellschafterliste aktuell zu halten. Der eintretende Gesellschafter erhält einen Anspruch darauf, in die Liste eingetragen zu werden. Weil die Struktur der Anteilseigner transparenter wird, lassen sich Missbräuche wie zum Beispiel Geldwäsche besser verhindern. Das hierdurch geschaffene Vertrauen wirkt sich positiv auf die Geschäftsaussichten der Gesellschaft aus.

c) Gutgläubiger Erwerb von Gesellschaftsanteilen

Die rechtliche Bedeutung der Gesellschafterliste wird noch in anderer Hinsicht erheblich ausgebaut: Die Gesellschafterliste dient als Anknüpfungspunkt für einen gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen. Wer einen Geschäftsanteil erwirbt, soll künftig darauf vertrauen dürfen, dass die in der Gesellschafterliste verzeichnete Person auch wirklich Gesellschafter ist. Ist eine unrichtige Eintragung in der Gesellschafterliste für mindestens drei Jahre unbeanstandet geblieben, so gilt der Inhalt der Liste dem Erwerber gegenüber als richtig. Entsprechendes gilt für den Fall, dass die Eintragung zwar weniger als drei Jahre unrichtig, die Unrichtigkeit dem wahren Berechtigten aber zuzurechnen ist. Die vorgesehene Regelung schafft mehr Rechtssicherheit und senkt die Transaktionskosten. Bislang geht der Erwerber eines Geschäftsanteils das Risiko ein, dass der Anteil einem anderen als dem Veräußerer gehört. Die Neuregelung führt zu einer erheblichen Erleichterung für die Praxis bei Veräußerung von Anteilen älterer GmbHs.

d) Sicherung des Cash-Pooling

Das bei der Konzernfinanzierung international gebräuchliche Cash-Pooling soll gesichert und sowohl für den Bereich der Kapitalaufbringung als auch den Bereich der Kapitalerhaltung auf eine verlässliche Rechtsgrundlage gestellt werden. Cash-Pooling ist ein Instrument zum Liquiditätsausgleich zwischen den Unternehmensteilen im Konzern. Dazu werden Mittel von den Tochtergesellschaften an die Muttergesellschaft zu einem gemeinsamen Cash-Management geleitet. Im Gegenzug erhalten die Tochtergesellschaften Rückzahlungsansprüche gegen die Muttergesellschaft. Obwohl das Cash-Pooling als Methode der Konzernfinanzierung als ökonomisch sinnvoll erachtet wird, ist auf Grund der neueren Rechtsprechung des BGH zu § 30 GmbHG in der Praxis Rechtsunsicherheit über dessen Zulässigkeit entstanden. Der Entwurf greift die Sorgen der Praxis auf und schlägt eine allgemeine Regelung vor, die über das Cash-Pooling hinausreicht und zur bilanziellen Betrachtung des Gesellschaftsvermögens zurückkehrt: Danach kann eine Leistung der Gesellschaft an einen Gesellschafter dann nicht als verbotene Auszahlung von Gesellschaftsvermögen gewertet werden, wenn ein reiner Aktivtausch vorliegt, also der Gegenleistungs- oder Rückerstattungsanspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter die Auszahlung deckt und zudem vollwertig ist. Eine entsprechende Regelung soll auch im Bereich der Kapitalaufbringung gelten.

e) Deregulierung des Eigenkapitalersatzrechts

Die sehr komplex gewordene Materie des Eigenkapitalersatzrechts (§§ 30 ff. GmbHG) wird erheblich vereinfacht und grundlegend dereguliert. Beim Eigenkapitalersatzrecht geht es um die Frage, ob Kredite, die Gesellschafter ihrer GmbH geben, als Darlehen oder als Eigenkapital behandelt werden. Das Eigenkapital steht in der Insolvenz hinter allen anderen Gläubigern zurück. Grundgedanke der Neuregelung ist, dass die Organe und Gesellschafter der gesunden GmbH einen einfachen und klaren Rechtsrahmen vorfinden sollen. Dazu werden die Rechtsprechungs- und Gesetzesregeln über die kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen (§§ 32a, 32b GmbHG) im Insolvenzrecht neu geordnet; die Rechtsprechungsregeln nach § 30 GmbHG werden aufgehoben. Eine Unterscheidung zwischen ?kapitalersetzenden? und ?normalen? Gesellschafterdarlehen wird es nicht mehr geben.

3. Bekämpfung von Missbräuchen
Die aus der Praxis übermittelten Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit der Rechtsform der GmbH sollen durch verschiedene Maßnahmen bekämpft werden:

  • Die Rechtsverfolgung gegenüber Gesellschaften soll beschleunigt werden. Das setzt voraus, dass die Gläubiger wissen, an wen sie sich wegen ihrer Ansprüche wenden können. Deshalb muss zukünftig in das Handelsregister eine inländische Geschäftsanschrift eingetragen werden. Dies gilt auch für Aktiengesellschaften, Einzelkaufleute, Personenhandelsgesellschaften sowie Zweigniederlassungen (auch von Auslandsgesellschaften). Wenn unter dieser eingetragenen Anschrift eine Zustellung (auch durch Niederlegung) faktisch unmöglich ist, wird die Möglichkeit verbessert, gegenüber juristischen Personen (also insbesondere der GmbH) eine öffentliche Zustellung im Inland zu bewirken. Dies bringt eine ganz erhebliche Deregulierung für die Gläubiger der GmbHs, die bisher mit den Kosten und Problemen der Zustellung (insb. auch Auslandszustellungen) zu kämpfen hatten.
  • Die Gesellschafter werden im Falle der Führungslosigkeit der Gesellschaft verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung einen Insolvenzantrag zustellen. Hat die Gesellschaft keinen Geschäftsführer mehr, muss jeder Gesellschafter an deren Stelle Insolvenzantrag stellen, es sei denn, er hat vom Insolvenzgrund oder von der Führungslosigkeit keine Kenntnis. Die Insolvenzantragspflicht soll durch Abtauchen der Geschäftsführer nicht umgangen werden können.
  • Geschäftsführer, die Beihilfe zur Ausplünderung der Gesellschaft durch die Gesellschafter leisten und dadurch die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeiführen, sollen stärker in die Pflicht genommen werden. Dazu wird das sog. Zahlungsverbot in § 64 GmbHG geringfügig erweitert.
  • Die bisherigen Ausschlussgründe für Geschäftsführer (§ 6 Abs. 2 Satz 3 GmbHG, § 76 Abs. 3 Satz 3 AktG) werden um Verurteilungen wegen Insolvenzverschleppung, falscher Angaben und unrichtiger Darstellung sowie Verurteilungen auf Grund allgemeiner Straftatbestände mit Unternehmensbezug (§§ 265b, 266 oder § 266a StGB) erweitert. Zum Geschäftsführer kann also nicht mehr bestellt werden, wer gegen zentrale Bestimmungen des Wirtschaftsstrafrechts verstoßen hat. Das gilt auch bei Verurteilungen wegen vergleichbarer Straftaten im Ausland.